Bürgerkrieg in Libyen: Gaddafi-Getreue im Westen erfolgreich
Soldaten feiern ihren Sieg mit Schüssen in die Luft: Libysche Regierungstruppen haben die Stadt Swara erobert. Doch die Aufständischen wollen nicht aufgeben. Und die G8 zögert.
TRIPOLIS/NEW YORK dpa/dapd | Libysche Regierungstruppen haben am Dienstag die letzte von Regimegegnern gehaltene Stadt westlich von Tripolis eingenommen. Mit der Eroberung der Stadt Swara brachten die Soldaten den gesamten Küstenstreifen zwischen der Grenze zu Tunesien und Tripolis unter ihrer Kontrolle.
Regierungstruppen umstellten die Stadt mit 45.000 Einwohnern am Montag und beschossen sie stundenlang. Dabei kamen mindestens vier Aufständische ums Leben, wie Bewohner erklärten. Die meisten Gefechte konzentrierten sich auf die Seeseite der Stadt.
Die Soldaten feierten ihren Sieg mit Schüssen in die Luft. Die Rebellen wollten sich aber offenbar noch nicht geschlagen geben. Zwar hätten Gaddafis Truppen nach heftigem Beschuss mit Panzer- und Artilleriegranaten die Stadt eingenommen, doch vereinzelt werde noch gekämpft, sagte ein Sprecher der Oppositionskräfte. Die Rebellen würden sich nun neu gruppieren und zurückschlagen. Swara war eine der ersten Städte, die an die Regierungsgegner fiel.
Wenig später erreichten sie im Osten des Landes nach Angaben von Einwohnern Vororte einer weiteren Hochburg der Rebellen, Adschdabija. In Adschadabija beschossen Regierungstruppen mit Kampfflugzeugen den westlichen Zugang zur Stadt, wie ein Einwohner erklärte. Auch Tanklager seien angegriffen worden. Ein Sprecher der Aufständischen, Ahmed al Swei, sagte, dabei sei mindestens ein Regimegegner getötet worden. Gaddafis Truppen, die sich derzeit noch etwa 20 Kilometer vor der Stadt befänden, setzten auch Langstreckenraketen ein.
Kriegsschiffe behindern Hilfslieferungen
Die Regimegegner sehen sich außerdem einer seit Tagen andauernden Blockade der von ihnen gehaltenen Stadt Misurata gegenüber. Ein Arzt sagte, Kriegsschiffe behinderten Hilfslieferungen. Es würden dringend Antibiotika und Hilfsmittel für Operationen benötigt. Misurata ist die drittgrößte Stadt des Landes und liegt rund 200 Kilometer südöstlich von Tripolis.
Die internationale Gemeinschaft ist sich über das Vorgehen gegen Gaddafi weiter uneins. Die Außenminister der sieben großen Industrienationen und Russlands (G8) konnten sich am Dienstag auf keine gemeinsame Linie verständigen. Strittig ist insbesondere die Einrichtung einer Flugverbotszone. Jetzt soll sich der UN-Sicherheitsrat wieder mit dem Thema befassen. Dabei geht es auch um härtere Sanktionen gegen das Gaddafi-Regime.
Zum Ende eines zweitägigen Treffens in Paris warnten die G8-Außenminister Gaddafi vor "schwerwiegenden Folgen", falls er seinem eigenen Volk weiterhin Grundrechte vorenthalte. Die Flugverbotszone oder andere militärische Maßnahmen wurden in der sechsseitigen Abschlusserklärung aber mit keinem Wort erwähnt. Außenminister Guido Westerwelle machte nochmals deutlich, dass eine deutsche Beteiligung an einem Militäreinsatz nicht in Frage komme. "Ich will nicht, dass Deutschland in einen Krieg in Nordafrika dauerhaft hineingezogen wird", sagte der FDP-Chef. "Ein militärisches Eingreifen des Westens kann die Lage sehr viel schlimmer machen. Damit kann man die gesamte Freiheitsbewegung im Norden Afrikas auf einen Schlag gefährden."
Innerhalb der G8-Gruppe drängten insbesondere Frankreich und Großbritannien auf ein militärisches Vorgehen. Dafür gab es jedoch keine Mehrheit. Auch die beiden Sicherheitsrats-Vetomächte USA und Russland blieben zurückhaltend. Russlands Außenminister Sergej Lawrow sagte: "Jetzt warten wir ab, bis die Arabische Liga sagt, wie sie sich das vorstellt." Der italienische Außenminister Franco Frattini warnte ebenfalls vor überstürztem Handeln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen