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Buch über rechte PolitikDer paranoide Stil

Natascha Strobl seziert den „radikalisierten Konservatismus“. Dieser ist vom Rechtsextremismus nur schwer zu unterscheiden.

Nicht mehr konservativ und ein Problem für die CDU: Hans-Georg Maaßen Foto: ari/imago-images

Rechter Konservatismus und Rechtsextremismus sind vielerorts ununterscheidbar geworden. Das betrifft natürlich nicht alle Konservative, man lasse nur Armin Laschet oder auch Wolfgang Schäuble vor dem inneren Auge promenieren. Aber in vielen konservativen Parteien machen sich extrem rechte Flügel breit, die oft auch die energetischeren Teile einer wütenden Basis repräsentieren und an die sich die Moderaten anpassen.

In manchen Ländern werden die traditionellen konservativen Parteien von den Radikalen regelrecht gekapert und übernommen, man denke nur an die US-amerikanischen Repu­bli­ka­ner oder die Österreichische Volkspartei unter Sebastian Kurz. Anderswo wiederum entstehen Parteien des „radikalisierten Konservatismus“, oft als „Populisten“ apostrophiert, die den klassischen Konservatismus ersetzen und verdrängen.

Diese Welt „radikalisierten Konservatismus“ unterzieht die Wiener Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl in ihrem schmalen Suhrkamp-Bändchen einer geradlinigen und weitgehend einleuchtenden Analyse.

„Die staatstragenden Parteien einer gedachten Mitte hatten immer das Ziel, die Gesellschaft mit der in ihr gültigen Ordnung zu bewahren. Es war eine im Wortsinn konservative Haltung. Darum geht es im radikalisierten Konservatismus nicht mehr. Vielmehr werden Löcher in die aktuelle Gesellschaft gerissen oder bestehende Differenzen vergrößert. Polarisierung ist für den radikalisierten Konservatismus der … Normalzustand.“

Nichts ist bewahrenswert

Ein wenig ist das eine Reaktion auf ein Problem, das der Konservatismus immer schon, aber in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend hatte: Er findet nichts mehr bewahrenswert. Irgend­wie ist das logisch, da er immer schon eine Reaktion auf die Moderne war.

Aber die Metternichs von vor 150 Jahren konnten sich noch ein­reden, die Zeit ließe sich zurück­drehen oder der Wandel zumindest arg verlangsamen. Nach 150 Jahren Moderne ist das Eden des Konser­vatismus endgültig perdu. Er ist nicht nur wütend auf das, was ist, sondern auch auf das, was gestern schon war.

Natascha Strobl: „Radikalisierter Konser­vatismus“. Suhrkamp Verlag, Berlin 2021, 192 Seiten, 16 Euro

So fordern diese neuen Konservativen nicht die Verteidigung des Bestehenden, sondern beklagen einen allgemeinen Verfall, sie geben sich volkstümlich und kämpfen gegen die „liberalen Eliten“, die seit dem gegenkulturellen Aufbruch der sechziger Jahre entstanden sind. Nicht jeder, der die ökonomischen Rezepte des Neoliberalismus verkündet, ist deswegen schon dafür, dass man den jungen Leuten mehr Manieren eintrichtern muss.

Nicht jeder, der dafür plädiert, den Sozialstaat abzuräumen, um Härte ins Leben der verweichlichten Wohlfahrtsstaat-Bewohner*innen zu bringen, meint auch, dass „wir“ die Muslime „hinter das Mittelmeer“ zurückwerfen müssen. Aber sehr viele innerhalb dieses Spektrums des radikalisierten Konservatismus teilen diese Ressentiments, Meinungen und Instinkte – und ein paar mehr, die wir alle längst kennen.

Reißerische Meinungsbruchstücke

Natascha Strobl dekliniert den Politikstil und die reißerischen Meinungsbruchstücke dieses Konservatismus durch. Die Polarisierung und Erregungsbewirtschaftung, die er braucht. Die Aufganselei ganzer Gesellschaften. Dieses Sprechen im Namen einer vermeintlich schweigenden Mehrheit, der „regular Guys“, der „normalen Leute“.

Der Führerkult und die Inszenierung des Anführers als Star. Die Einteilung in Fleißige und Faule, die ökonomische Benachteiligung gern als Charakterschwäche interpretiert. Die Rhetorik der Härte. Strobl: „Im radikalisierten Konservatismus verschmelzen die Feindbilder der traditionellen extremen Rechten mit jenen des Neoliberalismus.“

Etwas kurz geraten die Hinweise auf das historische Herkommen dieses Konservatismus, etwa der Stahlhelm-Rechten der „konservativen Revolution“ und (proto)faschistischer Bewegungen von vor hundert Jahren, gänzlich ignoriert und womöglich unterschätzt wird der Beitrag des amerikanischen „Neo-Konservatismus“, der seit den sechziger Jahren den US-Konservatismus radikalisierte.

Richard Hofstadter hatte schon 1964 in einem legendären Essay den „paranoiden Stil der amerikanischen Po­litik“ angeprangert und dabei so ­ziemlich alle Ingredienzen be­schrieben, die den heutigen Radikalkonservatismus auszeichnen. Es ist auch eine Folge der Globalisierung von Diskursen, dass dieser Stil über den Ozean schwappte und den europäischen Konservatismus umpolte. Fast irgendwie verrückt: Die Heimatschwurbler sind amerikanisierter, als sie glauben.

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5 Kommentare

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  • ich wunder mich immer, wieso alle Konservativen Parteien was gegen Einwanderung haben.

    Viele Einwanderer, sind eher Konservativ. Da sie aus erzkonservativen Regionen stammen. Können also nichts mit ehe für alle oder Gendergerechtersprache anfangen, oder sind eher gegen Abtreibung...



    Und nach ein paar Jahren haben die Deutschen Pass und können wählen.

    Aber niemand wird eine Partei wählen, die etwas gegen einen hat und einen am liebsten los werden möchte.

    Also eine Konservative Partei, die Pro Einwanderung wäre, wäre für diese Leute perfekt. Aber im Grunde machen sich die konservativen doch diese potentiellen Wähler zum feind... also warum sind alle konservativen immer alle so nationalistisch? Konservative Parteien, ohne Nationalismus müssten doch eigentlich eher die Zukunft für Konservative sein.

  • Ich muss leider sagen, hier sind einige fehler drin

    1. "Die staatstragenden Parteien einer gedachten Mitte hatten immer das Ziel, die Gesellschaft mit der in ihr gültigen Ordnung zu bewahren. Es war eine im Wortsinn konservative Haltung."



    Das hängt stark von der genauen definition einer mitte ab. Die mitte will zwar bewahren, war deshalb aber NICHT NUR konservativ, sondern auch progressiv. nur eben nicht besonders stark.

    2. Der Konservativismus ist keine Reaktion auf die Moderne! Konservation, also besser Wissens- & Sozialtradition, sowie progressives Verstehen, also dazulernen von Wissen & Sozialem, waren immer schon Bestandteil der politischen & kulturellen Welt. Auch schon bei den Tieren! Hier lohnt es sich mal etwas mit der Primatenforschung auseinanderzusetzen!



    Man muss hier ganz klar unterscheiden zwischen einer REAKTIONÄREN egozentrischen Politik und einer offenen sozialen Politik. Ob und wie weit Wissen und anderes konserviert wird, ist davon abhängig!



    Deswegen unterscheiden die Griechen auch immer unter zwei Staatsformen pro Typ. Die asoziale und die soziale ....

    Es gibt also (3) genug zu konservieren. Das Problem dieser sogenannten konservativen ist, das sie fast alle vom egozentrischen typ her bestimmt sind, was dazu führt, das es kein universeller konservativismus ist, wie in die aufklärung haben will, sondern ein exklusiver konservativismus, der nur ganz bestimmte dinge konserviert, die der vorherrschenden sozialstruktur entspricht.

    4. muss auch gesehen werden, das ideologische strukturen seit über 7000 jahren vor allem dazu benutzt werden, soziale & kulturelle repression auszuüben! Was eben zu dieser unheiligen koalition eines exklusiven konservativismus mit dem egozentrischen sozialverhalten der primaten und tyrannen geführt hat!

    Primitive und untugendhafte Verhaltensmuster sind direkt damit korreliert und ergeben das bild der gewaltsamen und imperialistischen geschichte der letzten 7000 jahre!

    "progressive & conservative should go hand in hand"

    • @Christian Will:

      Booey - wie heißt es doch so schön irgendwo bei Christian Morgenstern:



      “…und staunend liest‘s der anbetroffne Chef!“ - 😎 -

      • @Lowandorder:

        Thesen zu (vermeidlichen) historischen Konstanten über 7000 Jahre hinweg werden zumindest in der Fachwelt als äußerst problematisch erachtet. Das Gleiche gilt für den Vergleich zwischen Sozialforschung und Primatenforschung.

  • “Wo Robert Misik draufsteht …“ Danke.



    Vor allem für das Aufzeigen einzelner Fehlstellen.

    kurz - Zum “kaum“ => ich halt‘s für ununterscheidbar.



    Will sagen => “radikal“ ist Extremisten in Wahrheit etwas geistig & tatsächlich fremdes •



    Mit bitterbrutalen Folgen für die Menschen in unseren Gesellschaften.



    Unserer - res publica - unseren Republiken.



    Insbesondere nach dem Grundgesetz - GG - .



    Das dem aktuell wuchernden Extremismus eine eindeutige Absage erteilt (hat) •