Brückenkopf Bremen: Aufbau West
■ PDS eröffnet Regionalbüro. Erkenntnis: Rotkäppchen-Sekt ist nicht nur süß
Mit Schnittchen und Rotkäppchensekt eröffnete der Bremer Landesverband der PDS am Wochenende sein neues Regionalbüro. Roland Claus, als Nachfolger von Gregor Gysi Vorsitzender der Bundestagsfraktion der PDS, war eingeladen und riskierte mit rund 30 Gästen einen Blick auf die Bremer Verhältnisse.
Einst war der Landesverband Hoffnungsträger für die bislang nur im Osten erfolgreiche Partei. Bei der letzten Bürgerschaftswahl hoffte man, die Fünf-Prozent-Hürde zu nehmen. Mit enttäuschenden 2,5 Prozent zog man sich damals zurück und leckte die Wunden. Nun ist der Blick erneut nach vorn gerichtet. Bei den Wahlen zur Bürgerschaft im Jahr 2003 sollen die Bremer zeigen, dass die PDS auch im Westen auf breiterer Basis steht.
Als Wahlkampfthema Nummer 1 sieht Roland Claus die „Solidarbeziehungen“. Auf Bundesebene, aber auch als Annäherung an die „soziale Stadt“. So will der 45-Jährige für eine Änderung des Länderfinanzausgleichs und, mindestens theoretisch Seite an Seite mit Bürgermeister Scherf, für einen Solidarpakt zu Gunsten strukturschwacher Länder werben. „Wir dürfen die solidarischen Beziehungen nicht nur von Westen nach Osten entwickeln, sondern müssen alle strukturschwachen Regionen stärken.“ Marina Stahmann, Bremerin im Bundesvorstand der PDS, assistiert: „Bremerhaven hat eine Arbeitslosenquote, die der im Osten nicht nachsteht“. Ohne persönlich Solidarität hätte übrigens auch das Regionalbüro nicht eingerichtet werden können. 400 Mark geben, nach Auskunft von Roland Claus, die Abgeordneten im Bundestag monatlich ab, um die Büros im Westen zu unterstützen.
Aber ist der Länderfinanzausgleich nicht ein bisschen abstrakt als Wahlkampfthema? „Keineswegs“, findet Werner Rupp, für die PDS im Beirat Östliche Vorstadt, „in Bremen ist das eine sinnlich erfahrbare Sache“. Schließung von Freibädern und runtergekommenen Schulen stünden am Ende einer nichtsolidarischen Auslegung des Sanierungsprogramms.
Ansonsten ist die PDS damit beschäftigt, gegen das Bild eines arroganten Haufens anzuarbeiten, der dem Rest der Welt mit „linkem Hochmut“ (Roland Claus) begegne. Der Fraktionsvorsitzende, der auf Bundesebene sowohl mit SPD als auch mit der CDU das Gespräch sucht, lobt die Bremer Beiratsarbeit. Weil es hier in der Regel um Sachfragen und nicht um Parteiräson gehe, könne man noch am besten mit den anderen Parteien und der Bevölkerung ins Gespräch kommen, findet auch Werner Rupp. Und Marina Stahmann, die hauptamtlich beim Bremer Jugendring arbeitet, weiß, dass sie sich in Fragen der Kürzungen im Jugendbereich auch mit ein paar CDU-Mitgliedern hervorragend versteht.
Im neuen Regionalbüro des 180 Mitglieder starken Bremer Landesverbands soll es aber ruhig auch um ideologische Themen gehen. Die PDSler wollen dorthin Politiker einladen, um von der Rentenreform bis zum Bremer Sanierungsprogramm ihre Positionen herauszustellen. Dabei geht es ums Profil der PDS, aber auch immer wieder darum, Vorurteile gegen die vermeintlich sektiererische Linke abzubauen. „Wie viele haben wohl vor dieser Eröffnung geglaubt, Rotkäppchen Sekt gäbe es nur in der pappsüßen Variante“, fragt Marina Stahmann und schenkt sich noch ein Gläschen Extra Trocken nach. hey
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