Buchpreis für Melinda Nadj Abonji: Schweizerin mit Slam-Erfahrung
Mit "Tauben fliegen auf" von Melinda Nadj Abonji wurde ein sehr eigener aber überzeugender Roman ausgezeichnet. Die Entscheidung kam überraschend.
BERLIN taz | Den diesjährigen deutschen Buchpreis erhält die Autorin Melinda Nadj Abonji für ihren Roman „Tauben fliegen auf“ - das wurde am Montagabend während eines Festaktes im Frankfurter Römer verkündet. Die Preisträgerin ist eine Überraschung, die sich zuletzt aber bereist anbahnte. Die Autorin wurde 1968 in der serbischen Provinz Vojvodina geboren, mit ihren Eltern kam sie als Kind in die Schweiz. Heute lebt sie in Zürich.
„Tauben fliegen auf“ ist ein Roman der Erinnerungen, in einer waghalsigen, oft großartigen, nicht unkomplizierten, aber stets rhythmischen Sprache geschrieben. Dass die Autorin Erfahrungen mit Slam Poetry hat, kann man ihm gut ablesen. Die Szenen des Romans transportieren dabei manchmal plastische, manchmal blasse Erinnerungen an die Einreise in die Schweiz, an Ferien in der Vojvodina, um Gespräche mit Müttern und Großmüttern, die Verschwiegenes und Verdrängtes ans Licht bringen und immer weiter an der Familiengeschichte puzzeln.
Der Roman ist beim Verlag Jung und Jung erschienen. Außer Melinda Nadj Abonji waren Jan Faktor, Thomas Lehr, Doron Rabinovici, Peter Wawerzinek und Judith Zander für die Shortlist nominiert gewesen. Die Gemeinsamkeit der nominierten Bücher, so hatte die Sprecherin der Jurys, die Literaturkritikerin Julia Encke verkündet, liege vor allen in deren Welthaltigkeit – was immer das konkret nun bedeuten soll. Jedenfalls hat die diesjährige Jury, bestehend aus Literaturkritikern und sonstigen Literaturfachleuten, bereits vor der endgültigen Preisverleihung einigen Eigenwillen gezeigt.
Zunächst legte sie los wie nichts Gutes und platzierte auf der Longlist Namen von Autoren und Autorinnen, die man eher beim Independent-Preis der kleineren Verlage vermutet hätte, Nino Haratischwili etwa oder Olga Martynova. Schon zu diesem Zeitpunkt fiel die Jury sehr positiv damit auf, dass sie auf migrantische Schreibweisen setzte – wobei man hinzufügen darf, dass Melinda Nadj Abonji ihre Uni-Abschlussarbeit über Marieluise Fleißer schrieb und auch viele Einflüsse von Ernst Jandl verarbeitete. Dann warf die Jury mit Thomas Hettche, Andreas Maier und Martin Mosebach die Favoriten aus dem Rennen. Und jetzt hat sie mit „Tauben fliegen auf“ einen überzeugenden, sehr eigenen Roman ausgezeichnet, dem man viele Leserinnen und Leser wünschen möchte.
Der Deutsche Buchpreis wurde zum ersten Mal 2005 vergeben, damals erhielt ihn Arno Geiger für sein Geschichtspanorama „Es geht uns gut“. Die Auszeichnung, stets am Vorabend der Frankfurter Buchmesse verliehen, hat sich sehr schnell etabliert. Während der Büchnerpreis fürs gravitätische Lebenswerk steht und der Bachmannpreis für den überraschenden Neu- oder Quereinstieg eines Autors, steht der Deutsche Buchpreis für eine Verbindung von literarischer Qualität und großem Geschäft. Fast alles bisherigen Preisträgerinnen, ob Julia Franck für „Die Mittagsfrau“ (2007) oder Uwe Tellkamp mit dem „Turm“ (2008), standen danach sehr weit oben auf den Bestsellerlisten, aus dem Auslang kamen Übersetzungsverträge. Außerdem erhält die Preisträgerin 25.000 Euro.
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