Britische Untersuchung zum Irakkrieg: Nichts für den Wahlkampf
Ein Untersuchungsbericht soll klären, ob die britische Beteiligung am Irakkrieg legal war. Nun wird er erst nach den Wahlen veröffentlicht.
DUBLIN taz | Das Warten geht weiter. Der britische Untersuchungsbericht über die Beteiligung Großbritanniens am Irakkrieg wird nicht vor den Unterhauswahlen im Mai veröffentlicht, teilte John Chilcot mit, der die Untersuchung leitet. Er soll klären, ob die Invasion des Irak im Jahr 2003 berechtigt und vor allem legal war.
Die damalige Labour-Regierung hatte sich lange geweigert, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Labour-Premier Gordon Brown tat das erst 2009. Ursprünglich hatte man mit der Veröffentlichung des Berichts Ende 2010 gerechnet. Premierminister David Cameron findet die Verzögerung „extrem frustrierend“. Die Labour Party will den Bericht endlich sehen, die anderen Parteien auch, die Bevölkerung will es, und die Friedensbewegung ebenfalls.
Selbst die Armeeführung kann die Veröffentlichung kaum abwarten. Sie ist verärgert, dass kein Politiker oder Beamter bisher zur Rechenschaft gezogen worden ist. Die Armee hatte sich damals beschwert, dass sie nicht genügend Zeit hatte, sich auf den Krieg vorzubereiten. Vor dem Chilcot-Ausschuss hatten hochrangige Offiziere ausgesagt, dass der damalige Premierminister Tony Blair ihnen befohlen habe, die Kriegsvorbereitungen bis zum letzten Moment hinauszuzögern, weil er den UN, dem Unterhaus und der britischen Öffentlichkeit verheimlichen wollte, dass er sich längst für den Krieg entschieden hatte, obwohl die Verhandlungen mit den UN noch liefen.
Woran liegt die Verzögerung? Die Untersuchung beschäftigt sich nicht nur mit einem Zeitraum von mehreren Jahren, sondern auch mit zahlreichen Ministerien und Behörden. Ein Knackpunkt ist die Veröffentlichung der Privatkorrespondenz zwischen Blair und dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush. Der Independent behauptet, die US-Regierung habe dagegen Einspruch eingelegt. Der britische Kabinettssekretär, Jeremy Heywood, argumentierte, dass die komplette Veröffentlichung der Korrespondenz offene Gespräche künftiger US-Regierungen mit britischen Premierministern verhindern könnte.
Blair als Kriegsverbrecher?
Heywood muss sich nächste Woche den Fragen eines Unterhausausschusses stellen. Er war Blairs Privatsekretär im Vorfeld und während des Irakkriegs. Will er seinen ehemaligen Chef schützen? Diese Vorstellung sei „grotesk“, findet Bernard Jenkin, der Vorsitzende des Unterhausausschusses. Aber er hätte gern eine Erklärung von Heywood für die erneute Verschiebung. „Und sie sollte etwas ausführlicher sein, als die Erklärung, die John Chilcot dem Premierminister gegeben hat“, so Jenkin. Chilcot hatte gesagt, dass die im Bericht kritisierten Personen das Recht hätten, vor der Veröffentlichung zum Inhalt Stellung zu nehmen.
Zum Kreis dieser Personen gehört natürlich auch Blair, der im ungünstigsten Fall mit einer Anklage wegen Kriegsverbrechen rechnen muss. Er hatte vorgestern „absolut und mit Nachdruck“ betont, dass er mit der Verzögerung nichts zu tun habe. „Ich habe ein genauso großes Interesse an der Veröffentlichung wie alle anderen“, sagte er.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
SPD-Linker Sebastian Roloff
„Die Debatte über die Kanzlerkandidatur kommt zur Unzeit“
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los