Brexit-Verhandlungen in Brüssel: Jetzt geht’s ans Eingemachte
Zu Beginn der zweiten Verhandlungsrunde richten sich hohe Erwartungen an die Unterhändler. Die Stimmung ist alles andere als euphorisch.
„Wir werden uns nun in den Kern des Themas vertiefen“, sagte Barnier. Die Positionen müssten abgeglichen werden, „um einen guten Fortschritt zu erreichen.“ Die Zeit drängt: Schon im Herbst möchte die EU eine erste Zwischenbilanz ziehen, bereits im Oktober 2018 sollen die Scheidungsgespräche abgeschlossen werden.
Ein fast unmögliches Unterfangen, zumal die Stimmung auf dem Tiefpunkt ist. In Brüssel traut es der britischen Premierministerin Theresa May kaum noch jemand zu, die Verhandlungen zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen. Es wäre ein Wunder, wenn May im Herbst noch an der Macht wäre, heißt es. Auch die Briten gießen Öl ins Feuer. Die EU könne darauf „pfeifen“, dass sie größere Beträge von den Briten erhalten werde, lästerte Außenminister Boris Johnson. Forderungen von 100 Milliarden Euro seien völlig überzogen, so Johnson. Doch Brüssel bleibt hart. „Ich höre kein Pfeifen, sondern nur die Uhr ticken“, erwiderte Barnier trocken.
Der Verhandlungsführer der EU hat sogar noch die Daumenschrauben angezogen. Die drei Themen, über die in dieser Woche mit den Briten verhandelt wird, seien „untrennbar und verflochten“, sagte der Franzose. Wenn es nur bei zweien Fortschritte gebe, reiche das nicht aus, um den nächsten Schritt zu gehen. Dabei ist es ausgerechnet dieser „nächste Schritt“, den die Briten unbedingt erreichen wollen. Sie möchten so schnell wie möglich über die künftigen Beziehungen zur EU und ein mögliches Freihandelsabkommen verhandeln, um die Zeit nach dem Brexit vorzubereiten. In Brüssel weiß man das – und baut immer neue Hürden auf.
So möchte die EU erreichen, dass EU-Bürger ihre Rechte auch nach dem Brexit noch beim Europäischen Gerichtshof einklagen können. Auch der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Atomenergiegemeinschaft (Euratom) wird neuerdings problematisiert – genau wie die Frage, ob Güter, die vor dem Brexit auf den Markt gekommen sind, auch danach noch verkauft werden dürfen.
London hat größte Mühe, sich festzulegen
Während die EU ihre Positionen festklopft, hat London größte Mühe, sich festzulegen. May präsentierte zwar in der vergangenen Woche Positionspapiere, doch sie wurden von Brüssel als ungenügend zurückgewiesen. Nun muss London nachbessern. Das ist aber scheinbar derart heikel, dass May ihre Regierung nun warnte, Details an die Presse durchzustechen. Das Kabinett müsse „in der Lage sein, Gespräche über die Regierungspolitik vertraulich zu führen“, so ein Sprecher.
Auch in Brüssel herrscht höchste Geheimhaltungsstufe. Ein Sprecher wollte nicht einmal die Frage beantworten, ob die Briten neue Papiere vorgelegt hätten. Dabei hatte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker größtmögliche Transparenz zugesagt. Nun sieht es so aus, als sei die Transparenz das erste Brexit-Opfer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!