Brennpunkt Görlitzer Park: Es geschah am hellen Morgen
Eine „Gruppenvergewaltigung“ war der Auslöser für den „Sicherheitsgipfel“. Laut Anklage, die der taz vorliegt, sollen DNA-Spuren den Nachweis erbringen.
Es war der 21. Juni, Tag der Sommersonnenwende. Gegen 5 Uhr morgens soll es im Görlitzer Park zu schweren Sexualstraftaten zum Nachteil einer jungen Frau gekommen sein. Der Vorfall war erst Wochen später bekannt geworden, die Polizei hatte aus ermittlungstaktischen Gründen zunächst geschwiegen.
Nun hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben. Es mag ein Zufall sein, dass das 15 Seiten umfassende Schriftstück am 5. September, also drei Tage vor dem Sicherheitsgipfel, fertig war, der am 8. September stattfand. Verglichen mit anderen Taten ist die Geschwindigkeit auf jeden Fall ungewöhnlich.
Die taz konnte in die Anklageschrift Einblick nehmen. Angeklagt sind drei Männer im Alter von 21 und 22 Jahren. Vergewaltigung in besonders schwerem Fall lautet der zentrale Vorwurf. Zugrunde gelegt ist der Passus des Strafgesetzbuches, der sich auf eine von mehreren Personen gemeinschaftlich begangene Vergewaltigung bezieht, den Begriff Gruppenvergewaltigung gibt es im Gesetz nicht. Auch besonders erniedrigende sexuelle Handlungen sind angeklagt.
Geschlagen und beraubt
Die Anklageschrift lässt vermuten, dass sich das betroffene junge Ehepaar, nicht in Kreuzberg wohnhaft, im Görlitzer Park in der Morgendämmerung eine schöne Zeit machen wollte. Die Frau und der Mann waren in der Nacht sehr spät ausgegangen, es heißt, sie hätten im Park bei Drogenhändlern Kokain gekauft und dann auf einer Parkbank Zärtlichkeiten ausgetauscht. Weil sie sich beobachtet fühlten, hätten sie eine abgelegene Stelle im Park aufgesucht, seien dort intimer geworden.
In der Folge seien sie dort von den drei Angeschuldigten und mindestens zwei weiteren unbekannten Männern, möglicherweise noch mehr männlichen Personen, umstellt worden. Der Ehemann sei mit Stöcken geschlagen und seiner Bauchtasche beraubt worden, in der sich ein großer Geldbetrag befand.
Die Täter könnten das gewusst haben, weil der Mann beim Kokainkauf einen 50 Euroschein aus der Tasche gezogen habe. Seiner von anderen Tätern bedrängten Frau habe der Ehemann nicht helfen können. Er sei zu Boden gebracht, festgehalten und mit Fäusten und Stöcken traktiert worden.
Die Frau habe sich gegen die in der Anklageschrift beschriebenen, mit körperlicher Gewalt erzwungenen sexuellen Handlungen zur Wehr gesetzt. Irgendwann sei es ihr gelungen, sich zu befreien und zum Ausgang des Parks zu fliehen.
Täterbeschreibung revidiert
Die Identifizierung der drei Angeschuldigten sei durch DNA-Treffer erfolgt, heißt es in der Anklageschrift. Spermaspuren in der Vagina der Betroffenen seien einem der Angeschuldigten zuzuordnen, Spermaspuren im Slip der Betroffenen den beiden anderen. Wer genau welche sexuelle Tat begangenen habe, sei nicht aufzuklären. Die Handlungen könnten aber als „mittäterschaftliche Begehensweise“ angesehen werden.
Eine Identifizierung etwa durch Lichtbildvorlage sei den Zeugen nicht möglich gewesen. Der Ehemann habe nicht direkt sehen können, was geschah. Die Frau hatte nach Informationen der taz zunächst eine Täterbeschreibung gemacht, aber revidiert.
Die Festnahmen erfolgten Ende Juli/Anfang August. Die Angeschuldigten sind in West- und Ostafrika geboren, die Asylanträge wurden abgelehnt. Sie lebten in Berlin zum Teil auf der Straße und sind teilweise mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten – wegen Körperverletzungsdelikten und BTM-Handel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“