■ Buchtip: Die Welt verstehen
Dafür, daß es sich um eine so virulente Problematik handelt, ist die Literatur zum Thema „Interkulturelle Kommunikation“ hierzulande erstaunlich dünn gesät – im Gegensatz etwa zum angloamerikanischen Raum, wo sich auf diesem Gebiet schon längst ein eigener Forschungszweig etabliert hat. „Hierzulande liegt das Feld noch ziemlich brach“, hat auch der Publizistikwissenschaftler Gerhard Maletzke erkannt und mit seinem einführenden Reader einen kleinen Schritt unternommen, daran etwas zu ändern. Die Idee dazu trug der Autor schon seit 30 (!) Jahren mit sich herum. Wie normalerweise nur bei amerikanischen Handbüchern üblich, bedient Maletzke sich einer leicht verständlichen Sprache und anschaulicher Beispiele, um die Schwierigkeiten zu beschreiben, „die bei der Begegnung mit anderen Kulturen auftreten, unabhängig davon, welche Kulturen im konkreten Fall aufeinandertreffen“. Inhaltlich baut sein Kompendium stark auf kulturvergleichenden Standardwerken von Edward T. Hall oder Oscar Weggel („Die Asiaten“) auf, deren einzelne Teile leider stellenweise etwas unzusammenhängend im Raum stehen. Zunächst einmal wird akribisch das begriffliche Instrumentarium dargelegt, samt Definitionen zentraler Begriffe wie „Ethnozentrismus“ und „Kulturrelativismus“, die auch in aktuellen Debatten immer wieder auftauchen, aber selten genauer erklärt und mit der nötigen Distanz reflektiert werden. Was Kulturen sind und worin sie sich unterscheiden, wird anhand von zehn Strukturmerkmalen beschrieben, darunter Zeit- und Raumerleben, Wahrnehmung und Denken, Sprache, nonverbale Kommunikation sowie Wertorientierungen. Im vierten Teil dann wird der „Besucher“ einer fremden Kultur auf die Begegnungsprobleme vorbereitet, die ihn beim Auslandsaufenthalt gewöhnlich die Phasen von der Anpassung über den Kulturschock bis zur schwierigen Rückanpassung nach der Heimkehr durchlaufen lassen. Leider werden viele dieser Aspekte nur oberflächlich gestreift. Auf alltägliche Phänomene wie Misch-, Migranten- und Subkulturen geht er kaum ein.
So bleibt sein Kulturmodell statisch, das Konzept des „multikulturellen Menschen“ dagegen vage bis zur Beliebigkeit. Dennoch dürfte Maletzkes Publikation die Sensibilität fördern für reale Kulturunterschiede, gerade in Zeiten, wo diese zu unüberwindbaren Zivilisationsdifferenzen stilisiert werden - vorausgesetzt, sie findet die richtigen Leser. Schade daher, daß sich das Buch zuerst an Praktiker richtet, „die in der Fremde leben oder beabsichtigen, in die Fremde zu gehen“, denn solcherart „Erstausreisende“ dürften wohl rar sein. Eher schon machen die meisten Deutschen ihre ersten Fremderfahrungen zu Hause, in der Begegnung mit in Deutschland lebenden „Ausländern“ oder im Urlaub. Darauf einzugehen hätte sich durchaus gelohnt.Daniel Bax
Gerhard Maletzke: „Interkulturelle Kommunikation. Zur Interaktion zwischen Menschen verschiedener Kulturen“. Westdeutscher Verlag 1996, 38 DM
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen