Buch über die Gründung von Rockbands: Unerbittliches Rollenspiel
Kochshows und Militärtheorie: Um das Wesen der Rockband zu klären, ist Chain and The Gang-Sänger Ian Svenonius alles recht.
Öfter mal antizyklisch sein! Während das Magazin Cicero kürzlich den Abschied von den Rockvätern verkündete, ergründet der US-Künstler und Sänger von Chain & The Gang, Ian Svenonius, Rockmusik aufs Neue und schaut dem Kapitalismus auf diese Weise ins Jugendzimmer. Zu diesem Behufe hat er ein Buch geschrieben: „22 Strategien für die erfolgreiche Gründung einer Rockband“. Was man für Ratgeberliteratur halten könnte, liest sich kurzweilig und respektlos, aber auch ernst und pathetisch, wie der Duktus eines Obstkistenpredigers in einem Park.
„Die moderne Rockgruppe ist eine vorhersehbare, seelenlose, alberne und ziemlich langweilige Vereinigung, die aus in Internaten erzogenen Bankierssöhnchen besteht,“ urteilt Svenonius und man spürt in seinen Worten sogar etwas den Geist der Frankfurter Schule und eines Max Horkheimer, der Positivismus einst als „philosophische Technokratie“ verwarf.
Svenonius untermauert seine Thesen, indem er Technikgeschichte in Kapiteln wie „Der Bandname“, „Die Probe“, oder „Der Tourbus“ nebenbei miterzählt. Unter Zuhilfenahme des Militärtheoretikers von Clausewitz und der Weltlage der napoleonischen Kriege kommt er zu einem durchaus stimmigen Befund. „Wenn ihre Band über eine inbrünstig verfolgte Ideologie verfügt und sich ihrer ästhetischen Implikationen bewusst ist, wird sie nahezu unschlagbar sein.“ Den Alltag einer Band beschreibt Svenonius als „unerbittliches Rollenspiel“, den Song als „eine Art Witz, den man mit Drama, Esprit und strategischer Wiederholung … zum Besten gibt“.
Ian F. Svenonius: „22 Strategien für die erfolgreiche Gründung einer Rockband“. Walde & Graf bei Metrolit, Berlin 2014, 319 S., 18 Euro.
Inspiration habe Svenonius beim Ansehen von Kochshows bekommen: Wie diese will er die Mythen entzaubern, etwa den weitverbreiteten Glauben, die Gründung einer Rockband sei wie ein Lotteriegewinn. „Damit ist jetzt Schluss!“, schreibt er kursiv.
Weil er seinen Konkurrenten nicht vorurteilsfrei begegnen kann, nähert sich Svenonius ihnen in Séancen. Per Channeling reanimiert er einige Rockstar-Geister wieder zum Leben. „Die ’gute Gelegenheit‘ sollte einzig und allein den Fluchtinstinkt wecken“, lässt Svenonius den Rolling-Stones-Gitarristen Brian Jones aus dem Jenseits erzählen, der mit der Karriere seiner Band nicht einverstanden ist. Die Konkurrenz schläft nicht: „Paul ist tot“, dieses Gerücht kursierte kurz vor Auflösung der Beatles. Svenonius zieht Auflösung dem Rockstar-Tod vor.
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