Bürgermeisterwahl in New York: Ein junger Wilder für New York
Vorentscheidung um das Bürgermeister-Amt von New York: Gewinnt der charmante Sozialist Zohran Mamdani oder der etablierte Andrew Cuomo die Vorwahl?

Sein junger Herausforderer Zohran Mamdani, Shootingstar der New Yorker Politik und Liebling der jungen Linken der Stadt, gab derweil die für ihn wichtigste Unterstützungsbekundung bekannt. Senator Bernie Sanders empfahl seinen Anhängern, bei der Vorwahl in der kommenden Woche für den bekennenden demokratischen Sozialisten zu stimmen.
Doch ein anderer stahl den beiden die Show. Der in den Umfragen drittplatzierte Kandidat, Stadtkämmerer Brad Lander, wollte den Tag am Einwanderungsgericht verbringen, um darauf zu achten, dass Trumps Deportationstruppe ICE nicht ohne Vollstreckungsbefehl Asylbewerber verschleppt. Dabei geriet er selbst in die Fänge der maskierten Trump-Schergen, sie verhafteten ihn.
Cuomo, der sich in der Wahl als der Mann positioniert, der sich am wirkungsvollsten Trump entgegenstemmen kann, verurteilte hastig das Vorgehen von ICE. Mamdani fuhr unterdessen sofort zum Einwanderungsgericht, hielt mit der sich rasch versammelnden Menge Wache, bis Lander am Nachmittag entlassen wurde, und gab ausführliche Interviews über die Gefahr für die Demokratie und den Terror von ICE.
Der geschickte Kommunikator
Die unterschiedliche Reaktion der beiden Kandidaten zeigte, dass der erst 33 Jahre alte Mamdani bei Weitem der geschicktere Kommunikator ist als der 67-jährige Cuomo. Mamdani war am Abend mit seiner feurigen Trump-Kritik in zahllosen Clips auf Tiktok und Instagram zu sehen. Cuomo schaffte es hingegen kaum in die Nachrichten. Der große Gewinner blieb jedoch Lander, der sich unfreiwillig wieder zurück in das Rennen katapultierte.
Der Tag machte aber auch deutlich, wo beim New Yorker Wahlkampf innerhalb der Demokratischen Partei die politischen Linien verlaufen. Lander und Mamdani verkörpern den progressiven Flügel der Partei, die Fraktion von Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez, die seit Monaten mit ihrer Anti-Oligarchie-Tour gegen Trump mobil machen. Sie haben sich gegenseitig Unterstützung zugesagt und versichern, dass sie dem anderen den Sieg gönnen, solange sie eine Wahl von Cuomo verhindern.
Cuomo ist Teil der etablierten Parteimaschine der Demokraten, der Clintons und der Bidens und auch der Obamas, die Milliardenbeträge von den gleichen Geldgebern einstreichen, die auch Trump fördern, um sich nach allen Seiten abzusichern. Cuomo, der als Gouverneur über mehrere sexuelle Missbrauchsskandale stolperte, sei kein wirklicher Neustart für die Stadt, die in den vergangen vier Jahren einen zutiefst inkompetenten und korrupten Bürgermeister ertragen musste, so die Einschätzung vieler politischer Kommentatoren.
Eric Adams, der als Afroamerikaner aus der Arbeiterschicht frischen Wind versprach, paktierte zuletzt mit Trump, der im Gegenzug den Korruptionsprozess gegen ihn fallen ließ. Insbesondere der charismatische Mamdani verspricht hingegen einen wahrhaftigen Neubeginn für die New Yorker Politik. Und vielleicht verkörpert er sogar einen gänzlich neuartigen Politikertypus, der der orientierungslosen Demokratischen Partei neues Leben einhauchen könnte.
Mamdani besitzt zwei Merkmale, die klassischerweise in der US-Politik als Ausschlusskriterium gelten: Er ist offen israelkritischer Muslim und bezeichnet sich selbst stolz als demokratischen Sozialisten. Das sind selbst in New York keine Dinge, die einer politischen Karriere notwendigerweise zuträglich sind. Doch Mamdani schafft es, ähnlich wie Obama einst das Schwarzsein, beides für die Wähler salonfähig zu machen.
Mamdani ist gut aussehend und gebildet, er ist klug, witzig und schlagfertig und überaus charmant. Er kann ebenso überzeugend einen Draht zu afrikanischen Taxifahrern herstellen wie theoretische Diskussionen über Postkolonialismus führen. Und auch, dass er trotz seines Glaubens und seiner Kritik an Israel kein Antisemit ist, nimmt man ihm ob seiner tief sitzenden Liberalität ab.
Mit diesen Talenten sowie mit dem virtuosen Umgang seiner Generation mit den neuen Medien schafft er es, eine schlichte Botschaft überzeugend zu verbreiten: New York soll kein Luxusprodukt mehr sein, wie sein Vorvorgänger, der Milliardär Michael Bloomberg, deklariert hatte. Die Stadt soll wieder für jedermann bezahlbar werden. „Dass das Leben in New York hart sein muss, ist ein Mythos“, sagt Mamdani.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Um das zu beweisen, hat er einen plausibel klingenden Plan. Er will die Mieten geförderter Wohnungen einfrieren. Er will 200.000 bezahlbare Wohnungen schaffen und durch städtische Lebensmittelläden das Essen für ärmere New Yorker erschwinglich machen.
Manche bezeichnen solche Versprechen als Linkspopulismus und halten Mamdani vor, er besitze nicht die politische Erfahrung, um solche Großprojekte auch durchzusetzen. Doch sein Optimismus reißt die Menschen mit. Und schließlich hat er in seiner jungen Karriere als Staatssenator bereits einiges bewegt. So konnte er einen Schuldenerlass über beinahe eine halbe Milliarde Dollar für New Yorker Taxifahrer durchsetzen sowie ein Pilotprojekt für kostenlosen Bustransport in der Stadt.
Zur politischen Hürde könnte Mamdani, der Cuomo täglich in den Umfragen näher kommt, mittlerweile vor allem die Frage geraten, ob er die einfachen New Yorker, als deren Fürsprecher er sich positioniert, auch von sich überzeugen kann. Die jungen Linken der Stadt hat der Hobbyrapper auf seiner Seite. Den Latinos und Afroamerikanern aus Außenbezirken wie der Bronx muss er jedoch erst beweisen, dass er wirklich auf ihrer Seite steht.
Vielleicht am schwierigsten in dieser Wahl wird unter dem Eindruck von Los Angeles für Mamdani jedoch, ob er die Wähler davon überzeugen kann, dass er es vermag, Trump wirkungsvoll die Stirn zu bieten. Mamdani steht immerhin mit dem Feuer seiner jungen Jahre für alles, wofür Trump nicht steht: soziale Gerechtigkeit, Liberalität, Achtung vor demokratischen Institutionen. Und vielleicht reicht das ja aus, der Stadt und der Partei in diesen Zeiten einen Weg nach vorn zu weisen. Vielleicht auch als unabhängiger Kandidat, sollte er die Vorwahl am Dienstag verlieren.
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