Britisches Überseegebiet nach dem Brexit: Gibraltar wird Schengen
Der Brexit ist vollzogen. Nun gibt es auch eine Einigung über die Grenze zwischen Spanien und Gibraltar. Das Gebiet soll Teil des Schengen-Raums werden.
Beim Brexit-Referendum 2016 hatten 96 Prozent der 33.000 Einwohner Gibraltars für den Verbleib in der EU gestimmt. Gibraltars Regierungschef Fabian Picardo äußerte sich sehr erfreut über die Grundsatzeinigung. „Wir haben die schlimmsten Folgen des Brexits vermieden“, sagte er.
Auch der britische Premierminister Boris Johnson begrüßte die gefundene Lösung. Großbritannien werde die Interessen Gibraltars und die britische Souveränität immer verteidigen, schrieb er auf Twitter.
Der britische Außenminister Dominic Raab zeigte sich erfreut, dass eine „politische Rahmenvereinbarung“ erzielt werden konnte. Damit sei die Grundlage für einen separaten Vertrag zwischen Großbritannien und der EU über Gibraltar gelegt. „Wir werden dies nun der EU-Kommission schicken, um Verhandlungen über ein formelles Abkommen aufzunehmen“, betonte Raab.
Frontex soll Flughafen kontrollieren
Spanien und Großbritannien hatten bis zuletzt unter immer größerem Zeitdruck über eine Brexit-Regelung verhandelt. Das britische Überseegebiet ist nicht Teil des Abkommens von Heiligabend zwischen der EU und Großbritannien. Die Gespräche liefen bilateral zwischen Madrid auf der einen sowie Großbritannien und Gibraltar auf der anderen Seite. Gonzalez Laya versicherte, Spanien werde während der Aushandlung eines formellen Gibraltar-Abkommens zwischen London und Brüssel nichts an der Grenze zum Affenfelsen ändern.
Allerdings sind noch komplizierte Fragen zu klären. Die EU-Außengrenze würde sich mit einer Aufnahme Gibraltars in den Schengen-Raum an den internationalen Flughafen und den Hafen des Überseegebiets verlagern. Dort soll die EU-Grenzschutzagentur Frontex zum Einsatz kommen – zunächst ohne spanische Beamte.
Die Aufsicht über die Frontex-Kontrollen werde nach den Worten von Gonzalez Laya aber Spanien ausüben müssen. Das ist in Gibraltar ein sensibler Punkt, denn Spanien macht Großbritannien die Souveränität über den Affenfelsen seit 300 Jahren streitig.
Noch wesentlich schwieriger wäre es, wenn Madrid nach einer Übergangsfrist darauf bestehen würde, dass spanische Beamte in Gibraltar kontrollieren, zum Beispiel einreisende Briten. Madrid betont jedoch, Spanien sei bei den anderen Schengen-Staaten in der Pflicht, die Außengrenze zu kontrollieren. Großbritannien könne das nicht, weil es nicht zum Schengenraum gehört und Gibraltar nicht, weil es kein Staat sei.
Picardo bestätigte die Angaben zum Einsatz von Frontex, bekräftige aber zugleich, die Souveränität Gibraltars werde nicht beeinträchtigt. Er dankte ausdrücklich dem linken spanischen Regierungschef Pedro Sánchez und Außenministerin Gonzalez Laya für ihre Verhandlungsführung. Sie hätten die strittige Frage der Souveränität beiseite gestellt im Interesse der Menschen im Süden Spaniens und Gibraltars. „Wir stehen am Beginn einer Zone gemeinsamen Wohlstands“, sagte der Labour-Politiker.
15.000 Pendler*innen täglich
Im Raum stand die Warnung von Gonzalez Laya, dass ohne eine Einigung die Grenze Spaniens zu Gibraltar mit Beginn des neuen Jahres zur EU-Außengrenze geworden wäre. In kleinerem Maßstab hätten dann ähnliche Szenen wie beim Lastwagenstau vor Dover in Großbritannien gedroht, warnte die Ministerin.
Jeden Tag überqueren 15.000 Menschen aus Spanien die Grenze morgens Richtung Gibraltar, um dort zur Arbeit zu gehen, und kehren abends wieder zurück. Bisher müssen sie nur ihren Personalausweis vorzeigen und werden durchgewunken.
Allerdings kommen in Zeiten ohne Corona rund sieben Millionen Touristen pro Jahr hinzu. Wenn die alle Reisepässe vorlegen müssten, wäre der einzige Übergang hoffnungslos überlastet und auch die Arbeitnehmer würden kaum noch durchkommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!