Britischer „Guardian“: Einer, der viel richtig macht
Die Redaktion der Zeitung wählt am Mittwoch einen neuen Chefredakteur. Unter den vier KandidatInnen ist auch ein Deutscher: Wolfgang Blau.
![](https://taz.de/picture/64165/14/wolfgangblau_fabianmazerathimago.jpg)
Beim Guardian haben sie in den vergangen Jahren viel richtig gemacht. Die Zeitung ist zwar defizitär, stellt sich aber für die Zukunft intelligent auf. Die Redaktion lebt das Digitale und installiert neue Redaktionen – nicht zu Hause in London, sondern überall dort, wo Englisch gesprochen wird: Die Zeitung betreibt Dependancen in den USA und Australien und das nicht nur als Korrespondenz, sondern um von dort für dort zu berichten.
Eine kluge Entscheidung war es auch, dem deutschen Medienmarkt Wolfgang Blau zu nehmen. Der heute 47-Jährige ist seit bald zwei Jahren Director of Digital Strategy. Jetzt hat er sich für den Chefposten beworben. Wolfgang Blau als Nachfolger des so profilierten Alan Rusbridger, ein Medienmacher aus Deutschland an der Spitze einer internationalen Redaktion? Das wäre eine Sensation und für den Guardian nicht die schlechteste Option.
Neben Blau stehen drei Frauen zur Wahl, unter anderem von Guardian US und die Chefredakteurin vom Guardian Online. Seit 1995 dürften die Mitarbeiter über ihren Chefredakteur abstimmen – ungewöhnlich in der Medienwelt. Das letzte Wort hat allerdings der Scott Trust, die Eigentümerstiftung der Guardian Media Group.
Bevor Blau nach London zog, arbeitete er in Hamburg und Berlin für Zeit Online. Auch hier haben sie in den vergangenen Jahren viel richtig gemacht – allen voran Blau, der Intellekt lebt und liebt. Zum Beispiel die Debatte um die Folgen der Digitalisierung: Blau hat sehr früh dafür gesorgt, dass seine Leute das Verspielte hintanstellen und die Vernetzung kritisch begleiten. Das einst kleine Zeit Online hat sich auf dem Feld „Datenschutz“ profiliert – und glänzt mit einer einzigartigen Kommentarkultur. Blau hat in die Moderation der Leserkommentare investiert. Unter den Artikeln auf Zeit Online steht heute vieles, was die Diskussion bereichert.
Nachhaltige Ausweitung des Geschäfts
Die Rusbridger-Ära beim Guardian war geprägt von Enthüllungen und der Arbeit in journalistischen Netzwerken. Ob nun Material aus den US-Botschaften oder von Edward Snowden: Der Guardian kann leaken und genießt bei Informanten mehr Vertrauen als viele andere Medienhäuser. Jetzt geht es vor allem um die nachhaltige Ausweitung des Geschäfts, damit – irgendwann – auch die Kasse stimmt. Blau ist das zuzutrauen.
Spricht Blau über die Zukunft, dann gerne von einem „relevant set of five or ten“: Er will zu den fünf oder zehn Medienmarken gehören, die langfristig im Digitalen eine Rolle spielen. Auch wenn der Spiegel seit Jahren ein kleines englisches Angebot hat und auch das Handelsblatt gerade einen Versuch unternimmt: Kein deutsches Medium hat es geschafft, international ständig Beachtung zu finden. Dass Blau dem hiesigen Markt den Rücken gekehrt hat, spricht für seinen inneren Kompass.
Der würde auch dem Guardian helfen, seinen Kurs zu optimieren, der wie viele britische Medien zu sehr auf die USA blickt. Was in Europa passiert, kommt oft zu kurz. Erst im Herbst sagte Blau auf einem Branchentreffen in Berlin, sein täglicher Blick auf die deutschen Portale sei „ein angenehmer Kontrast“. Wer dann beklagt, dass Blau hierzulande fehlt und so weit weg in London ist, der hört von ihm: „’Nun in UK‘ klingt wie ’verschollen in Tibet‘.“ Mit seinem europäischen Blick könnte Wolfgang Blau für den Guardian ein Gewinn sein.
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