Britische Reaktionen auf EU-Vorschlag: „Wir brauchen keine Bremse“
Eingefleischte Gegner lassen sich auch vom neuen Vorschlag des EU-Ratspräsidenten nicht überzeugen. Cameron aber ist guter Laune.
Die Arbeit betrifft Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei, die am lautesten gegen eine Diskriminierung ihrer Landsleute in Großbritannien protestieren. Cameron muss ihnen bis zum EU-Gipfel in gut zwei Wochen das Ergebnis der Verhandlungen mit EU-Ratspräsident Donald Tusk schmackhaft machen. Der hatte eine Art Notbremse vorgeschlagen: Kann ein Staat nachweisen, dass die Zahlungen an EU-Migranten eine zu große Bürde für das Sozialsystem seien, dürfen sie reduziert werden.
Diese Regelung soll aber nur für neue Migranten gelten, deren Bezüge über einen Zeitraum von vier Jahren schrittweise angehoben werden, bis sie den vollen Umfang erreicht haben. Der Independent bezeichnete Tusks Vorschlag deshalb als „Niederlage für Cameron“. Der hatte gefordert, dass Migranten aus der EU zunächst vier Jahre lang Steuern in Großbritannien zahlen müssen, bevor sie Anspruch auf Sozialleistungen haben.
Tusk schrieb in einem Brief an die 28 EU-Mitgliedsstaaten, dass sein Vorschlag Cameron „sehr weit“ entgegenkomme, aber er könne nicht eins der Grundprinzipien des europäischen Projekts außer Kraft setzen. Er fügte hinzu: „Ich bin davon überzeugt, dass der Vorschlag eine gute Basis für einen Kompromiss ist.“ Der muss vom Europarat entweder einstimmig oder mit qualifizierter Mehrheit abgesegnet werden.
Das komme einem Veto gleich, monieren Camerons Kritiker in der eigenen Partei. Der ehemalige Tory-Verteidigungsminister Liam Fox sagte: „Die sehr bescheidenen Forderungen unserer Regierung sind in allen Bereichen von der EU verwässert worden.
Keine dieser Veränderungen reichen auch nur im Entferntesten an die grundlegenden Veränderungen heran, die man der Bevölkerung versprochen hat.“ Richard Tice, Vorsitzender der Unternehmer-Organisation „Global Britain“ und vehementer EU-Kritiker, sagte am Dienstag: „Wir brauchen keine Bremse, auf der jemand anderes die Hand hat. Wir brauchen die Kontrolle über das Lenkrad.“
Sollte Tusks Vorschlag auf dem kommenden EU-Gipfel angenommen werden, könnte das britische Referendum über den Verbleib in der EU bereits am 23. Juni stattfinden. Das würde die Chancen auf einen Verbleib in der EU erhöhen, da den EU-Gegnern kaum Zeit für eine effektive Kampagne bliebe. Deshalb versuchen sie, den Volksentscheid mindestens bis September hinauszuzögern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid