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Bürgerkrieg in SyrienAssad unter Streubomben-Verdacht

Regierungsunabhängige Organisationen haben die Verwendung der geächteten Waffen in über 150 Fällen dokumentiert.

Kleine „Bomblets“, große Wirkung: Bestandteile von Streubomben. Bild: ap

GENF/BERLIN afp/taz | Regierungsunabhängige Organisationen werfen der syrischen Armee den Einsatz von Streubomben in großem Ausmaß vor. Seit Mitte des Jahres 2012 setze die Regierung in Damaskus im Konflikt mit der Opposition „massiv“ Streumunition ein, heißt es in dem am Mittwoch in Genf veröffentlichten Bericht der Koalition über Streumunition, der 350 Organisationen aus 90 Ländern angehören.

Mit dabei ist die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW), die den Bericht maßgeblich verfasste. Zwischen Mitte 2012 und in der ersten Jahreshälfte 2013 identifizierte HRW 152 Orte in Syrien, in denen mindestens 204 Streubomben eingesetzt wurden. Davon waren neun der 14 Provinzen Syriens betroffen, einige davon mehrfach.

Die Organisation weist darauf hin, dass diese Angaben unvollständig seien, da nicht alle Reste der Munition auf Video aufgenommen oder anderweitig dokumentiert wurden. Mitarbeiter von HRW recherchierten in den vergangenen zwei Wochen den Einsatz von Streubomen in zwei Orten – Deir Jamal bei Aleppo und Tabliseh in der Nähe von Homs.

Dabei seien elf Zivilisten getötet und 27 verletzt worden. Außerdem begann HRW mit der Auswertung von über 450 Videos, die seit August von Aktivisten ins Internet gestellt wurden. Bisher wurden die Überreste von 156 Streubomben aufgrund dieser Aufnahmen identifiziert. In Talbiseh nahm ein Aktivist am 2. März eine Filmsequenz im Augenblick des Angriffs auf. Man sieht, wie die Munition aufschlägt, auseinanderbricht und Minibomben verstreut werden. Im Hintergrund ist eine schreiende Person zu hören.

Hunderte Minibomben

Der Aktivist, der mit laufender Kamera unterwegs war und Verwundeten helfen wollte, sagte gegenüber HRW: „Als ich das Haus erreichte, sah ich dort schwer verletzte Kinder. Sie waren im Haus, als die Minibomben in die Wände einschlugen und explodierten. Nachdem wir den Verletzten nach draußen geholfen hatten, fanden wir drei Tote in einem der Nachbarhäuser. Sie stammten aus derselben Familie. Die Minibombe war neben ihnen explodiert, wir sahen noch die Splitter.“

Streubomben können mittels Artillerie, Raketen oder von Flugzeugen aus eingesetzt werden. Meist explodieren sie in der Luft und setzen Dutzende oder sogar Hunderte Minibomben über einer Fläche von der Größe eines Fußballfeldes frei. Diese Gebiete bleiben wegen der großen Zahl von Blindgängern auch nach dem Ende eines Konflikts verseucht. Genau wie Landminen geht die Munition bei Berührung in die Luft; wer nicht sofort getötet wird, überlebt meist schwer verstümmelt.

Nach Angaben von HRW stammen die meisten der in Syrien eingesetzten Streubomben aus sowjetischer Produktion der 1970iger und Anfang der 1980iger Jahre. Eine Konvention zum Verbot der Streubomben wurde 2008 verabschiedet und trat 2010 in Kraft.

Bis Ende Juli 2013 schlossen sich 112 Staaten der Konvention an, welche die Anwendung, Herstellung, Lagerung und den Verkauf solcher Waffen verbietet. Syrien ist kein Unterzeichnerstaat.

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18 Kommentare

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  • I
    Info
  • I
    Info

    Who is behind Human Rights Watch?:

     

    http://www.antiwar.com/rep/treanor1.html

     

    Mal überprüfen?

  • DF
    Der Fingerzeig

    Liebe Taz, Streubomben werden weltweit eingesetzt. Und auch weltweit produziert:

    http://www.streubomben.de/die-laender/die-produzenten.html

     

    Auch hier ein interessanter Artikel:

    http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Streubomben/bank3.html

     

    Was weltweit produziert wird, womit weltweit Geld verdient wird, hier Streubomben, sollte doch allgemein hinterfragt werden. Auch sollte der Zweck hinterfragt werden, diese Streubomben an alle Herren Länder zu liefern. Welche Zwecke werden mit solchen Lieferungen verfolgt, außer wirtschaftlicher Profit? Wirkt der Fingerzeig auf Assad da nicht etwas plump? Ohne ihn jetzt irgendwie in Schutz nehmen zu wollen? Gleiche regeln für alle? Ich habe noch einen Katalog zuhause mit einer Benetton-Reklame aus den 90ern: Anti-Landminenkampagne. Wurde dann verboten und zurückgezogen. Tja, wir leben schon in einer dekadenten und selbstgefälligen Welt. Das ist das Problem des Westens. Hier mal Einblicke ins Benetton-"Imperium". Viel Spaß beim Klamottenkauf...:

    http://www.creativereview.co.uk/cr-blog/2006/october/benetton-hits-middle-age

  • T
    taz-BEITRITT

    Niemand hetzt in den Krieg.

    Sondern es wird in Erwägung gezogen, wie der Massenmord des Assad-Regimes gestoppt werden kann, wenn andere Mittel in den letzten 2.5 Jahren wirkungslose geblieben sind.

    • E
      egal
      @taz-BEITRITT:

      Soll das Ironie sein?

  • WE
    Wo es herkommt

    Wisst Ihr von woher der Inhalt der Streubomben kommt? Ich sage es euch!

    In Maschinenbaubetrieben, auch in Deutschland werden z.B. für die Fräswerkzeuge usw. sogenannte Wendeplatten eingesetzt. Das sind Schneidplatten auf Harmetallbasis:

     

    http://www.secotools.com/de/Global/Products/Milling/Disc-milling/SNHQ-inserts/

     

    Diese Wendeplatten werden, nachdem sie stumpf sind, weggeworfen bzw. "recycelt". Recycling heißt hier nicht einschmelzen, sondern der Großteil wird in Streubomben verarbeitet (Hartmetallpartikel)

    Wär das nichts für einen Artikel? Wer setzt diese Streubomben ein? Etwa nur Assad?

    Warum wird die Produktionnicht geächtet?

  • F
    Friedenstaube

    Liebe Taz, Amerika, israel, Frankreich, Spanien und viele mehr verwenden diese Munition trotz ächtung. Deutschland und Spanien sind sogar die größten Hersteller davon.

     

    Das war definitiv der letzte Artikel dieser Art, den meine Freundin und ich von euch mitbezahlt haben. Wir kündigen heute unser Abo und treten aus der Taz-genossenschaft aus. Es ist unglaublich, dass ihr mittlerweile mehr Kriegshetze betreibt als selbst die Tagesschau.

    • B
      Bedenke
      @Friedenstaube:

      Und bedenke:

      Viele Onlinezeitungen lassen nur Kommentare zu aber keine Linkverweise zu anderen Websites, die die eigene Meinung untermauern können. Schau dir die Zeit z.B. an. Ich habe gar keine Lust dort zu kommentieren. Die kürzen und kürzen fast jeden Kommentar (gut, die verlinken auch). Ein Großteil tut dies aber tatsächlich nicht. Und bedenke: für die Leute in der Taz ist die Bearbeitung der comments bestimmt viel Arbeit. Nicht jeder Link lässt sich veröffentlichen - Diffamierung usw. Die Taz lässt aber schon sehr viel zu. Aber ehrlich, ich bin nicht von der Taz. Bin selbst nur Leser und kenne die Zeitung seit dem Einstieg Bascha Mikas, die ich, nebenbei gesagt, sehr schätze, eine tolle Frau, die ja seit 2009 leider nicht mehr dabei ist. Mich regen auch viele Sachen bei der Taz auf. Dann müsste ich aber meine eigene Zeitung machen...Der Zeitgeist war die letzten 10 Jahre eher konservativ geprägt. Das wirkte sich, wie ich finde, auch auf die Taz aus.

    • B
      Bedenke
      @Friedenstaube:

      Ich bin nicht von der Taz. Also nichts falsches denken...Ich weiß nicht ob deine Entscheidung etwas verbessert - denk drüber nach. Unsere Medien insgesamt sind ein Problem. Ich würde behaupten: die Amerikanisierung hat sich in unseren Medien eingeschlichen. Vielfach zählt nur noch, wer besser lächeln kann, wie gut "er oder sie" aussehen, der Auftritt, wie man sich verkauft usw. Aber gut, das führt jetzt weg. Ich habe das Gefühl, dass vielen Jounalisten in Deutschland tatsächlich das notwendige Hintergrundwissen in vielerlei Angelegenheiten fehlt. Das worüber sie schreiben wirkt vielfach nicht gut recherchiert, sondern einfach nur "wiedergekaut". Wo kommt das her? Natürlich wird viel über Nachrichtenagenturen gefiltert. So ergibt sich ein Bild, wie über eine Sache zu berichten ist. Ein, vielleicht geschätzter Journalist schreibt einen Artikel und wie über einen Schwarrm verteilt sich die Aussage, die Meinung, das Statement usw. Es findet eine Art Copy & Paste der Berichterstattung statt. Die Politik trägt natürlich bei, gewisse Stimmungsbilder anzuschieben. Der Glaube in die "ach so guten" Westmedien ist vielfach so groß, dass Meinungen und Positionen nicht hinterfragt werden. Und wie der Mensch so ist: die Masse orientiert sich an der Masse - so steht man nicht im Abseits. Das kann natürlich gezielt ausgenutzt werden, was meiner Meinung nach auch geschieht. Amerika wird traditionell immer als "der Gute" gesehen - das Land der Freiheit usw. Alles was aus dem Osten kommt als "das Schlechtere". In meiner traditionell humanistischen Schulausbildung hab ich gelernt, alles zu hinterfragen. Jede Position zu überprüfen. Und: wer nett lächelt und von Frieden spricht geht hintenrum vielleicht über Leichen. Leider ist nur das nette Lächeln und die Phrasendrescherei immer bedeutender in unseren Medien geworden. Aber zumindest steckt die Taz Kritik ein und veröffentlicht auch kritische Links. Machen nicht alle. Bedenke das.

  • asad hat 100.000 menschen getötet. deutschland bleibt stur. schade!

  • KI
    Keine Islampanik

    HRW ist nicht nur eine amerikanische Menschenrechtsorganisation, sondern eine, die in vielen Ländern unabhängige MitarbeiterInnen hat und von tausenden Menschen weltweit mit Spenden finanziert wird

    Human Rights Watch kämpft seit langem gegen die Todesstrafe in den USA.

    2004 erschien im Rahmen von HRW das Buch über den Völkermord in Rwanda:

    Alison DesForges, "Kein Zeuge darf überleben." (Aucun temoin ne doirt survivre). Das war die Devise der Mörder.

    Genau daran sollten wir uns halten und zum Sturz des Assad-Regimes beitragen.

    Die Mobbenden Paniker, die ständig hier und bei der tagesschau die JournalistInnen dafür angreifen, dass diese Agenturmeldungen verarbeiten, könnten gesperrt werden.

    Eigentliche Recherchen über die Verbrechen des Mafiaregimes Assad und der Shabiha-Milizen fanden sich auf taz.de und print sogar von Gabriele Del Grande

    Also um alles in der Welt dazu noch eine italienische Frau!

    • L
      Lagebericht
      @Keine Islampanik:

      Lieber Emmentaler,

      HRW mag mal eine progressive, selbstlose und humanistische NGO gewesen sein, aber das ist schon ein Weilchen her.

       

      Assad mag ein Verbrecher sein, aber man treibt den Teufel nicht mit dem Beelzebub aus.

       

      Und, da das zu Ihrem Standardrepertoire der billigen Unterstellugen zu gehören scheint; die wenigsten Kritiker der Taz-Kriegshetze dürfte die Sorge vor den Taliban-AlKaida-Mudschaheddin umtreiben.

       

      Es ist eher die abstoßende Heuchelei. Nicht nur bei Taz, aber tute es weh. Welt, Bild, SZ und SPON machen das, was sie seit Jahren tun.

       

      Wenn Sie Assad stürzen wollen, dann kämpfen Sie selbst! Sonst bleiben Sie nur ein Maulheld.

  • S
    stroker88

    Ein südwestlicher Nachbar Syriens verwendet diese Streubomben auch immer wieder gerne.

  • U
    USA?

    At least 19 government armed forces have used cluster munitions:

     

    Colombia, Eritrea, Ethiopia, France, Georgia, Iraq, Israel, Libya, Morocco, Netherlands, Nigeria, Russia, Saudi Arabia, South Africa, Sudan, Syria, Thailand, United Kingdom, United States, Yugoslavia (former Socialist Republic of).

     

    Of this number, the following seven countries have now signed or ratified the Convention on Cluster Munitions, formally renouncing any future use of the weapon: Colombia, France, Iraq, Netherlands, Nigeria, South Africa, United Kingdom.

    • K
      Knuffi
      @USA?:

      Die müssen doch noch ihre Restbestände loswerden. Und sei es über dubiose Deals mit afrikanischen "Schurkenstaaten".

  • "Streubomben haben militärische Nützlichkeit bewiesen. Ihre Entfernung aus unseren arsenalen würde das Leben der Soldaten unseres Landes und unserer Verbündeter in Gefahr bringen. Darüberhinaus kann der Einsatz von Streumunition oft zu weniger Kollateralschäden führen als Einzelmunition wie größere Bomben oder Artilleriegranaten verursachen würden wenn sie für den selben Einsatz ausgewählt werden."

    Nun, welches Land mag es wohl sein, dass die Nichtächtung von Streubomben so rechtfertigt? Die USA: http://www.state.gov/t/pm/wra/c25930.htm

     

    Die sind aber nicht die einzigen. Kaum ein Land in der Region (Nordafrika/Naher Osten) ächtet Streumunition. Ebenfalls nicht verzichten wollen Russland, China, Indien und Pakistan.

     

    Dass ihr die anderen Länder, die nicht auf Streumunition nicht verzichten, nicht genannt haben, um das Ganze mal etwas in die Perspektive zu setzen, ist in meinen Augen ganz klar Meinungsmache.

  • GS
    Günter Scholmanns

    D...D...Die Seel ist nicht mehr zu retten- ich gebe das auf. Selbst wenn das Schlimme, das sie nun ständig gegen Assads Leute ins Feld führen möchte, sich irgendwann mal als zutreffend herausstellen sollte, so bliebe doch der Eindruck bestehen, dass die Seel sich daran journalistisch mächtig aufgeilen will, was da nun schon wieder Schreckliches gegen ihre doch bitte zu bemitleidende, unschuldige Rebellenarmee- inclusive der ja auch für mich nun tatsächlich unschuldigen Bevölkerung-, staatgefunden haben KÖNNTE. Seel begeistert ihre eigenen Gefühle daran, möglicherweise stattgefunden habende Schrecklichkeiten gegen ihre bevorzugte Kriegspartei, als für sie erhärtet bewiesenes Ereigniss auf die Leser interpolieren zu wollen. Darum erwähnt sie auch jedesmal nur mögliche Untaten Assads und niemals welche der Rebellen. Aber hier auf diesen Onlineseiten haben sich ja schon genug andere Leser deswegen empört- die taz wird sie wohl nicht rausschmeißen. Schade.

  • Minibomben?

     

    Das scheinen die üblichen Anti-Panzer Cluster mit ca, 500 g Ladung zu sein.Nützt halt auch gegen Infantrie in Deckungen.

     

    Und bei ca. 500 g Sprengstoff wird auc niemand mehr verstümmelt, dazu reicht schon der Zündverstärker, nein bei 500 g wird der Geschädigte schlicht zerissen.

     

    Es handelt sich auch nicht um Minen sondern um recht große Anti-Panzer Ladungen, was da stört sind dann UXO, also Blindgänger wie sie bei jedem Kampfmittel vorkommen.

     

    Und Streumunition ist auch nicht verboten, es gibt bloß ein schwachsinniges Abkommen das Clustermunition verbietet wlche keine selbstdeaktivierenden Zünder aufweist.

     

    Willkommen in der Wirklichkeit!

     

    Glück auf!

     

    Karl