Buchautor über Willi Lemke: „Ich hielt ihn für einen Bruder Leichtfuß“
Der im August verstorbene Willi Lemke war Manager des SV Werder und Bremer Senator. Biograf Helmut Hafner über schwarze Kassen, Uli Hoeneß und den KGB.
taz: Herr Hafner, was war Willi Lemke am meisten: Sportler, Politiker oder Lobbyist?
Helmut Hafner: Er war in erster Linie Netzwerker. Wir wollten mit dem Buch keine Heldenverehrung betreiben. Es gab ja auch ein paar dunkle Flecken in seiner Laufbahn.
taz: Was hatten Sie für ein Bild von ihm, bevor sie das Buch mit Ralf Lorenzen machten?
Hafner: Es war nicht so positiv. Ich habe in ihm einen Bruder Leichtfuß gesehen. Aber ich habe gemerkt, dass er ein sehr fleißiger, verlässlicher Typ und ein ausgesprochener Macher war. Der hat sich sogar als Bildungssenator um Reparaturen an Schulen gekümmert.
taz: Er hat als Politiker begonnen – als Landesgeschäftsführer der Bremer SPD. Aber richtig bekannt wurde er bei Werder.
Hafner: Ja, er ist auch später immer der Werder-Willi geblieben. Er hat ja Werder als innovativer Manager in den achtziger und neunziger Jahren zum Rivalen des FC Bayern aufgebaut. 1994 zeichnete ihn das Wirtschaftsmagazin Impulse als besten Bundesliga-Manager aus.
taz: So wurde er zum Gegenspieler von Uli Hoeneß, den er „Totengräber“ des deutschen Fußballs nannte. Hoeneß unterstellte ihm, ein „Volksverhetzer“ zu sein.
79, studierte Geschichte und Psychologie und war 35 Jahre im Bremer Rathaus tätig. Er bezeichnet sich als linker Sozialdemokrat.
Hafner: Ja, Lemke spielte die Rolle als bescheidener, braver Bremer gegen den Wurstfabrikanten aus Bayern. Später haben sie ihren Frieden gemacht. Und Hoeneß gab zu, man hätte die Streitigkeiten gern auf offener Bühne ausgetragen. Das hätte beide noch populärer gemacht.
taz: Mit dem Trainer Otto Rehhagel hat Lemke fast 15 Jahre ein Erfolgs-Duo abgegeben. Aber es gab auch dunkle Kapitel …
Hafner: Ja, er musste die Bild-Schlagzeile hinnehmen: „Willi Lemke: Ich war ein KGB-Spion.“ Er hatte sich als Student 1970 mit dem sowjetischen Geheimdienst über eine Zusammenarbeit geeinigt, aber dem deutschen Verfassungsschutz darüber berichtet – war dann auf Wunsch der Deutschen eine Art Doppel-Spion. Das kam 1994 ans Licht.
taz: Auch als Werder-Manager ging er nicht nur den geraden Weg.
Hafner: Es gab eine schwarze Kasse. 2001 zeigte sich der Vorstand selbst an und beglich die hinterzogenen Steuern. Und beim Ausbau des Weserstadions bekam der Bauunternehmer Kurt Zech ohne Ausschreibung den Zuschlag, Korruption stand im Raum.
taz: Als Bildungssenator war er indirekt dafür verantwortlich, dass die Uni das Fach Sport abschaffte – aus Kostengründen.
Hafner: Auch das Bildungsressort musste sparen. Da die Schulen und die Uni sich selbst verwalteten, hatte Lemke, wie er sagte, bei der Abschaffung keinen Einfluss. Überhaupt war seine größte Stärke als Macher auch seine größte Schwäche: Sie verhinderte langfristige Strategien.
Biografie: „Herr Lemke, übernehmen Sie“ von Helmut Hafner und Ralf Lorenzen, Edition E!nwurf, 246 Seiten, 24 Euro
Buchvorstellung mit den Autoren, dem früheren Werder-Trainer Thomas Schaaf, Werder-Geschäftsführer Hubertus Hess-Grunewald und Heide Lemke, der Witwe von Willi Lemke; Mittwoch, 11. Dezember, 19 Uhr Weserstadion, Bremen
taz: Was war Lemkes größte Niederlage?
Hafner: Der gescheiterte Versuch, 2005 Bürgermeister zu werden. Er hatte seine Popularität überschätzt und war in seiner Partei Jens Böhrnsen deutlich unterlegen.
taz: Und was war für ihn der größte Erfolg?
Hafner: Mit Sicherheit die acht Jahre von 2008 bis 2016 bei der UNO als Sonderberater für Sport. Da wurde er weltberühmt und konnte wieder seine Stärken ausspielen. Er beschaffte Geld und konnte etwa in Afrika kleinteilig helfen wie ein Weihnachtsmann.
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