Bundes-Parteitag in Rostock: Grüne bleiben im Lager
Die Grünen rücken weiter vom Afghanistan-Einsatz ab. Die These, dass die Partei weder links noch rechts sei, stellt der Realo-Flügel lieber nicht zur Abstimmung.
Die Grünen haben die Bedingungen, unter denen ihre Bundestagsfraktion dem Afghanistan-Einsatz zustimmen darf, noch einmal verschärft. Auf ihrem Parteitag in Rostock verabschiedeten sie die Forderung, dass 2010 ein Abzugsplan entwickelt wird und bis Ende der Legislaturperiode, also bis 2013, "eine konkrete Abzugsperspektive eingeleitet" wird, wie Parteichefin Claudia Roth es formulierte.
Ohne Strategiewechsel, ohne mehr zivile Hilfe und mehr Polizeiaufbau würden die Grünen keine Mandatsverlängerung mehr unterstützen. "Was gar nicht geht, ist ein ,Weiter so'", rief Roth.
Der Begriff "Abzugsperspektive" enthalte eine "zwangsläufige Unschärfe", erläuterte der Verteidigungspolitiker Winfried Nachtwei der taz. Wie der zivile Wiederaufbau und ein Truppenrückzug bei der komplizierten Lage vor Ort ineinandergreifen könnten, überlassen die Grünen lieber den Ausführenden.
Ein Antrag der Grünen Jugend, der Ende 2011 als Abzugsdatum markieren wollte, wurde abgelehnt - allerdings mit recht knapper Mehrheit. Geringere, aber noch erkennbare Zustimmung erhielt der Hamburger Uli Cremer mit seiner Forderung nach Sofortabzug. Er meinte, dies sei die einzige Position, "mit der man sich auf der nächsten Friedensdemo auch sehen lassen kann".
Dass die neue grüne Bundestagsfraktion sich bei der nächsten Mandatsverlängerung im Dezember geschlossener - und zwar ablehnend - zeigen könnte als bislang, deutete sich im Beitrag des Hessen Omid Nouripour an. Nouripour, der auch führender Verteidigungspolitiker werden will, sagte: "Wir verteidigen nicht Deutschlands Sicherheit am Hindukusch. Wir verteidigen die Menschen am Hindukusch." Doch gehe es eben so nicht, wie die Bundesregierung es bislang betreibe. Die Hessen-Grünen im Bundestag hatten sich seit 2007 entgegen dem Basisvotum für den Einsatz ausgesprochen.
Sechs Stunden hatten die rund 700 Delegierten in der Rostocker Messehalle tags zuvor unterm Stichwort "linke Mitte" darüber debattiert, mit welchem Oppositionsverständnis sie in die neue Legislaturperiode ziehen wollen. Die Entscheidung der Saar-Grünen für eine "Jamaika"-Koalition hatte vor dem Parteitag einen Flügelstreit darüber ausgelöst, wie die Grünen gleichzeitig in den Ländern mit CDU und FDP koalieren und im Bund gegen sie opponieren wollen.
Die Landesfraktionschefs Volker Ratzmann und Antje Hermenau, aber auch etwa der bayerische Landesparteichef Dieter Janecek oder die Baden-Württembergerin Andrea Lindlohr machten mit Papieren auf sich aufmerksam, in denen sie mehr Offenheit der Grünen nach rechts forderten. Das Denken in Lagern sei überholt. Der Ausschluss einer "Jamaika"-Koalition vor der Bundestagswahl sei falsch gewesen. Dies alles stellten sie aber auf dem Parteitag nicht mehr zur Abstimmung. "Feigheit vor der Basis", sagte der linke Europa-Grüne Sven Giegold zur taz.
In der Tat ließ sich kein starker Auftritt der Realos messen. Der Berliner Ratzmann fragte zwar in seiner Rede: "Schaffen wir es, ein Signal der Offenheit zu senden, oder schaffen wir es nicht?" - ließ die Antwort aber offen. Saar-Fraktionschef Hubert Ulrich erbat geradezu flehentlich die Hilfe der gesamten Partei bei seinem "Experiment" und bekam milden Applaus.
Es war dann der Junggrüne und neue Parteiliebling Arvid Bell, der besonderen Jubel dafür erntete, wie er seine rot-rot-grüne Hoffnung formulierte. Sowohl Linksparteichef Lafontaine als auch den Berliner SPD-Bürgermeister Wowereit zitierend, sagte er: "Mein grünes Herz schlägt links. Und das ist auch gut so."
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