Bürgerdialog-Konferenz der EU: Zukunft mit Verspätung
Die EU hat eine Konferenz zur Zukunft Europas auf den Weg gebracht. Über die Frage, wer sie leiten solle, gab es monatelangen Streit.
Die Praxis ist etwas komplizierter. Als der Startschuss am Mittwoch im Europaparlament fiel, gaben nicht etwa Vertreter der Zivilgesellschaft den Ton an, sondern die EU-Chefs. Der Präsident des Parlaments, David Sassoli, Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Portugals Regierungschef António Costa unterzeichneten das Gründungsdokument.
„Heute wollen wir hören, wovon die EU-Bürger träumen“, sagte von der Leyen. Die Zukunftskonferenz wolle die „stille Mehrheit“ erreichen, um die richtigen Reformen anzugehen. Parlamentspräsident Sassoli sprach von einem „besonderen Tag für die europäische Demokratie“. Die EU müsse mehr auf ihre Bürger hören.
Nach der Europawahl hatte keiner der offiziellen Spitzenkandidaten eine Mehrheit im Europaparlament auf sich vereinen können. Von der Leyen war schließlich von den 27 Staats- und Regierungschefs eingesetzt worden – ohne die Bürger zu befragen. Dies hatte Zweifel an der demokratischen Legitimation geweckt.
Themen Klimapolitik und Migration
Die Zukunftskonferenz soll nun darüber nachdenken, ob und wie das System der Spitzenkandidaten reformiert werden kann. Auch die Klimakrise, die Coronapandemie und die Migrationspolitik sollen zur Sprache kommen. „Wir müssen mehr Demokratie wagen und Europa wieder handlungsfähig machen“, fordert die SPD-Europaabgeordnete Gaby Bischoff.
An die Arbeit geht es allerdings erst am 9. Mai, dem Europatag. Dann soll es eine Veranstaltung im Europaparlament in Straßburg geben. Die ersten großen Bürgerforen dürften sogar erst im Herbst stattfinden – wenn es die Pandemielage erlaubt. Mit Ergebnissen wird im ersten Halbjahr 2022 gerechnet, unter französischem EU-Vorsitz.
Die Vorschläge dürften am Ende nicht „in der Schublade landen“, warnt Bischoff. Die Politik müsse sich mit den Vorschlägen der Bürger intensiv auseinandersetzen und auch ein Feedback geben. Ähnlich äußerte sich Sven Simon von der CDU: „Die Konferenz darf keine Übung in Selbstbeschäftigung der EU-Institutionen werden.“
Die Vorbereitungen waren jedoch genau das: eine Beschäftigungstherapie für EU-Politiker. Der Rat, die Kommission und das Europaparlament stritten monatelang darüber, wer die Konferenz leiten darf. Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron schlug den Belgier Guy Verhofstadt vor, den langjährigen Chef der Liberalen. Er ist überzeugter Europäer und Föderalist.
Vertragsänderungen wären notwendig
Doch Macron stieß auf Widerstand mehrerer EU-Staaten, für die Verhofstadt der Vertreter eines „Superstaats Europa“ ist. Schließlich einigte man sich auf ein dreiköpfiges Führungsgremium: Jede EU-Institution bekommt einen Präsidenten. Eine Ebene darunter soll ein „Exekutivausschuss“ angesiedelt sein. Hier soll wiederum jede der drei Institutionen drei Vertreter stellen.
Wesentlich weniger Energie verwendeten die EU-Staaten auf die Frage, was aus den Ergebnissen der Konferenz werden soll. Eine Verpflichtung zur Umsetzung der Reformideen gibt es deshalb nicht. Falls die Bürger auf die Idee kommen sollten, die „Vereinigten Staaten von Europa“ auszurufen, hätten sie schlechte Karten. Denn dafür – und für viele andere weitreichende Reformen – wäre eine Änderung der EU-Verträge nötig. Dem müssten alle 27 EU-Staaten zustimmen.
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