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Bundesärztekammer im OrganskandalEin bisschen mehr Transparenz

Die Bundesärztekammer will die 50 deutschen Transplantationszentren besser kontrollieren. Woher Geld und Personal kommen, bleibt unklar.

Wer kriegt das Herz? Bild: Jenzig71 / photocase.com

BERLIN taz | Nach wochenlangem öffentlichen Druck, ausgelöst durch mutmaßlich kriminelle Datenmanipulationen bei der Vergabe von Spenderorganen an den Unikliniken Göttingen und Regensburg, ist die Bundesärztekammer nun zu Zugeständnissen bei ihrer Informations- und Überwachungspolitik von Transplantationen bereit.

Künftig solle es verdachtsunabhängige, flächendeckende Kontrollen der 50 deutschen Transplantationszentren geben, kündigte der Ärztekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery am Donnerstag in Berlin an. Woher das hierfür nötige Personal und Geld kommen soll, ließ er offen (Übersicht über die Transplantationen 2011 in Deutschland).

Verschärft werden müssten auch die Sanktionen: „Bei schwerem ärztlichen Fehlverhalten“ müsse den Ärzten die Approbation entzogen werden, notfalls sei auch eine Schließung kriminell agierender Transplantationszentren in Betracht zu ziehen. Montgomery schränkte ein, hierfür keine Kompetenz zu haben; sein Appell richte sich an die zuständigen Landesbehörden. Forderungen von Grünen und Linken nach verstärkter staatlicher Aufsicht lehnte Montgomery ab. Allenfalls eine „Verzahnung“ zwischen den Organisationen der Selbstverwaltung und den staatlichen Stellen sei bei der Aufklärungsarbeit sinnvoll.

Vorausgegangen war ein Krisentreffen mit Vertretern der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) sowie der Stiftung Eurotransplant, die als privatrechtliche Organisation mit Sitz im niederländischen Leiden die Vergabe sämtlicher Spenderorgane in sieben europäischen Ländern verantwortet.

In Göttingen hatte der zuständige Chirurg falsche Laborwerte angegeben, damit seine Patienten kränker erschienen. Dadurch rückten sie auf der Organ-Warteliste nach oben. Zuvor hatte er offenbar auch in Regensburg Daten gefälscht. Die bisherigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaften sprechen dafür, dass der Arzt seine Manipulationen nur mithilfe von Mitwissern tätigen konnte.

„Mehraugenprinzip“ favorisiert

Ein „systemisches Versagen“ mochten jedoch weder Montgomery noch der DKG-Geschäftsführer Georg Baum erkennen. Nötig sei allerdings eine bessere Kontrolle bei der Anmeldung von Patienten für die Organ-Warteliste. Das hierzu favorisierte „Mehraugenprinzip“ könne bereits im Herbst in den Richtlinien zur Organtransplantation verankert werden, sagte der Vorsitzende der Ständigen Kommission Organtransplantation bei der Bundesärztekammer, Hans Lilie. Denkbar sei, dass ein unabhängiger Laborarzt die von den Transplant-Teams an Eurotransplant gemeldeten Werte kontrolliere. Überprüft werden müsse auch das beschleunigte Vermittlungsverfahren, bei dem qualitativ minderwertige Organe direkt an Kliniken vergeben werden.

„Nur durch Transparenz lässt sich das Vertrauen in die Organspende wiederherstellen“, sagte der GKV-Vizechef Johann Magnus von Stackelberg. Er versprach, die bislang streng geheim gehaltenen Prüf- und Kontrollberichte der Bundesärztekammer über Unregelmäßigkeiten bei Organvergaben und Transplantationen würden veröffentlicht.

Möglicherweise hatten sich von Stackelberg und Montgomery in diesem Punkt nicht abgesprochen. Montgomery schränkte umgehend ein, die Zusage zur Veröffentlichung gelte „mindestens für die Zukunft“. Ob und welche Altfälle publik gemacht würden, ließ er offen. Seit 2000 seien der Prüf- und Überwachungskommission 199 Vorgänge übermittelt worden, sagte Lilie. Daraus seien 20 Verfahren entstanden, die Behörden oder Staatsanwaltschaften gemeldet worden seien, meistens wegen Verstößen gegen die Transplantationsrichtlinien. „Weil solche Verstöße meist als Ordnungswidrigkeiten gehandelt werden“, so Lilie, „werden sie nicht publik.“

„Hatten nichts mit Vorsatz zu tun“

Und das soll offenbar auch so bleiben. Weder Lilie noch Montgomery waren bereit, neben bereits bekannten Fällen aus Regensburg und Göttingen konkretere Angaben zu den übrigen Verstößen zu machen. Nur so viel: „Die anderen Fälle hatten nichts mit Vorsatz zu tun“, versicherte Lilie. „In einem Fall ging es um ein Kommunikationsproblem zwischen Eurotransplant und einem Klinikmitarbeiter“, orakelte Montgomery.

Der Chef von Eurotransplant, Axel Rahmel, verriet der taz immerhin, Montgomerys Äußerung beziehe sich auf den Fall einer Leberteilspende. Zwischen dem Arzt in einer Hamburger Klinik und Eurotransplant habe es Differenzen über die Art der Teilung der Spenderleber gegeben, also darüber, ob die Leber mittig oder asymmetrisch geteilt gewesen sei.

So etwas entscheidet in der Transplantationsmedizin im Zweifel über Leben und Tod: „Die Art, wie die Leber geteilt wurde, hat unmittelbare Auswirkungen darauf, an welche Patienten sie verteilt werden darf“, sagte Rahmel. „Deswegen haben wir in diesem Fall die Prüfkommission informiert.“

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7 Kommentare

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  • T
    Taktiker

    Die Ärzteschafft macht immer dasselbe:

     

    1. Vertuschen, Verschleiern, Abschirmen

     

    Sobald sich nichts mehr vertuschen lässt:

    2. die Dinge als Einzelfälle darstellen

    3. die Bevölkerung zurechtweisen, sie habe nicht das Recht von Einzelfällen auf die Situation im Medizinbetrieb zu schließen

     

    Wenn sich herausstellt, dass die Dimensionen des

    Skandals mit Einzelfall nicht erkklärbar ist:

    5. sich als Speerspitze der Aufklärung aufspielen

    6. sich als diejenigen ausgeben, die das am besten leisten könnten

    6. versuchen die Aufklärung unter die eigene Kontrolle zu bringen

    7. Staatliche Ermittlungsbehörden kalt stellen

     

    Das hat die Medizin in der Vergangenheit so gemacht bei anderen Skandalen, das macht sie beim jetzigen Skandal so und wird sie auch bai zukünftigen Skandalen so machen.

  • RS
    Reinhold Schramm

    Einige unvollständige Notwendigkeiten für Transparenz - für den künftigen deutschen Gesundheitsbetrieb:

     

    Wir brauchen eine einheitliche gesamtgesellschaftliche Gesundheitsversorgung in Deutschland und ein Ende der Privatisierungspolitik; die Verstaatlichung der Medizinkonzerne und deren gesellschaftliche Kontrolle; ein Ende des privatärztlichen und privatzahnärztlichen profitorientierten Medizinsystems; die Vereinheitlichung des Kassen- und Gesundheitssystems; ein Ende der privatwirtschaftlichen Aktiengesellschaften und GmbHs im Gesundheitswesen; alle werden entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit und ihrem differenzierten Einkommen an ein gesamt-gesellschaftlich-kontrolliertes Gesundheitssystem beteiligt; die Einrichtung von wissenschaftlich-technisch modernen Polikliniken und mit auskömmlich und gutbezahlten Personal ist anzugehen und praktisch umzusetzen, - dies und mehr: gegen alle Lobby- und Profitinteressen, gegen den Widerstand in Wirtschaft, deren Ministerien und Behörden, deren Bundesregierung und Parlamentsmehrheit!

     

    Trotz alledem!

  • S
    Seifenblase

    ....ist die Bundesärztekammer nun zu Zugeständnissen bei ihrer Informations- und Überwachungspolitik von Transplantationen bereit.....

    Montgomery schränkte ein, hierfür keine Kompetenz zu haben; sein Appell richte sich an die zuständigen Landesbehörden.

     

    Wie albern, Montgomery scheint Leberprobleme zu haben.

    Das Gesundheitssystem privatisieren und die Kontrolle und Fachkompetenz dem Staat überlassen. Da scheint die Diagnose ICD10 F60-F69 angebracht.

     

    Wer soll die Kontrollen für gut befinden, wenn gerade deutsche Ärzte selten Behandlungsfehler eingestehen und sich mit Händen, Füssen und vor allem Aktenmanipulation(OP Berichte etc.) wehren?

    Das ganze hat System und ist scheinbar eine Erbschaft der Reichsärzteführer Schule Alt Rehse.

    http://ediss.sub.uni-hamburg.de/volltexte/2007/3457/pdf/Dissertation_Maibaum.pdf

     

    Die Frage warum gerade Nieren und Leber transplantiert werden müssen, will wohl keiner so richtig nachgehen.

     

    Erst mit Lebensmittel die Bevölkerung vergiften, damit sie hinterher ein neues Organ erhalten?

    Es gibt eindeutige Zusammenhänge zwischen Antibiotika, Pestizide etc. in Lebensmitteln und dem Versagen des Immunsystem.

    Es scheint das die Bundesärztekammer diesen Standpunkt, Selbst Schuld wenn du diesen Dreck isst, inoffiziell vertritt und die Kosten ihrer eigenen Kontrolle dem Staat zuschiebt.

     

    Das obwohl seit über einem Jahrzehnt unter anderem die QuasiNiere gGmbh mit Arvato(Bertelsmann) in den Datenbanken der AOK, ITSG aber auch ELENA und mehr, staatlich finanziert herum fummelt.

    http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/14/027/1402753.pdf

    Das finanzierte Datenmonster ITSG. Bei so vielen bestechlichen Ärzten und mehr???

    Der Missbrauch nicht ausgeschlossen.

    http://www.itsg.de/upload/ITSG_Update0107_screen_821.pdf

  • D
    Dani

    Es wird sich also nichts wirklich ändern bzw. verbessern.Das war auch zu erwarten,wenn Lobbyisten wie Kirste und Montgomery das Sagen haben. Die DSO mit ihren zahlreichen Skandalen und Vetternwirtschaft,wo kritische Mitarbeiter die fristlose Kündigung bekommen.

    Die Bundesärztekammer,die nicht mal eine staatliche Behörde ist,sondern ein Verein ohne e.V. Die BÄK vertritt nur ihre eigenen Interessen. Leukämiekranke warten auch auf eine Knochenmarkspende,holen aber nicht die Moralkeule aus dem Sack. Es gibt auch einen Mangel an Blutspendern,aber das interessiert ja keinen. Es gibt Menschen mit seltenen Krankheiten,die sterben , weil die Pharmaindustrie keine Medikamente entwickelt,weil der Aufwand sich finanziell nicht lohnt. Menschenwürde gilt anscheinend für Hirntote nicht,sind ja nur Ersatzteillager. Nach der Entnahme kümmert sich keiner um die Angehörigen,diese werden im Stich gelassen. Das Hirntodkriterium hat man geschaffen zur Organbeschaffung und der Straffreiheit der Ärzte.

     

    Solange BÄK und DSO mit im Boot sitzen und eine einseitige Aufklärung stattfindet, sage ich Nein Danke zur Organspende !

  • G
    Groschen

    "ein bisschen mehr Transparenz" dann ist wieder alles gut ?

    Das glaube ich nicht.

    GUT ist gar nichts mehr zu diesem Thema.

    Das ohnehin sehr schwache Vertrauen in der Bevölkerung wurde in den Grundfesten zerstört.

    Heutige Überschrift einer Boulevardzeitung:

    "Prominente! Wir spenden erst Recht!"

    Paff!

    Na und?

    Sollen sie doch! Mir egal!

    Und, ob sie das wirklich tun, prüft niemand.

    Dieses Thema ist viel zu difizil und unausgegohren, als das man es jahrmarktmäßig durch die Medien jagen dürfte.

    Genauso instinktlos, wie Herr Montgomery selbst.

    Die Zukunft wird es zeigen, wie die Bevölkerung auf diese Unfasslichkeit reagieren wird.

  • D
    Desmonde

    Bei jeder Krebsbehandlung gibt es Tumorkonferenzen, wo über die weitere Vorgehensweise entschieden wird., wieso soll es diese bei einer anstehenden Transplantation nicht geben, wo es noch mehr um Leben oder Tod geht?

    Die Kosten alleine können nicht das Argument sein, wenn die Lage jetzt noch viel dramatischer wird.

  • T
    T.nahrs

    Ist das ein Kommentar? Für mich etwas zu viel Eigen Interpretation und Mutmaßungen. Anstatt immer alles schlecht zu machen würde ich mich über ein paar positive Aspekte freuen.... Klar müssen die Falle aufgeklärt werden, aber Durch die allg. Berichterstattung werden Menschen verunsichert. Es fehlt an Organspendern und die die warten, sind die leidtragenden. Sie sterben! Die Manipulationen sind schlimm und nicht fair. Aber letztlich hat ein kranker Mensch ie Organe bekommen und sie könnten Ihnen helfen! Dass es nicht gerecht war, weil andere es nötiger hatten (laut einer Liste mit aufgestellten kriterien) ist natürlich falsch und chlimm