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Bundesanstalt lässt Dorf verfallenUnd dann kommt der Abrissbagger

Ostenholz in der Lüneburger Heide gehört fast komplett dem Bund. Der kümmert sich nicht. Ortsansässige sprechen von Vertreibung.

Jahrzehntelang stand er leer, nun kommt er weg: der Wünninghof in Ostenholz Foto: Thorsten Neubert-Preine

Ostenzholz taz | Es gibt Orte, die wirken wie eine Zeitkapsel. Das Dorf Ostenholz im niedersächsischen Heidekreis ist ein solcher Ort. Wer zwischen seinen alten Häusern aus Fachwerk und Backstein spazieren geht, spürt: Leben mit Zukunft gibt es hier schon lange nicht mehr, nur einen langsamen Tod. Vieles steht leer, manches verfällt. Knapp 200 Einwohner harren noch aus.

Der Grund für den Niedergang ist der Bundeswehr-Truppenübungsplatz Bergen, mit über 28.000 Hektar einer der größten in Europa. Seine Grenze ist nur wenige Gehminuten entfernt und wenn es auf seinen Schieß­bahnen zur Sache geht, hört sich das an wie im Krieg.

In Privatbesitz ist in Ostenholz nur die Kirche. Alles andere gehört dem Bund und wird von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) verwaltet. Die verpachtet nur kurzzeitig – wenn überhaupt. Denkt sie, dass Abriss billiger ist als Erhalt, reißt sie ab.

Vergangene Woche traf es den Wünninghof, ein imposantes Vierständer-Hallenhaus in Fachwerk von 1833. Die Bundeswehr hatte ihn für sich selbst gewollt und dann leer stehen lassen, jahrzehntelang. Jetzt kam der Bagger.

Arne Hilbich empört das. Er ist Sprecher des „Freundeskreis Wünninghof“, entstanden aus einer Initiative, die aus dem Gelände des Truppenübungsplatzes und der angrenzenden Gemeinden am liebsten ein Unesco-Biosphärengebiet machen würde. Seit 2014 hat sie versucht, den Hof zu pachten, für ein Umweltinformationszentrum – ohne Erfolg. „Hier findet eine schleichende Vertreibung der Anwohner statt“, sagt Hilbich. Der Abriss sei eine „Schande“, ein „Trauerspiel“. Bundeswehr und Bima sieht er als „Heimatzerstörer“.

In Privatbesitz ist in Ostenholz nur die Kirche. Alles andere gehört dem Bund

Am Vortag der Zerstörung kamen am Wünninghof rund 80 Menschen zu einer Protestkette zusammen. Und irgendjemand hatte offenbar auch einen Baggerschlüssel dabei. „Danach stand das Ding dann 100 Meter vom Hof weg“, lacht Hilbich. Aber eigentlich fühlt er sich wie alle, die Ostenholz nicht retten können: „Hier hat jeder resigniert.“

Und dann zählt er auf: Dass er nicht versteht, warum der Wünninghof nicht unter Denkmal­schutz gestellt worden ist. Dass er nicht versteht, warum die Bima Miet- und Sanierungswillige abweist, obwohl doch überall Wohnraum fehlt. Die Bima sieht er als „Marionette der Bundeswehr, die die Bahn frei haben will für die Übung der nächsten desaströsen Kampfeinsätze“. Der Abriss entbehre jeder Vernunft.

Ortsansässige beim Protest gegen den Abriss Foto: Arne Hilbich

Dabei hatte alles so gut ausgesehen. Heidekreis-Landrat Manfred Ostermann (parteilos) hatte sich, unterstützt durch die Grünen, dafür eingesetzt, den Hof kommunal zu pachten – ohne Erfolg. „Der Abriss macht traurig“, sagt Ostermann der taz. „Dabei ging es letztlich nur noch darum, das Geld statt in den Abriss ins Dach zu investieren, damit das Gebäude stehen bleiben kann.“ Auch Nachnutzungskonzepte örtlicher Initiativen habe es gegeben. Aber: „Dafür hat es im für die Mittelfreigabe zuständigen Kreisausschuss keine Mehrheit gegeben.“

Das war im Herbst 2019. Die Bima habe zugesichert, in andere Gebäude zu investieren, die teilweise ebenfalls ortsprägend seien, sagt Ostermann. „Ich hoffe und wünsche, dass diese Zusage realisiert wird.“

Die Bima habe „Verständnis für den Wunsch, den Wünninghof zu erhalten“, teilt ihr Sprecher Thorsten Grützner in der Zentrale in Bonn, mit. „Sie trägt aber auch die Verantwortung für die Verkehrssicherheit des Gebäudes. Der Wünninghof befindet sich in einem sehr schlechten baulichen Zustand. Er ist baufällig und einsturzgefährdet.“

Man habe sich um den Erhalt bemüht. Aber: „Leider konnte auch mit wissenschaftlicher und baufachlicher Expertise keine Lösung gefunden werden, die den Erhalt und eine zukunftsfähige Nutzung ermöglicht hätte.“ Der Abriss sei „bedauerlicherweise unumgänglich“. Um das Dorf „zu erhalten und lebenswert zu gestalten“, habe die Bima ein „Zukunftskonzept“ aufgestellt, sagt Grützner. Worin das konkret besteht, sagt er nicht.

„Keine Ahnung, in welcher Schublade das vergraben liegt“, sagt Hilbich. „Von den versprochenen Investitionen in Millionenhöhe ist bei den Anwohnern jedenfalls nichts angekommen. Deren Heizungen sind teils noch aus den 1950ern.“

Der Abriss des Wünninghofs sei „keine Maßnahme der Bundeswehr“, sagt ein Sprecher des Bundesamts für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr auf taz-Anfrage. Die Gründe kenne man nicht.

An der Bausubstanz kann es nicht gelegen haben, sagt Hilbich. „Die war grundsolide.“ Vor ein paar Tagen bekam er übrigens Post von der Bima. Die erteilt ihm und seiner Initiative ein „ausdrückliches Betretungsverbot“ aller Bima-Flächen der Region, was faktisch bedeutet, dass ganze Ortschaften tabu sind. Hilbich: „Eine so weitreichende Einschränkung der Bewegungsfreiheit und auch des Rechtes auf Versammlungsfreiheit hat es lange nicht gegeben.“

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2 Kommentare

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  • "... Deren Heizungen sind teils noch aus den 1950ern.“



    Das erfüllt allein schon einen Verstoß gegen das GEG (Gebäude-Energie-Gesetz). Darin ist festgelegt, dass Heizungsanlage nach spätestens 30 Jahren zu erneuern sind, mit Ausnahme von Niedertemperaturheizungsanlagen (Luftheizungen). Ich vermute mal das diese Art von Heizung nicht besteht.



    Warum dürfen diese Anlagen weiter betrieben werden? Warum unterbindet dies der zuständige Bezirksschornsteinfeger, als ausführendes Organ der Behörde, nicht? Wer wurde hier geschmiert oder unter Druck gesetzt? Die Bundeswehr flammt nicht nur Moore ab, sondern betreibt wissentlich auch Heizungsanlage die keine Betriebserlaubnis mehr haben und begeht damit eine Ordnungswidrigkeit!



    Immer für einen Witz gut -



    Wenn schon keine Waffen rauchen, soll es wenigstens der Kamin und das Moor, oder was ?

  • Der Freundeskreis wäre gut beraten, sich juristische Unterstützung in Bezug auf das Schreiben der BIMA zu holen. Vielleicht ist ein Gang vor ein Verwaltungsgericht erfolgsversprechend.