Bundesarbeitsgericht zu Kirche und Arbeit: Unchristlich benachteiligt
Das Diakonische Werk darf von einer Bewerberin keine Kirchenmitgliedschaft verlangen. Das stellt das Bundesarbeitsgericht klar.
Konkret ging es dabei um eine befristete Stelle beim Diakonischen Werk der evangelischen Kirche. Gesucht wurde 2012 ein Referent, der einen Bericht über Rassismus in Deutschland schreiben sollte. Verlangt wurde, dass Bewerber für diese Anstellung einer christlichen Kirche angehören („ACK-Klausel“).
Auf die Stelle bewarb sich die konfessionslose Sozialpädagogin Vera Egenberger, die trotz guter Referenzen nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde. Egenberger klagte deshalb gegen das Diakonische Werk auf Schadensersatz in Höhe von knapp 10.000 Euro. Sie sei nur deshalb nicht eingeladen worden, weil sie keiner Kirche angehöre, das verstoße gegen EU-Recht.
Das Bundesarbeitsgericht legte den Fall zunächst dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor, der im Juli ein Grundsatzurteil sprach: Auch kirchliche Arbeitgeber müssen sich von Gerichten kontrollieren lassen, ob für einen bestimmten Posten die Kirchenmitgliedschaft erforderlich ist.
Dies sorgte bei Kirchen, besonders bei der katholischen Kirche für Unmut. In Deutschland war bisher eine gerichtliche Überprüfung nicht vorgesehen, es kam nur auf das Selbstverständnis der Kirchen an. Das gab auch die kirchenfreundliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor.
Das BAG folgte im Fall Egenberger dem Urteil des EuGH. Es prüfte, ob für die Anfertigung eines Antirassismus-Berichts die Kirchenmitgliedschaft notwendig war und verneinte dies. Die Richter sprachen Egenberger Schadensersatz in Höhe von 3.915 Euro zu – das entspricht zwei Monatsgehältern – und bezogen sich auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Das Urteil ist damit rechtskräftig.
Die Entscheidung betrifft nur diesen Einzelfall. Es dürfte durchaus Arbeitsstellen geben, für die eine Kirchenmitgliedschaft gefordert werden kann. Der EuGH nannte im April drei Konstellationen: Wenn ein Beitrag zum sogenannten Verkündigungsauftrag geleistet wird, wenn „bei der Bestimmung des Ethos“ der Einrichtung mitgewirkt wird oder wenn eine „glaubwürdige Vertretung der Kirche oder Organisation nach außen“ die Mitgliedschaft erfordert.
Das Diakonische Werk kann nun Verfassungsbeschwerde einlegen. Dann müsste das Bundesverfassungsgericht prüfen, ob die EuGH-Rechtsprechung fundamental gegen die „Identität“ des Grundgesetzes verstößt.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Der Jahrestag der Ukraine-Invasion
Warum Russland verlieren wird
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Sieger des rassistischen Wahlkampfes
Rechte Parolen wirken – für die AfD
Alles zur Bundestagswahl
Oma gegen rechts hat Opa gegen links noch nicht gratuliert
Alles zur Bundestagswahl
Lindner und die FDP verabschieden sich aus der Politik
Nach der Bundestagswahl
Jetzt kommt es auf den Kanzler an