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Bürgermeister-Abwahl in TimmendorfDer König soll weg

Die Gemeinde am Strand versucht am Sonntag, ihren Bürgermeister Robert Wagner loszuwerden. Nicht nur seine Allüren nerven viele.

Le Gemeinde c'est moi! Timmendorfs Bürgermeister Robert Wagner Foto: Wikicommons/Facebook, Montage: taz

Hamburg taz | Robert Wagners Kritiker*innen sind nicht zimperlich, wenn sie ihn beschreiben. Ein „kleiner Sonnenkönig“ sei er, sagt ein Gemeindepolitiker. Von selbstbetriebenem „Personenkult“ ist bei anderen die Rede. Und, ganz grundsätzlich, mangele es ihm an der Fähigkeit, respektvoll mit Untergebenen umzugehen. Am Sonntag, so hoffen es viele in der Gemeinde Timmendorfer Strand an Schleswig-Holsteins Ostküste, soll das Kapitel vorbei sein. Denn noch ist Wagner ihr Bürgermeister – am Sonntag aber steht er zur Wahl. Genauer gesagt: zur Abwahl.

Die Gemeinde will ihr vor zwei Jahren gewähltes Oberhaupt loswerden. Wagner wiederum beklagt Hass und Hetze gegen ihn. Er ist sich sicher, die Wahl zu gewinnen.

Jung, dynamisch und mit Aufbruchstimmung: So einen wollten Timmendorfs Parteien mit Ausnahme der SPD 2018 zu ihrem neuen Bürgermeister machen. In dem parteilosen Politiker glaubten sie ihn gefunden zu haben. Erste Bekanntheit hatte der aus Aachen stammende Wagner im Norden erlangt, als er sich 2014 erfolglos anschickte, Bürgermeister von Sylt zu werden.

Größere politische Ämter hatte Wagner, der bis zu seiner Wahl als Regierungsamtsinspektor eines Bundeswehr-Dienstleistungszentrums tätig war, nicht. Früher war er mal FDP-Mitglied.

Die Parteien schickten Wagner 2018 ins Rennen gegen die amtierende Bürgermeisterin Hatice Kara. Auch die hatte bei ihrer Wahl sechs Jahre zuvor einen Aufbruch verkörpert. Doch Kara – „Frau, jung, SPD, Muslima“, wie es die Lübecker Nachrichten einmal zusammenfassten – schien den meisten Bürger*innen nicht mehr genehm. In der Stichwahl setzte sich Wagner locker durch. Und alle im Ort, vielleicht mit Ausnahme der SPD, waren froh.

Er habe sich von den Bediensteten im Rathaus nur noch mit Herr Bürgermeister ansprechen lassen

Dann ging, Stück für Stück, die Beziehung in die Brüche. Kerstin Hartz ist eine der Initiatorinnen des Wagner’schen Abwahlverfahrens. Sie und ihre Mitstreiter*innen haben Anfang Juli die notwendigen Unterschriften, um eine Abwahl durchzuführen, gesammelt. 20 Prozent der Wahlberechtigten mussten dafür unterschreiben. Zuvor war der Versuch im Gemeinderat gescheitert – es fehlte eine Stimme. „Schon bald nach der Wahl von Herrn Wagner machte sich eine große Unzufriedenheit breit“, sagt Hartz.

So wurde ihm vorgeworfen, seinen Hund mit ins Rathaus zu bringen, während das allen anderen Angestellten untersagt war. An seinem 100. Tag im Amt ließ er vor dem Rathaus zur Feier des Tages die Flaggen hissen. Auch habe er sich von den Bediensteten im Rathaus nur noch mit „Herr Bürgermeister“ ansprechen lassen, berichteten diese. Wagner dementierte das.

Doch es waren nicht nur Allüren, die für Verstimmung sorgten. Dann sei, sagt Hartz, in der Gemeinde durchgesickert, dass sich in der Verwaltung immer mehr Angestellte krankschreiben ließen. Von Mobbing war die Rede. „Wirklich hellhörig wurden wir, als sich auch die Politik immer verärgerter zeigte“, sagt Hartz.

Etwa, als im vergangenen Jahr große Mengen Asbest in einem Schulgebäude entdeckt wurden. Die Verwaltung teilte das lange Zeit niemanden mit. Bis auf die CDU rückten die Parteien, die Wagner zur Wahl verholfen hatten, erstmals klar von ihm ab. Endgültig zerschnitten war das Tuch, als herauskam, dass Wagner seine Unterschrift zu einem Neubau mitten an ­Timmendorfs Strandpromenade gegeben hatte. Der Gemeinderat war gegen den Bau.

Wagner sprach später von einem „Verfahrensfehler“. Zu ändern war der nicht mehr: Nun baut ein Investor am sogenannten Niendorfer Balkon ein elf Meter hohes Gebäude, in dessen Erdgeschoss das Fischrestaurant Gosch eröffnen soll.

Wagner ist, seitdem die Wahl über seine Person beschlossen wurde, beurlaubt. Kommissarisch führt seine Vertreterin die Rathausgeschäfte. Die ehrenamtlichen Mitglieder des Gemeinderats überprüfen derweil Wagners bisheriges Handeln als Verwaltungschef. „Wir schauen uns sämtliche Vorgänge zu Bauvorhaben an, unter die Herr Wagner seine Unterschrift gesetzt hat“, sagt SPD-Fraktionschef Jörn Eckert.

Klage gegen die Wahl

Am Montag hatte Wagner überraschend Klage gegen die Wahl vor dem Verwaltungsgericht Schleswig eingereicht. Den Wahlunterlagen lag ein Schreiben der Gemeindevertretung bei, das laut Wagner gegen das Sachlichkeitsgebot verstößt. Anders als in dem Schreiben dargestellt, habe er seine Mitarbeiter*innen nicht als „Stallgäule“ bezeichnet.

„Ich will damit die Wahl nicht verhindern, aber das ist eine haltlose Unterstellung“, sagt Wagner. Er hatte tatsächlich einmal von der Timmendorfer Verwaltung als Stallgaul gesprochen, betonte aber im Nachhinein, damit metaphorisch den Zustand der Verwaltung gemeint zu haben.

Am Donnerstag wies das Gericht die Klage ab. Einerseits sei Wagners Antrag unzulässig, Rechtsschutz könne er grundsätzlich nur im nachträglichen Wahlprüfungsverfahren erhalten. Hinzu sieht das Gericht keinen Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot.

Wagner glaubt dennoch, dass er die Wahl gewinnen wird. „Es ist nur schade, dass ich wegen der Pandemie keinen Hauswahlkampf machen kann“, sagt Wagner. Er freue sich darauf, ab Montag wieder im Rathaus tätig sein zu können.

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7 Kommentare

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  • 1G
    10283 (Profil gelöscht)

    Wenn tatsächlich "die Gemeinde" ihn loswerden will und nicht nur ein paar Leute die, aus welchen Gründen auch immer, einen Groll auf ihn haben, sollte das doch kein Problem sein.

  • Hire & fire. Oder auf gut (Alt-)Deutsch: Wie gewonnen, so zerronnen.

    Was „der Wirtschaft“ recht ist, sagen sich die selbstsicheren Bürger des (einst) mondänen Urlaubsortes offenbar, ist ihnen allemal billig. Dass sie so denken, wundert mich nicht mal. Das Geld, das ihre Immobilien gekostet haben (oder einbringen würden, wenn sie sie verkaufen täten), ist ja gewiss nicht auf Bäumen gewachsen. Das wurde auch von irgendwem verdient, der sich für erteilter gehalten hat als seine Arbeiter.

    Aber was soll‘s? BM und Bürger sind einander wert, scheint mir. Ich bedaure keinen von beiden. Wer sich nicht aufgrund seiner Ideen zum Bürgermeister hat machen lassen, sondern weil seine Vorgängerin in Ungnade gefallen war, der muss halt damit rechnen, dass ihm genau das gleiche Schicksal blüht. Denn wo ein (starker) Wille ist, immer auch ein (kurzer) Weg gewesen, und Gründe, die man tragen kann wie einst eine Monstranz, sind im Familienpack auch deutlich billiger, als wenn man sie einzeln bezahlt.

  • Den Bürgermeister mit Herr Bürgermeister anzusprechen - ist das nicht völlig üblich?

    • @Laurenz Kambrück:

      Ich denke, in kleinerrn Gemeinden ist man eigentlich immer per du.

      Andererseits ist die Verwaltung vielleicht so verlottert, dass erst mal klar sein muss dass der Vertreter des Volkes und nicht der Amtsschemel das Sagen hat.

    • 0G
      06360 (Profil gelöscht)
      @Laurenz Kambrück:

      Nein, im Solidaritätsgeschwurbel sind alle per Du. Flache Hierarchien und so, vor allem mehr Mitmenschlichkeit soll das bringen.

      Vorname und "Sie" war eine Option; ist aber schwer durchzuhalten.

      Es lenkt halt von wirklichen Problemen ab.

      • @06360 (Profil gelöscht):

        Also bei uns im Pott ist bestehen auf "Sie" ein Zeichen dafür, dass man jemanden nicht leiden kann...

    • @Laurenz Kambrück:

      Mr President, heißt es in den USA zum Präsidenten. Naja, vielleicht fühlt sich Herr Wagner wie ein Möchtegern-Trump in klein.

      Da ich selbst nur in einer Kreisverwaltung arbeite, kann ich nicht sagen wie man einen Bürgermeister anspricht. Der Landrat wird von mir, so ich ihn sehe, mit seinem Nachnamen angeprochen, nicht mit "Herr Landrat". (gerade muß ich an "Der Untertan" von Heinrich Mann denken...)