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Buch mit Facebook- und TwittersprüchenIm Netz abgeschrieben

Der Riva-Verlag stoppt die Auslieferung eines Buches mit „lustigen“ Sprüchen. Der Grund: Der Autor soll nicht Urheber der Texte sein.

Hat's ihm ein Vogel gezwitschert? – Ein Witze-Autor soll bei Twitterern abgeschrieben haben. Bild: dpa

Es sollte eigentlich nur ein weiteres Witzbuch werden, voll mit lustigen Sprüchen und amüsanten Aphorismen. „Nachts um 3 Uhr klingelte der Nachbar. Mir ist vor Schreck fast die Bohrmaschine aus der Hand gefallen“ sollte es heißen, als Autor stand Rolf Hohenhaus auf dem Umschlag. Aber: Schon der Titel stammt nicht aus der Feder von Rolf Hohenhaus. Sondern von oOtrinityOo.

Hat da wer schamlos abgekupfert? Ein Blick in den Vorabdruck des Buches bestätigt das: Viele Sprüche klingen wie von der most favorites Tweets-favstar-Sektion abgeschrieben. Auch auf der Facebook-Seite die dem Buch zugrunde liegt, finden sich viele Sätze, Witze und Sprüche, die man als aufmerksamer Twitter-Konsument bereits kennt. 388.000 Fans hat die Seite inzwischen.

Die Reaktion des Riva-Verlags kam prompt: Zunächst bat man die Community, mögliche Urheberrechtsverletzungen anzuzeigen. Als in den Kommentaren einige Inhalte anderen Urhebern zugeordnet werden konnten, erklärte man so lange nicht auszuliefern, bis der Autor nicht alle Zweifel beseitigt habe.

„Wir sind davon ausgegangen, dass bei dem Buch alles in Ordnung ist“, sagt Julia Loschelder, stellvertretende Pressesprecherin des Verlags. „Als sich dann die ersten persönlich gemeldet haben und sagten, dass stamme von ihnen, war klar, dass wir reagieren müssen.“

Allerdings sei es – jenseits dieses konkreten Falles – schwierig, die Urheberrechtsfrage bei Tweets letztgültig zu klären: Man müsste jeden der Sätze nachrecherchieren, um den tatsächlichen Schöpfer ausfindig zu machen. „Es ist sehr schwierig zu wissen, wer einen Satz als erstes veröffentlicht hat.“

Einer, der wissen müsste, woher die Inhalte stammen, ist Rolf Hohenhaus. Der aber wollte sich gegenüber taz.de nicht dazu äußern. Er müsse sich zunächst einmal mit seinem Anwalt absprechen.

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11 Kommentare

 / 
  • I
    ion

    "Hallöchen",

    ich möchte in diesem Artikel-Kontext erneut die Frage aufwerfen, ob Herr Deniz Yücel (taz-Autor) mit seiner aktiven Teilnahme an der "Hate Poetry" (am 01.04.’12 in Berlin) nicht auch Urheberrechtsverletzungen beging, indem er taz-Leserkommentare in einer öffentlichen Veranstaltung Vortrug‽

     

    Cf.a.:

    [https://www.taz.de/Als-Leserbrief-getarnter-Hass/!90809/]:

    «Lachen im Fickdeppenarschland»

    Drei Journalisten, eine irritierende Performance und kübelweise Beschimpfungen ihrer Leser: eine kathartische Lesung von Hate Poetry in Berlin.

    Von Philipp Gessler

  • N
    NetzBlogR

    @Peter: Wie würden Sie denn reagieren, wenn ein Kollege Ihre Idee nimmt, damit zum Chef geht und dafür eine Gehaltserhöhung bekommt? Ihnen wäre das sicherlich egal.

     

    Das Landgericht München I hat erst letztens geurteilt, dass die Länge eines Textes nicht maßgeblich für deren urheberrechtlichen Schutz ist - dabei ging es um ein 12-Wort-Satz, der - wie bei Twitter - keine 140 Zeichen besaß.

     

    Es ist lediglich notwendig, dass dieser kein Allerweltssatz wie z.B. "Ich backe jetzt Kuchen" ist, um urheberrechtlichen Schutz zu genießen.

     

    Im beschriebenen Fall war hauptsächlich das Problem, dass jemand Sprüche kopiert hat und die Quelle nicht angab. Die Angabe einer Quelle ist aber Pflicht nach § 63 UrhG. Aber auch das faire Miteinander gebietet es, dass man dazu sagt, wenn man selbst etwas nicht erfunden hat.

     

    Und eigentlich bräuchte man gar keine Urheberrechte, wenn jeder so fair wäre und es zugäbe. Aber man wirkt eben nicht so toll, wenn man als Buchautor sagen würde, dass 95% der Worte im Buch nur irgendwoher zusammenkopiert sind.

  • D
    deviant

    @Yuppiedeadhead: Die Anbieter von Diensten wie twitter, facebook oder smsvongesternnacht müssen sich rein rechtlich schon von den Einsendern die Erlaubnis einholen, diesen Inhalt zu veröffentlichen, obwohl es eigentlich selbstverständlich, weil ja der Sinn der Seite, ist.

     

    Die Bandbreite dieser Erlaubnis kann reichen von "Der Urheber erlaubt die unentgeldliche Verbreitung der Inhalte auf der Webseite", ist normalerweise "Der Urheber erlaubt eine unentgeldliche Verbreitung der Inhalte in allen bereits bekannten Medien sowie noch zu erfindenden Medien" (twitter¹, smsvongesternnacht²) und bis zu "Sämtliche Rechte an den Inhalten gehen an den Betreiber über" (ICQ³ hat das so gemacht, bis mindestens 2007)

     

     

    Der Autor braucht also keineswegs das Einverständnis aller Urheber, er braucht nur eines von twitter und fb. Recherche kann man sich dann auch sparen.

     

     

    __

     

    ¹ »Sie behalten die Rechte an allen Inhalten, die Sie über die Dienste übermitteln, veröffentlichen oder anzeigen. Durch Übermittlung, Veröffentlichung oder Anzeigen von Inhalten über die Dienste gewähren Sie uns eine weltweite, nicht exklusive, unentgeltliche Lizenz (mit dem Recht zur Unterlizenzierung), diese Inhalte in sämtlichen Medien und über sämtliche Verbreitungswege, die gegenwärtig bekannt sind oder in Zukunft bekannt sein werden, zu verwenden, zu vervielfältigen, zu reproduzieren, zu verarbeiten, anzupassen, abzuändern, zu veröffentlichen, zu übertragen, anzuzeigen und zu verbreiten.«

     

    ² »Du erklärst dich damit einverstanden, dass die von dir übermittelten Inhalte gespeichert und im Internet und anderen Medien veröffentlicht und verfügbar gemacht werden. Du bist auch damit einverstanden, dass diese Inhalte von anderen Nutzern und durch Suchmaschinen auf externen Internetseiten weiterverbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden können. Du verzichtest gegenüber den Betreibern von SMS VON GESTERN NACHT auf jedwede Ansprüche auf Vergütung.«

     

    ³ »You agree that by posting any material or information anywhere on the ICQ Services and Information you surrender your copyright and any other proprietary right in the posted material or information.«

  • W
    wim

    @Rennate

     

    Großvater? Gab es da schon Heimwerker-Bohrmaschinen?

  • B
    Bachsau

    Schöpfungshöhe auch für literarische Werke prüfen. So ein unfug wieder.

  • P
    Peter

    So kurze Sätze sollten nicht Urheberrechtsfähig sein. Ansonsten darf man bald gar nichts mehr schreiben, weil alles bereits geschrieben wurde.

    Ich melde übrigens an Urheber des Wortes "Hallöchen" zu sein, das hat sich mein Uropa ausgedacht und ich hab die Urheberrechte geerbt. Und er ist erst sein 65 Jahren tot. Also wehe dem der "Hallöchen" schreibt!!! Die Abmahnung kostet alleine schon 100€ pro unerlaubter Handlung, natürlich verschuldensunabhängig, § 97 UrhG.

    Interessensgruppen dürfen der Mehrheit nicht ihr (Un)recht aufzwingen.

     

    Die Abschaffung aller Urheberrechte tut Not!

  • M
    Michael

    @Rennate: Wer den Kern der Twittererfraktion, die sich jeden Tag hinsetzt und gute Tweets schreibt (zumeist sind das Texter, Blogger und Autoren mittleren Alters, keine "Witzteenies") derart runterschreibt, der hat sich imho mit dem Medium noch nie wirklich auseinandergesetzt. Solche Vorurteile waren vielleicht im letzten Jahrzehnt noch auf der Höhe der Zeit. Aber gut, ich lasse ihnen mal ihre Vorurteile.

     

    Der Tweet, der in dem Titel des Buches verwurstet werden sollte, IST von @oOtrinityOo. Dass der inzwischen von sehr vielen Witz- und Spruchseiten geklaut wurde, kann darüber leider nicht hinwegtäuschen, auch wenn sie dadurch vielleicht das "Gefühl" haben, ihn schon oft anderswo gelesen zu haben.

  • F
    Favstarmafioso

    Der Twitterer @oOtrinityOo IST der Urheber des Titels, egal, wie ihr euch dreht oder wendet und es als "Witzlein" bezeichnet.

     

    Dazu: http://www.tagesspiegel.de/kultur/twitter-sternzeichen-plaudertasche/1855646.html - Bitte mal diesen Artikel lesen. Die meisten der Twitterer, die das ernsthafter betreiben, sind nicht einfach irgendwelche Witzbolde, die dumme Sprüche ins Netz schreiben, sondern in der Mehrheit Texter und Autoren, die selbstständig dort Text in 140 Zeichen erfinden. Mit zum Teil sehr großer Kreativität. Dass irgendwer sich daran bedient und damit sogar Geld verdienen will, ist schlicht dummdreist.

  • Y
    Yuppiedeadhead

    Und was ist dann mit dem "SMS von letzter Nacht"-Buch? Haben die Einsender der SMS mit dem Einsenden auf einer Seite direkt dem Druck als Buch zugestimmt?

  • C
    Ceres

    Urheberrecht at its best!

  • R
    Rennate

    Als ob sich allen Ernstes der Urheber dieses ur-ur-ur-uralten Bohrmaschinenwitzleins ausmachen ließe. Den hat Fips Asmussen wahrscheinlich schon von seinem Opa geklaut. - Aber nee, klar: die Urheber sind alle twitternde Teenies ...

    Wie naiv die heutige Jugend doch ist, nicht wahr Herr Valin?