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Brücken-Chaos im Berliner SüdostenAlles geht kaputt, alles geht in Schutt

Rund um die einsturzgefährdete Brücke an der Wuhlheide geht nichts mehr. Im Eiltempo soll der Abriss erfolgen, damit bald wieder die Tram fahren kann.

Nichts geht mehr: Die Brücke an der Wuhlheide ist bis auf Weiteres komplett gesperrt Foto: Manuel Genolet/dpa

Berlin taz | Das große Bröckeln geht weiter. Seit Montagmittag geht nichts mehr auf, unter oder neben der Brücke an der Wuhlheide im Berliner Südosten. War die Überführung selbst schon seit drei Wochen für den Verkehr gesperrt, sind es jetzt auch der Straßenzug Rummelsburger Straße/An der Wuhlheide auf ganzer Länge des Bauwerks sowie die Durchfahrt von der Edisonstraße zur Treskowallee.

Mit einschneidenden Folgen: Nicht nur Autos müssen den Bereich weitläufig umfahren, auch für Fußgänger und RadfahrerInnen sowie die Straßenbahnen der BVG ist die direkte Verbindung zwischen Karlshorst und Oberschöneweide abgeschnitten.

Entsprechend düster waren die Mienen bei einer kurzfristig am Montagnachmittag anberaumten Pressekonferenz in der Verwaltung von Senatorin Ute Bonde (CDU). Deren Abteilungsleiter für Tiefbau, Brücken und Verkehrslenkung versuchten zu erklären, warum die erst 1989 fertiggestellte Brücke nicht nur marode, sondern nach ihren jüngsten Erkenntnissen sogar akut einsturzgefährdet ist – der Grund dafür, dass die Straßensperrungen so umfangreich ausfallen.

Seit geraumer Zeit beobachte man Risse an der knapp 250 Meter langen Konstruktion, so Bondes Tiefbau-Chef Lutz Adam. Die Zunahme dieser Schäden habe sich zuletzt beschleunigt und auch nach der Sperrung der Brücke Ende April nicht beruhigt. Im Gegensatz zur vor Kurzem abgerissenen Ringbahnbrücke der A100 ist die Wuhlheidebrücke kein Hohlkörper, sondern durch und durch massiver Beton, dessen Eigengewicht sie nun offenbar immer instabiler werden lässt.

Heute verbotene Bauweise

Die technischen Einzelheiten sind komplex, laut Adam und seinem für Brückenbauten zuständigen Kollegen Arne Huhn überlagern sich gleich drei Problematiken: Da ist der korrosionsgefährdete und seit dem Einsturz der Dresdener Carolabrücke berüchtigte Hennigsdorfer Spannstahl, da sind aber auch sogenannte Koppelfugen zwischen den Brückensegmenten, die zur Rissbildung neigen.

„Es hat sich längst gezeigt, dass das eine verkehrte Bauweise ist, die ist heute auch verboten“, so Adam. Als wäre das noch nicht genug, führt die durch die Risse eindringende Feuchtigkeit zur „Alkali-Kieselsäure-Reaktion“, dem sogenannten Betonkrebs.

Während am Montag rund um den Ort des Geschehens sitzengelassene Tram-Fahrgäste nach Informationen suchten und Autos im Stau standen, wurde ein Krisenstab aus Bondes Verwaltung, Polizei, Feuerwehr und BVG sowie den betroffenen Bezirken Treptow-Köpenick und Lichtenberg gebildet.

„Verkehrsregelnde Maßnahmen“ sollen das schlimmste Chaos verhindern, wobei es zumindest für den Schwerlastverkehr eigentlich nur eine – westliche – Umfahrung gibt. Die Alternative durch die Wuhlheide über die Rudolf-Rühl-Allee kommt wegen der Brücke über die Bahntrasse am S-Bahnhof Wuhlheide nicht infrage, sie ist dafür nicht ausgelegt.

Gewaltiges Problem für die BVG

Für die BVG ist die Sperrung des Knotenpunkts ein gewaltiges Problem, gleich mehrere Straßenbahnlinien sind betroffen. Laut Vorstand Henrik Falk wird es nun bis auf Weiteres einen „Inselverkehr“ der Tram in Köpenick geben, sprich: Die Bahnen, die dort unterwegs sind, fahren weiter in diesem Teilnetz, können aber vorerst die Werkstatt im Betriebshof an der Lichtenberger Siegfriedstraße nicht erreichen.

Allzu lange wird das nicht gut gehen, räumt Falk ein: „Wir können erst einmal übliche Taktung in Köpenick anbieten, aber wenn der Weg nicht bald wieder frei ist, kommen wir Schritt für Schritt in Probleme.“

Ein Ersatzverkehr soll zwar eingerichtet werden, aber auch die Busse würden voraussichtlich im Stau stehen. Falks Appell an die NutzerInnen: „Nutzen Sie zwischen Schöneweide und Karlshorst die S-Bahn, wenn es geht. Das Zauberwort lautet Ostkreuz.“

Neu gebaut wird nicht

Das Aus für die Brücke ist unterdessen definitiv: Zuletzt wurde sie von rund 3.400 Pkws täglich genutzt, um die Kreuzung an der Wuhlheide ohne Warten an der Ampel zu überqueren, das entsprach lediglich einem Drittel des Gesamtverkehrs in dieser Richtung.

„Meine Meinung ist, dass wir diese Brücke nicht zwingend wieder aufbauen“, formulierte es Senatorin Bonde etwas gestelzt. Die Herausforderung ist nun, so schnell wie möglich eine Firma zu finden, die den Abriss in Rekordzeit bewerkstelligt.

Wie lange es am Ende dauert, bis vor allem der neuralgische Mittelteil aus dem Weg geräumt ist, darauf wollte sich am Montag niemand festlegen. „Ob das 4, 6 oder 12 Wochen dauert, muss man sehen“, drückte Arne Huhn es aus. Man werde aber „die Bauzeit dem Wettbewerb unterstellen“. Sprich: Wer zusagt, schneller zu arbeiten, hat einen Vorteil bei der Ausschreibung.

Die Ausschreibung für eine erste Notmaßnahme hat es schon gegeben: Dabei geht es um eine Abstützung mit den aus der Baustellenlogistik bekannten „Riesen-Legosteinen“. Sie sollen verhindern, dass die Brücke zur Seite kippt, was massive Schäden verursachen würde.

Die naheliegende Frage, welche Brücke als nächstes einstürzen könnte, wollte aus ebenso naheliegenden Gründen am Montag niemand beantworten. Nur so viel: Laut Lutz Adam gibt es in Berlin mehr als 70 Brücken mit korrosionsgefährdetem Spannstahl, „aber die meisten haben nicht diese Koppelfugen-Problematik“. Brücken, bei denen die alle drei Probleme gleichzeitig aufträten, gebe es „wenige“ – was auch immer das heißt.

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