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Britische Innenministerin Priti PatelBrexit-überzeugte Quereinsteigerin

Großbritanniens Innenministerin Priti Patel spaltet: Für die einen ist sie eine mutige Heldin, für die anderen eine populistische Hetzerin.

Hetzerin oder Heldin? So oder so: Priti Patel sorgt für Schlagzeilen Foto: Vudi Xhymshiti/imago

Berlin taz | Für die einen ist Priti Patel eine mutige Heldin. Für die anderen ist sie eine populistische Hetzerin. Großbritanniens Innenministerin Priti Patel lässt in London kein politisches Gemüt kalt. Am Montag stellte sie die Details der britischen Post-Brexit-Einwanderungsregeln vor, die ab 2021 Nicht-EU-Bürger und EU-Bürger auf eine Stufe stellen und zwar Letzteren die Niederlassungsfreiheit nehmen, Ersteren aber die Zuwanderung erleichtert.

Dieses „Global Britain“ verkörpert Priti Patel in ihrer Person. Sie kommt aus einer Familie indischer Zuwanderer in Uganda, die in den frühen 1970-er Jahren bei der Massenausweisung aller Asiaten durch Ugandas Diktator Idi Amin Zuflucht in England fand – die letzte große britische Grenzöffnung für einstige Kolonialbürger kurz vor dem britischen EU-Beitritt.

Wer wie Priti Patel als asiatisches Mädchen in einfachen Verhältnissen in Watford aufwächst, dem Inbegriff einer perspektivlosen Kleinstadt nördlich von London, lernt früh, sich durchzuboxen. Als die nigerianischstämmige Labour-Abgeordnete Florence Eshalomi ihr kürzlich im Parlament vorwarf, nichts von Rassismus zu verstehen, keilte Patel zurück: „Dann muss es eine ganz andere Innenministerin gewesen sein, die als Kind auf dem Spielplatz oft Paki genannt wurde, die auf der Straße rassistisch beschimpft wurde oder der man riet, ihren Nachnamen aufzugeben und den ihres Mannes anzunehmen, um ihre Karriere zu fördern.“ Dann verwies sie auf eine Karikatur im sich für fortschrittlich haltenden Guardian: die Hindu Patel als Kuh mit Nasenring auf der Parlamentsbank – „nicht nur rassistisch, sondern auch beleidigend, kulturell und religiös“.

Ihre politische Karriere begann die 1972 geborene Priti Patel Mitte der 1990er Jahre als Pressesprecherin der kurzlebigen „Referendum Party“, die schon damals für ein Brexit-Referendum warb. Die Konservativen warben die wortgewandte junge Frau ab. Seit 2010 sitzt sie für den Wahlkreis Witham in Essex nordöstlich von London im britischen Unterhaus. Beim EU-Referendum 2016 warb sie als Staatssekretärin im Arbeitsministerin für den Brexit. Theresa May machte sie zur Entwicklungsministerin – ein Job, den sie schnell im Streit aufgab. Boris Johnson gab ihr mit dem Innenministerium den zentralen Posten für eine neue Migrationspolitik und die versprochene Stärkung der inneren Sicherheit.

Wie alle Quereinsteiger ohne Establishment-Hintergrund in der britischen Politik hat auch Priti Patel viele Intrigen überlebt. Im Februar verkrachte sie sich mit dem höchsten Beamten ihres Ministeriums, Philip Rutnam, dessen Umfeld Journalisten briefte, die Ministerin brülle ihre Mitarbeiter an, sei „wütend und aggressiv“ und schaffe eine „Atmosphäre der Angst“. Die Regierung stellte sich hinter Patel, Rutnam kündigte und klagte. Die Ergebnisse einer internen Untersuchung, ob die Vorwürfe gegen Priti Patel zutreffen, liegen derweil auf dem Tisch des Kabinettsministers Michael Gove, und die Opposition wirft ihm dieser Tage vor, sie zurückzuhalten. Für Schlagzeilen wird Priti Patel weiter sorgen.

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6 Kommentare

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  • Mitfühlend-verständnisvolle Homestories über brüllende Toryminister*innen. Die taz wird auch nicht jünger...

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    1.. Die Familie von Priti Patel hätte nicht die Spur einer Chance gehabt nach Großbritannien einzuwandern nach den Gesetzen, die Patel gerade als Heimatministerin schafft und die zum 1.01.2021 Gültigkeit erlangen werden.

    2..Der dickste Skandal von Patel war ihr Verhalten als Ministerin unter Theresa May. Ohne die Primeministerin in Kenntnis zu setzen hat sie ihre eigene Israel Politik gemacht - und wurde von May unverzüglich mit Schimpf und Schande aus der letzten Regierung geworfen.

    Was an fehlender Loyalität -- und an Patels Verhalten britischer oder rechtskonservativer sein zu wollen als die Briten selbst, mutig sein soll, wird leider im Artikel genauso wenig erklärt wie ihre Eigenart, anderen die Chancen zu verwehren, die sie selbst und ihre Familie genossen haben.

    Patel ist derzeitig damit beschäftigt Einwanderer aus der Karibik aus dem Land zu werfen deren Familien seit Jahrzehnten in England leben. -

    Typisches rechtsradikalkonservatives Verhalten - über Patel zu schreiben - ohne zu erwähnen, das sie Donald Trumps irrsinnige Einwanderungspolitik nachahmt ist schon sehr erstaunlich.

  • 9G
    93042 (Profil gelöscht)

    Dieser mittlerweile absolut alberne Brexit-Trara ist doch nur noch dazu da, um den Blättern Geschichten zu liefern. Thank God when it is finally December 31st, the British are out with no-deal and we can get on with more important things, like the British Home Secretary ...

    • 0G
      06438 (Profil gelöscht)
      @93042 (Profil gelöscht):

      Riesengroßer Irrtum. Hier geht es nicht um Blätter. Weit gefehlt.

      Ab 1. Januar 2021 geht der Alptraum erst so richtig los. Bis zum 31.12. 2020 ist UK noch in der EU - für danach ist nichts geklärt - eigentlich weniger als nichts. 40% der britischen Importe kommen aus der EU - wie diese im nächsten Jahr UK erreichen sollen ist derzeit unklar - genauso wie tausende andere Kleinigkeiten.

      Selbst das Ausmass des Chaos ist ungewiss welches am 1. Januar folgt.

      Kommentar gekürzt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

      Die Moderation

  • Eine der vielen Gruppen, die zum Brexit beitrugen, waren international eingestellte Leute, denen ein europäisches GB immer schon zu klein und provinziell war (jeder versucht natürlich hier Begriffsassoziationen positiv und neagativ für seine Sache zu belegen). Man will sich nicht an ein relativ kleines und wahrscheinlich noch lange europäisch dominiertes Europa "herandienen", wenn man mehr Globalität direkter haben kann.

    Besonders gilt das natürlich für verschiedene Gruppen aus dem indischen Raum, die in GB stark vertreten sind und von denen viele einen natürlichen Zugang dazu haben, nicht nur im Rahmen des kleinen Europa zu denken.

    Dass das europaorientierten Menschen nicht so passt, ist auch klar, weil es ihre bisher bevorzugte Stellung gegenüber dem großen Rest der Welt auf einen Schlag beseitigt. Vielleicht ist dieser Schritt auch etwas schnell und radikal und man muss ihn in Unterschritte aufteilen und etwas zeitlich "verschmieren".

  • ich glaube ihr habt hier eine kleinigkeit vergessen:

    www.theguardian.co...ings-with-israelis