Britische Labour-Abgeordnete wirft hin: „Schmuddel und Nepotismus“

In Großbritannien verlässt Labour-Parlamentarierin Rosie Duffield die Partei. In einem gepfefferten Brief macht sie Premier Starmer schwere Vorwürfe.

Porträt einer Frau vor einer Mauer

Rosie Duffield, hier im Wahlkampf 2019 in ihrem Wahlkreis Canterbury Foto: Simon Dawson / reuters

London taz | Noch nie, analysiert die britische Sonntagszeitung Sunday Times, ist eine Parlamentsabgeordnete so früh nach einem Wahlsieg ihrer Partei aus ihrer Fraktion ausgetreten. Diesen Rekord hat jetzt Rosie Duffield aufgestellt, seit 2017 Labour-Wahlkreisabgeordnete für Canterbury im Südosten Englands. Sie trat am Samstag mittels einer auf X veröffentlichten dreiseitigen gesalzenen Parteiaustrittserklärung an Premierminister Keir Starmer zurück.

Die 53-jährige Duffield, die sich in ihrem Brief selbst als demokratische Sozialistin beschreibt, prangert in ihrem Schreiben nicht nur „kaltherzige und unnötige“ Entscheidungen der Labour-Regierung gegen die „Ärmsten und Verletzlichsten“ oder die Annahme Starmers von Spenden und Geschenken an, sondern attackiert auch Starmer insgesamt.

Er zeige „völliges Unverständnis“ dafür, was für ein schlechtes Bild die Partei wegen ihm inzwischen abgebe. Seinem technokratischen Managementstil fehle fundamental der politische Instinkt und seine politische Orientierung sei immer schon unklar gewesen, so Duffield, die anders als viele Starmer-Kritiker innerhalb Labours nicht zum linken Parteiflügel gehört, im Gegenteil.

Duffield schreibt in Bezug auf die wachsenden Skandale um Geschenk­annahme, dass sie sich schämt dafür, was Starmer und sein innerer Kreis der Partei angetan hätten: „Wie kannst du es wagen?“, sagt sie: „Der Schmuddel, der Nepotismus, und die sichtbare Geldgier sind unterhalb jeglicher Erwartungen.“

Duffield ist nun schon die achte bei den Wahlen am 4. Juli gewählte Labour-Abgeordnete, die als Unabhängige im Parlament sitzen wird; die Labour-Fraktion ist damit von 411 auf 403 Abgeordnete geschrumpft.

Pat McFadden, ein enger Vertrauter Starmers, erklärte der BBC, dass Duffields Austritt auf länger zurückliegende Probleme zurückgingen. Mit der Labour-Führung ist Duffield wegen der Transpolitik schon länger auf Kriegsfuß. In Einstimmigkeit mit J. K. Rowling sieht sie manche Transfrauen als biologische Männer und fühlt sich gegen massive Anfeindungen deswegen nicht unterstützt. Damit habe ihr Rücktritt jedoch nichts zu tun, schrieb sie.

Duffields Rücktritt erfolgt inmitten immer neuer Enthüllungen über Starmer. Die Gesamtsumme für seine gespendete Kleidung beläuft sich inzwischen auf 32.000 Pfund (38.000 Euro). Insgesamt soll Starmer Spenden in Höhe von über 100.000 Pfund angenommen haben.

Außerdem wurde jetzt bekannt, dass Keir Starmer über Jahre die kostenlose Nutzung zweier Londoner Luxuswohnungen im Besitz des Labour-Oberhausmitglieds Lord Ally, der auch die meisten Kleiderspenden tätigte, in Anspruch nehmen durfte. In einer nahm er zu Weihnachten 2021, zum Höhepunkt der Covid-19-Pandemie, eine TV-Ansprache auf, die damals so dargestellt wurde, als säße Starmer bei sich zu Hause. In der anderen lebte er während des Wahlkampfes und gab dies im Abgeordnetenregister weit unter Wert an.

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