Britische Staatsministerin Tulip Siddiq: Unter Korruptionsverdacht
Tulip Siddiq steht wegen Korruptionsvorwürfen unter Druck. Es geht um mehrere Milliarden Euro. Rücktrittsforderungen mehren sich.
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Tulip Siddiq ist als Staatsministerin im britischen Finanzministerium für Korruption und Finanzverbrechen zuständig. Jetzt wird der Labour-Politikerin ausgerechnet selbst Korruption vorgeworfen. Am Wochenende mehrten sich die Rücktrittsforderungen.
Im Mittelpunkt stehen Londoner Immobilien, in denen die Politikerin gewohnt haben soll. Sie sollen der Familie der langjährigen Premierministerin von Bangladesch Sheikh Hasina gehören. Eine Zweizimmerwohnung soll Siddiq zudem vermacht worden sein, wie eine Recherche der Financial Times ergeben hat. Sheikh Hasina ist Tulip Siddiqs Tante. Sie regierte Bangladesch ab 2009 fünfzehn Jahre lang, trat im Sommer 2024 nach langen schweren Protesten zurück und flüchtete aus dem Land. Im Vordergrund dabei standen schwere Korruptionsvorwürfe, es geht um mehrere Milliarden Euro. Die Annahme liegt nahe, dass mit diesen Geldern auch die Immobilien in London gekauft wurden.
Die relativ klein gewachsene Siddiq, nur etwa 1,50 Meter groß, ist politisch Enkelin von Großen, etwa des ersten Präsidenten von Bangladesch, Sheikh Mujibur Rahman. Sie ist die mittlere Tochter dreier Kinder, ihr Vater ist ein ehemaliger Wirtschaftsprofessor an der Universität der bangladeschischen Hauptstadt Dhaka. Der heiratete in London eine Tochter des Staatengründers, der 1975 bei einem Attentat getötet worden war – Sheikh Hasina ist deren ältere Schwester. Die beiden Töchter hatten nur überlebt, weil sie sich bei dem Attentat gerade in Deutschland befanden.
Tante Hasina spielte in der Jugend Siddiqs eine dominante Rolle. So war sie, damals als Premierministerin von Bangladesch, zur Antrittsrede ihrer Nichte 2015 im britischen Unterhaus anwesend. Sie sorgte auch dafür, dass ihre Nichte bei ihren eigenen Staatsbesuchen im Kreml, im Weißen Haus oder beim Besuch Nelson Mandelas in Bangladesch mit anwesend war. Siddiqs enge Verbindung mit ihrer mächtigen Tante stand im Unterhaus häufig zur Debatte, etwa als es zu Waffendeals zwischen Bangladesch und Russland kam.
Reicht das aus?
Während die meisten Bangladesch-stämmigen Migranten in Großbritannien in bescheidenen Verhältnissen leben, wurde die 1982 in Südlondon geborene Siddiq auf einer privaten Mädchenschule erzogen. Sie studierte in London und trat Labour im Alter von 16 Jahren bei. Nach vier Jahren in der Bezirksregierung des Londoner Stadtteils Camden wurde sie 2015 ins Unterhaus gewählt und beendete in ihrem betuchten Wahlkreis Hampstead and Highgate die Vorherrschaft der Liberaldemokrat:innen.
Sowohl politisch als auch geografisch steht sie dem damaligen Labour-Chef Ed Miliband und dem heutigen Labour-Premier Keir Starmer nahe, die beide in Camden aufwuchsen und leben und Mitglieder des dortigen Labour-Ortsverbandes sind. Auf ihrer Internetseite erwähnt Siddiq ihren Einsatz für die Freilassung der 2016 bis 2022 im Iran festgehaltenen ehemaligen BBC-Mitarbeiterin Nazanin Zaghari-Ratcliffe. Mit jüdischen Nachbarn setzt sich die Pilates-Enthusiastin auch stark gegen Antisemitismus in der eigenen Partei ein.
Siddiq ist in Großbritannien aber auch für Bangladeschs einstige Regierungspartei „Awami League“ ihrer Tante Sheikh Hasina aufgetreten, aus deren Kreisen ihr die Immobilien zugeflossen sein sollen. „Ich habe nichts Falsches getan, aber um jeglichen Zweifel aus der Welt zu schaffen, will ich die Fakten unabhängig prüfen lassen“, sagt sie. Ob das ausreicht?
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