Britische Tageszeitung: Nettigkeiten gegen Cash?
Ein Journalist sagt, Google, Uber und Starbucks erkauften sich beim Londoner „Evening Standard“ positive Berichte. Die Zeitung dementiert.
Seit 191 Jahren erscheint das Mittagsblatt. Es ist weder eine Qualitätszeitung noch eine, die den überragend liberalen Geist Londons mit ihrem stets konservativ ausgerichteten Stil trifft. Dennoch erscheint sie täglich mit einer Auflage von 900.000 Exemplaren, was auch daran liegen dürfte, dass sie seit 2009 kostenlos ist. Finanziert wird der Standard durch Werbung und seine Besitzer, den russischen Oligarchen Alexander Lebedev und seinen Sohn Evgeny, die die Zeitung im Jahr 2009 übernahmen.
James Cusick, ehemaliger politischer Korrespondent einer anderen Lebedev-Aneignung, der britischen Tageszeitung The Independent, die nach stark gesunkenen Auflagenzahlen seit zwei Jahren nur noch online erscheint, spürt offenbar keine Loyalität zu den Zeitungseigentümern. In einem Bericht auf der Webseite „Open Democracy“ packte er vergangene Woche über die Machenschaften des London Evening Standards aus.
Laut Cusick soll der Standard gerade mit sechs großen Unternehmen, darunter angeblich Google, Uber und Starbucks, einen ganz besonderen Werbedeal abgeschlossen haben. „London 2020“ soll beinhalten, dass die Journalist*Innen der Zeitung Werbetexte über diese Unternehmen verfassen, die als normaler redaktioneller Inhalt erscheinen und nicht als Reklame erkennbar sein sollen. Der Evening Standard druckt schon seit Jahren Werbung, die einen zeitungsidentischen Stil hat. Teilweise verkauft das Blatt sogar seine komplette erste Seite als Anzeigenfläche. Bisher war Werbung aber immer gekennzeichnet.
Uber bestätigt, Google schweigt, Starbucks dementiert
Auf Anfrage der taz wollte Uber nicht kommentieren, ob sie Teil der Kampagne sind. Google ließ die taz-Anfrage unbeantwortet, Starbucks bestätigt zwar, an einem Treffen mit dem Standard teilgenommen zu haben, den finalen Deal jedoch nicht unterzeichnet zu haben.
Auch der Evening Standard dementierte Cusicks Anschuldigungen. „Die Integrität und Unabhängigkeit des Evening Standard ist unbestritten der Kern unserer Arbeit, auch der ‚London 2020‘-Kampagne“, erklärte ein Sprecher der taz. Es sei „nicht der Fall, dass ein kommerzieller Vertrag zu positiven Nachrichten führen würde“.
Man habe aber, wie alle britischen Tageszeitungen, „geschätzte kommerzielle Partner, mit denen wir, zugunsten unserer Leser*Innen“ zusammenarbeiten. Sämtliche kommerzielle Inhalte würden weiter gekennzeichnet. Ein britisches Medienmagazin berichtete, die „London 2020“-Kampagne sehe vor, dass der Standard zusammen mit „Schlüsselpartnern“ Projekte starte, wie etwa zu den Themen saubere Luft und Mietenkrise in London.
Bemerkenswert wäre es vor allem, wenn sich Uber an dem Deal – wie auch immer er konkret aussehen wird – beteiligen würde. Das Unternehmen, das per App Taxidienste anbietet, kämpft in London derzeit um sein Überleben. Die Verkehrsbehörde Londons entzog Uber im September letzten Jahres die Taxilizenz, wegen mangelnder Sicherheitsprüfungen der Uber-Fahrer*Innen und anderer Vergehen. Uber entschuldigte sich und legte Berufung ein. Bis zur Entscheidung darf das Unternehmen in London weiter Wagen zur Verfügung stellen. Sollte die Berufung keinen Erfolg haben, könnten etwa 40.000 Fahrer*Innen regelrecht auf der Straße stehen. Positive Berichterstattung in einer viel gelesenen Londoner Zeitung käme dem Unternehmen also nicht ungelegen.
Wut auch aus der Politik
Richard Sambrook, der ehemalige Leiter von BBC News und heutige Journalismusprofessor, glaubt dem Dementi des Standard nicht. Das, was die Zeitung plane, sei in den Zeitungsstil integrierte Werbung, schrieb er bei Twitter. Sollten Cusicks Behauptungen wahr sein, twitterte auch der Labour-Abgeordnete Tom Copley aus dem Londoner Stadtrat, dann sei das einer Zeitung unwürdig und das Ende des Evening Standard.
Was genau hinter „London 2020“ steckt, wird sich ab Dienstag zeigen. Dann soll die Kampagne starten.
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