Brexit-Chaos in Großbritannien: Irgendwas, irgendwann

Die britische Politik sucht nach dem Brexit, den sie am 29. März verlegt hat. Alles, was schon gescheitert ist, könnte nochmal abgestimmt werden.

In London steht das britische Parlament unbeleuchtet

Warten auf Erleuchtung: Das Parlamentsgebäude in London Foto: dpa

BERLIN taz | Das Gezerre um den Brexit im britischen Parlament geht in dieser Woche fröhlich weiter. Nachdem die Abgeordneten am Freitag im dritten Anlauf Theresa Mays Brexit-Deal mit der EU erneut abgelehnt hatten, erwägt die Regierung, ihn ein viertes Mal zur Abstimmung zu stellen. Die Abgeordneten beraten derweil noch am Montag erneut über ihre eigenen Brexit-Modelle, die sie am vergangenen Mittwoch alle abgelehnt hatten.

Das Kalkül auf allen Seiten ist, dass es irgendwann für irgendetwas eine Mehrheit gibt, und sei es nur zufällig. Mit dieser Mehrheit soll die Regierung dann nach Brüssel geschickt werden, um beim nächsten EU-Sondergipfel am 10. April zu begründen, warum Großbritannien nicht am 12. April ohne Deal aus der EU ausscheiden soll, sondern stattdessen eine längere Brexit-Verschiebung samt Teilnahme an den Europawahlen im Mai möchte.

Premierministerin Theresa May schöpft Genugtuung daraus, dass ihr Deal bei jeder Abstimmung mehr Zustimmung findet. Im Januar war er mit 202 zu 432 Stimmen durchgefallen, am 12. März mit 242 zu 391; am 29. März waren es nur noch 286 zu 344.

Das sind deutlich mehr als die Stimmen für jede der von den Abgeordneten selbst zur Wahl gestellte Alternativen zwei Tage davor. Damals lag die Option eines zweiten Referendums mit 268 Stimmen vorn, dicht gefolgt vom Verbleib in der EU-Zollunion mit 264 Stimmen. Zumindest diese beiden Modelle werden also ab Montag weiter behandelt.

Da auch Mays Deal einen Verbleib in der Zollunion beinhaltet, als zentrales Element des sogenannten Nordirland-Backstops, wächst nun unter Brexit-Anhängern die Sorge, dass am Ende eine wie auch immer geartete Zollunion herauskommt. Eine Zollunion will auch die Labour-Opposition.

Experten aller Lager weisen aber immer wieder auf ein Problem hin: Bei Mitgliedschaft in der EU-Zollunion ohne Mitgliedschaft in der EU müsste Großbritannien seine Märkte einseitig für Freihandelspartner der EU öffnen, aber seine Exporteure könnten nicht selbst von EU-Freihandelsabkommen profitieren – und eigene Abkommen könnte das Land nicht abschließen. In dieser misslichen Situation befindet sich derzeit die Türkei.

Am Wochenende forderten 170 konservative Abgeordnete – die Mehrheit der Fraktion – die Premierministerin schriftlich auf, den Austritt aus der EU-Zollunion nicht zur Disposition zu stellen, darunter auch zahlreiche Minister. Die Regierung scheint immer tiefer gespalten.

Da May zuletzt sowohl ihren Rücktritt im Falle der Annahme ihres Deals angeboten als auch erklärt hat, sie stehe als Premierministerin nicht für eine längere Brexit-Verschiebung samt Europawahl zur Verfügung, wird ohnehin von ihrem baldigen Rücktritt ausgegangen.

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