Bruder von Laye Condé im Interview: „Wir haben keine Entschuldigung erhalten“
Am 7. Januar 2005 starb Laye Condé an den Folgen der Zwangs-Vergabe von Brechmittel durch die Polizei in Bremen. Condés Bruder fordert im taz-Interview Aufklärung und Hilfen für die Familie.
BREMEN taz | taz: Herr Condé, heute jährt sich der Todestag Laye Condés zum neunten Mal. In Deutschland weiß man wenig über die Menschen, die um ihn trauern. Wo lebt Ihre Familie heute?
Bangaly Condé: Laye kommt aus einer Familie der Malinké aus Oberguinea, genauer gesagt aus Makono in der Präfektur von Kankan. Er war der Erstgeborene der Familie, Halbwaise vom Vater her, hat zwei Brüder und eine Schwester. Er gehörte einer sehr religiösen Familie an. Diese Familie lebt im Moment in Guinea, genauer gesagt in Nzérékoré in Waldguinea.
In welchem Verwandtschafts-Verhältnis stehen Sie zu Laye?
Ich bin sein Bruder.
Bislang wurde immer nur über einen Bruder Layes berichtet, der sich vor etwa vier Jahren das Leben genommen haben soll.
Mein Bruder Namandjan Condé starb in Belgien. Nach Laye Alama, dem Erstgeborenen in der Familie, kam er als Zweitältester.
Wie erging es Ihrer Familie nach Layes Tod?
Es war Laye, der für die Familie zuständig war. Er hat monatlich an seine Mutter Geld geschickt: Das hat ihr sehr geholfen, die Familie zu ernähren. Heutzutage ist seine Familie in einer finanziell schlechten Lage. Layes Abwesenheit stellt einen großen Verlust im wirtschaftlichen Leben der Familie dar.
26, lebt in Conakry, der Hauptstadt Guineas und ist Bergbau-Ingenieur. Wegen der politischen Krise ist er zurzeit arbeitslos.
Dass ein weiterer Bruder Laye Condés existiert, war in Bremen bislang nicht bekannt. Die Bremer Anwältin Elke Maleika, die Laye Condés Mutter, Fatma Tarawilli, als Nebenklägerin vor deutschen Gerichten vertrat, ging bisher davon aus, dass der einzige Bruder, Namandjan Condé, verstorben sei. Manchmal fasst die Bezeichnung "Bruder" in Guinea ebenso die Cousins. Auch Maleika hält den Kontakt zur Familie über Bangaly Condé. Er spricht für die Familie.
Die Familie stammt aus Sierra Leone und lebt seit dem Bürgerkrieg im Nachbarland Guinea. Bangaly Condé spricht französisch und steht in Kontakt zur Mutter Fatma Tarawilli. Sie lebt im südlichen Teil des Landes, in Nzérékoré, in Waldguinea. Das Gebiet liegt in tropischem Regenwald und ist schlecht angebunden.
Das Interview mit Bangaly Condé wurde per Email geführt und durch Stromausfälle verzögert.
Wie geht es Ihrer Mutter, Fatma Tarawilli?
Es geht ihr nicht gut. Die Moral meiner Mutter ist bis heute schwer erschüttert davon, dass ein Deutscher ihren Sohn zum Verschwinden gebracht hat. Zudem hat sie gesundheitliche Probleme mit ihren Augen.
Warum kam Laye Condé 2001 nach Deutschland?
Er ist nach Deutschland gekommen, weil sich seine Familie nach dem Krieg in Sierra Leone in einer sehr schwierigen Situation befand. Laye konnte diese Situation nicht ertragen.
Was wissen Sie über die Umstände, wie Laye in Bremen von der Polizei aufgegriffen wurde?
Es ist völlig undenkbar für uns zu glauben, dass Laye ein Drogendealer war, wenn wir es hören.
Wie haben Sie vom Ende des Prozesses gegen den Polizeiarzt erfahren?
Ich hörte, dass der Prozess am 1. November beendet wurde, weil der Arzt wegen Krankheit nicht nicht der Lage war, dem Prozess weiter zu folgen. Folglich hat die Richterin leider entschieden, den Prozess zu beenden. Obwohl es kein richtiges Urteil gab, hat das Gericht evaluiert, dass der Arzt die Verantwortung für den Tod von Laye trägt und entschieden, dass der Arzt Layes Mutter Geld zahlen soll, wie eine Art Geldstrafe.
Was hält sie davon?
Um ehrlich zu sein, ist sie nicht zufrieden mit dem Ende des Prozesses. Dass es kein Urteil gibt, ist, denke ich, unnormal.
Hat sich jemals ein offizieller Vertreter Bremens mit Ihrer Mutter oder jemandem in der Familie in Verbindung gesetzt und sich entschuldigt?
Bis heute ist niemand mit der Familie in Kontakt getreten. Wir haben keine Entschuldigung seitens der Regierung oder der Polizei erhalten.
Würden Sie sich eine Entschuldigung wünschen?
Wir würden uns schon eine Entschuldigung wünschen, aber die würde Laye niemals ersetzen. Wir würden es bevorzugen, wenn das Gesetz gegen den Polizeiarzt durchgesetzt würde. Mit der Anwendung des Gesetzes würden wir eine Entschuldigung akzeptieren.
Was wäre für Sie noch wichtig?
Der aus Sierra Leone stammende Laye Condé wurde im Dezember 2004 von der Polizei aufgegriffen und verdächtigt, mit Drogen zu dealen. Um verschluckte Drogenkügelchen sicherzustellen, wurde er in Polizeigewahrsam gefesselt und ihm per Nasensonde zwangsweise Brechmittel und literweise Wasser eingeflößt.
Eine damals in Bremen übliche Praxis, die mittlerweile als Folter gilt. Laye Condé fiel ins Koma und starb am 7. Januar 2005 an den Folgen.
Ein Verfahren gegen den verantwortlichen Polizeiarzt ist seit November eingestellt. Bremens Polizeipräsident Lutz Müller hat danach in einem Brief an die Mutter sein Bedauern ausgedrückt. Der Brief ist bislang nicht angekommen.
Am 3. Januar stellte die Polizei Bremen eine Broschüre zur Aufarbeitung von Condés Tod vor. Dabei sprach Polizeipräsident Müller eine Entschuldigung aus.
Dass Gerechtigkeit nach den gesetzlichen Regelungen in Deutschland hergestellt wird, und dann, dass unsere Familie in ihrer schwierigen Situation finanziell unterstützt wird. Guinea verfügt über natürliche Ressourcen von Weltklasse. Es war ein Wunsch Layes, einen seiner Brüder zum Studium nach Europa zu senden. Das sollte ermöglicht werden.
In Bremen wird über ein Denkmal wegen des Todes von Laye Condé diskutiert. Was halten Sie davon?
Ein Denkmal halten wir für eine gute Idee, um öffentlichkeitswirksam an Layes Tod zu erinnern, damit Laye immer in Erinnerung bleibt. Es sollte an seinen Todestag in Bremen erinnern. Ich habe keine Erfahrung mit solchen Situationen. Wäre es in meinem Beisein, würde ich etwas sagen.
Was wollen Sie den Bremern sagen?
Der Polizei und den Bewohnern von Bremen würde ich sagen, dass sie umsichtig bei allem sein sollen, was sie im Leben tun. Wir müssen lernen, zusammen zu leben, oder wir werden als Narren sterben. Wir sind alle Kinder Gottes, ohne Unterschied.
Gedenkkundgebung: 17.30 Uhr, Landgericht Bremen, Domsheide
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