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Brief aus dem GefängnisEin paar Worte an die Schleimer

Schreiben Sie für die Gesellschaft und um deren Sorgen willen oder wollen Sie ein Schleimer sein? Die Entscheidung liegt bei Ihnen.

Es gibt wieder Post von Nedim Türfent Foto: Donata Künßberg

Letzten Monat wurde die Verordnung für Presseausweise revidiert. Jetzt kann „Personen, die der nationalen Sicherheit und öffentlichen Ordnung zuwider handeln“ der Presseausweis entzogen werden. Ein Journalistenverband nach dem anderen protestierte dagegen. Der Beschluss wird den regierungskritischen Journalismus, der ohnehin angeschlagen ist, unmöglich machen. Die Regierung will Journalist*innen zu abhängigen Beamt*innen machen. Sie möchte Presseausweise nur noch an solche Journalist*innen ausgeben, die „Journalismus“ im Sinne der ihrer eigenen PR-Arbeit betreiben.

Das Wesen des Journalismus ist es aber, dem Recht der Gesellschaft auf Informationen nachzugehen, die Wahrheit zu erfahren. Es ist Aufgabe und Verantwortung von Journalist*innen, Tatsachen ungeschminkt sichtbar, hörbar, bekannt zu machen. Journalist*innen sollen im Interesse der Gesellschaft handeln und ihre berufsethischen Regeln beachten. Sie sollen Fakten ins Licht zu rücken, gegebenenfalls auch riskieren, dafür büßen und bezahlen zu müssen. Die Wahrheit zu schreiben, ist der natürlichste Akt des Journalisten.

Allen Schwierigkeiten zum Trotz müssen Journalist*innen als Tatsachenberichterstatter*innen die Mächtigen kontrollieren. Wo auch immer ein Recht verletzt, eine Freiheit eingeschränkt wird, ist es ihre Pflicht, dies mit einer Kamera zu dokumentieren und mit einem Stift für das Gedächtnis der Menschen zu notieren. Wo Wort und Stift auf der Bühne stehen, schweigen die Waffen; weichen Auseinandersetzungen und Spannungen Entspannung und Annäherung; werden Debatten und schriftliche Auseinandersetzungen ermöglicht. Allerdings liegt auch das Gegenteil im Rahmen des Möglichen: Worte in Fesseln legen und Waffen sprechen lassen!

Wenn die Mächtigen ihre schmutzige Wäsche verschleiern wollen, üben sie systematisch Druck auf den Journalismus aus. Totalitär Herrschende reduzieren Journalismus auf eine Tätigkeit, die ihre Taten als legitim und angezeigt hinstellen soll. Und das auch noch für einen lächerlichen Gehalt!

Bezahlte Claqueure

Diese regierungsnahe Entourage von Schleimern, die Beifall klatscht wie Kaiser Neros bezahlte Claqueure, ist zu blind, um zu wissen, dass der Bumerang am Ende sie selbst treffen wird. Selbst wenn der Journalismus ins Koma fällt, Rechte und Freiheiten in beklagenswertem Zustand sind und die Wirtschaft Alarm schlägt, zeichnen diese Schleimer ein paradiesisches Szenario. Alles sei lediglich böse Verleumdung ausländischer Feinde und niederträchtiger Kräfte im Inland!

Historisch betrachtet standen im Journalismus Wahrheit, Wort und Stift stets im Zentrum eines Kampfes. Auf der einen Seite jene, deren Hände vom Gewissen geleitet sind, auf der anderen Seite jene, deren Hände in ihren Taschen stecken. Schreiben Sie für die Gesellschaft und um deren Sorgen willen oder wollen Sie ein Schleimer sein? Die Entscheidung liegt bei Ihnen. Doch mit welchen Buchstaben Sie ins Gedächtnis der Geschichte eingeschrieben werden, bestimmen nicht Ihr Geld und Ihre schleimigen Worte. Darüber entscheidet das Gewissen der Gesellschaft.

Nedim Türfent hat diesen Brief am 24. Dezember 2018 verfasst. Am 3. Januar 2019 kam er bei taz.gazete an.

Aus dem Türkischen von Sabine Adatepe

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