Bund der Steuerzahler: Unmögliche Lobby
Der Bund der Steuerzahler ist nicht so neutral wie sein Name suggeriert. Er vertritt sehr viel mehr die Interessen Wohlhabender als die der Gemeinschaft.
Der Bund der Steuerzahler ist ein seltsames Wesen im Dschungel der Verbände. Er ist – so suggeriert es sein Name – die Stimme all jener, die dem Staat Geld zu entrichten haben, also von uns allen. Auch eine Vermögensteuer, sagte Verbandschef Reiner Holznagel jetzt, richte sich am Ende gegen alle. Also nicht nur gegen die Reichen, auch gegen „Bezieher kleiner oder mittlerer Einkommen“, den Reihenhausbesitzer, den Mieter, auf den Immobilienbesitzer die Abgabe umlegen.
Nun hatte der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Mancur Olson gezeigt, dass ein Verein, der für jedermanns Interessen kämpft, ein Ding der Unmöglichkeit ist: Ein Bund aller Steuerzahler wäre so unwahrscheinlich wie ein Verein zur Förderung sauberer Luft oder eine Interessensgemeinschaft der Bürgersteigpassanten.
Irgendwas stimmt da also nicht. Der Politikwissenschaftler Rudolf Speth hatte vor einigen Jahren im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung analysiert, wer hinter dem Steuerzahlerbund steht: 60 Prozent der Mitglieder seien Unternehmen oder Gewerbetreibende, nur 10 Prozent Arbeitnehmer. Weil der Verband keine zentrale Mitgliederdatei führt, sind dies nur Schätzungen.
Der Steuerzahlerbund veröffentlicht allerdings Daten über die Leser seiner Mitgliederzeitschrift, die deutlich wohlhabender sind als der Bevölkerungsschnitt. 22 Prozent der Leser haben ein Haushaltsnettoeinkommen von mehr als 5.000 Euro im Monat. Im Bundesschnitt verdienen 8 Prozent der Bevölkerung so viel Geld. Wenig verwunderlich also, dass der Verband eher wirtschaftsliberale Partikularinteressen vertritt denn die Anliegen aller Steuerzahler: Seine Schriften analysieren beispielsweise das „Reduzierungspotenzial bei ausgewählten Sozialausgaben“.
Klassiker der Aufregerliteratur
In den Medien ist der Steuerzahlerbund dauerpräsent, etwa dank seines alljährlichen Schwarzbuches zur Steuerverschwendung, einem Klassiker der Aufregerliteratur. Doch hinter den Kulissen läuft es längst nicht mehr so rund: In zehn Jahren verlor der Verband 100.000 Mitglieder, rund 300.000 sollen ihm heute noch angehören.
Bei der Mitgliederwerbung bestreitet der Verband dabei ungewöhnliche Wege: Seit 40 Jahren gibt es eine Kooperation mit dem Versicherungsunternehmen Hamburg-Mannheimer, inzwischen Ergo, das Außendienstler eigens fürs Klinkenputzen im Auftrag des Steuerzahlerbundes abgestellt hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos