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Brennender Koran und Ground Zero-MoscheeReligiöse prägen 9/11-Debatte

Mit dem Plan, den Koran zu verbrennen, sorgt ein Evangelikaler für weltweite Empörung. Derweil entsteht zwei Blocks vom Ground Zero entfernt eine umstrittene Moschee.

Offene Wunde: Ground Zero in New York. Bild: dpa

WASHINGTON taz | "Schändlich", sagt die Außenministerin der USA. VertreterInnen sämtlicher Religionen, hochdekorierte Militärs, Massenmedien sowie das Weiße Haus kritisieren das Vorhaben. Und in Afghanistan, Pakistan und Indonesien wünschen Demonstranten "Amerika" den Tod. Doch ein fundamentalistischer Pastor in Florida hält an seinem Vorhaben fest, am 11. September den Koran zu verbrennen. Zugleich erklärt in Manhattan ein – moderater – Imam, dass er nicht von seiner umstrittenen Moschee abrückt. Zwei Blocks von Ground Zero entfernt, will er ein muslimisches Zentrum eröffnen, das er als "Brücke zwischen den Religionen" versteht.

Kurz vor dem neunten Jahrestag der Attentate von New York und Washington beherrschen damit religiöse Stimmen die Debatte in den USA. Beide Seiten nehmen für sich ein Grundrecht in Anspruch, das die US-Verfassung garantiert: die Freiheit des Glaubens und der Meinung. Pastor Terry Jones von der nur 50 Mitglieder starken "Dove World Outreach Center" in Gainesville in Florida hat mit seiner lang angekündigten und in dieser Woche erneut bestätigten Bücherverbrennung zu einer Blitzkarriere im Fernsehen abgehoben.

Nach eigenen Angaben hat er 150 Interviews gegeben. So oft konnte der 58jährige bislang erklären, dass "der Islam und das islamische Recht" ein Teufelswerk seien und dass er Exemplare des Koran verbrennen will. Er gibt auch Tag und Uhrzeit für sein Vorhaben an: "Samstag von 18 bis 21 Uhr".

Weder die Mahnung des US-amerikanischen Oberbefehlshabers in Afghanistan, General David Petraeus, die Koran-Verbrennung würde die Sicherheit von US-Soldaten gefährden, noch anti-amerikanische Demonstrationen weltweit beeindrucken den fundamentalistischen Pastor. Kritiker verweist er auf die US-Verfassung: "Das ist unser Recht – wir leben in Amerika". Im Übrigen behauptet er ohne mit der Wimper zu zucken, er habe nichts gegen Muslime: "Sie sind willkommen in Amerika".

Der einzige US-Spitzenpolitiker, der öffentlich Verständnis für die geplante Bücherverbrennung zeigt, ist zugleich einer, der auch das Moschee-Projekt in Manhattan unterstützt. "Auf eine seltsame Art, muss ich das verteidigen", sagt New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg am Dienstag auf einer Pressekonferenz zu dem Fundamentalisten in Florida: "Ich finde es geschmacklos. Aber die Verfassung schützt es. Und wir können nicht sagen, dass ein Grundrecht nur für Dinge gilt, die wir selber für richtig halten."

Auf den New Yorker Bürgermeister beruft sich in auch ein prominenter Imam. Feisal Abdul Rauf, Initiator des Moschee-Projektes an Ground Zero, ist rechtzeitig zum Jahrestag der Attentate wieder in den USA. Zuvor hat das Außenministerium in Washington ihm eine Vortrags-Reise durch die arabische Welt finanziert. Unterwegs hat er "Toleranz und Freiheit des Glaubens" gepredigt. Und die positive Wirkung der Erklärungen von Barack Obama und von Bloomberg über sein Cordoba-Projekt gespürt.

Zurück in den USA veröffentlicht Feisal Abdul Rauf einen Meinungsartikel, in dem er die potenziell positive Signalwirkung solcher Botschaften lobt. "Ein christlicher Präsident und ein jüdischer Bürgermeister unterstützten die Rechte der Muslime", schreibt er in der Mittwochsausgabe der New York Times. Drei Tage vor dem 11. September erklärt er zugleich sein Vorhaben in Manhattan zu einem "Meilenstein für die amerikanisch-muslimischen Beziehungen.

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23 Kommentare

 / 
  • MM
    Mister Maso

    Eine Gruppe von 50 Leuten in den USA will ein Buch verbrennen und schon wird hier im Forum gegen "die Amerikaner" gewettert.

     

    Wenn man dieses Denkmuster stringend weiterverfolgt könnte man glatt auf die Idee kommen, alle Muslime für die Terroranschläge vom 11.09.2001 verantwortlich zu machen.

     

    Rassist ist halt immer nur der andere...

  • H
    Hoppla

    @xedout: es ist zwar hier ein anderes Thema; aber der Reichstagsbrand, als Vorwand Kriege führen zu können? Da heben Sie im Eifer (des Gefechtes) etwas verwechselt. Ausser, Sie meinten, einen Krieg im Inneren gegen vermeintliche Gegner der Nazis.

  • H
    holla

    mich würde interessieren, wieviel prozent der leute in europa insgeheim die koran-verbrennung irgendwie als befriedigung empfinden. zum anderen frag ich mich warum die amis keinen tatbestand der volksverhetzung kennen.

     

    nun ja.... glory glory halleluja...!

  • R
    ratio

    Bücherverbrennung? Wo gabs das nochmal?...

     

    Wenn Religionsfreiheit (was übrigens in unserem GG steht) gelebt/umgesetzt werden soll, kann man eine solche Aktion NUR ablehnen UND vor einer solchen WARNEN.

     

    Die Bedeutung des Korans für Muslime wird, sowohl im Artikel und auch in diesen Kommentaren heruntergespielt, teilweise ignoriert.

     

    Diese Aktion wird die Situation in Aghanistan/Irak verschärfen. Tote Soldaten der "Friedensaktion" ... wollt IHR das???

     

    Neben aufgeführten Länder wird der gesamte muslimische Bereich hiergegen mobilisiert!

     

    MUSS DASS DIE KONSEQUENZ SEIN, AUF SO EINEN SCHWACHSINN????

  • ES
    eternal solace

    Mein Kommentar von gestern ist nicht erschienen, hier also noch einmal: mein (weltlich) muslimscher Freund ist am 11.9 in new York im 1. Turm des WTC ermordet worden. Einige Tage ánch dem Anschlag kaufte ich einen Koran und sagte einem verwandten von ihm, mangels regalen würde ich das buch wohl auf den Boden zu den übrigen stellen. Er fand's schrecklich, da für Muslime sogar das Papier heilig ist, da der text für sie Gottes Wort im O-ton ist. Für den Vater ist die religion ein halt, der ihm hilft, mit dem grausamen tod seines Sohnes fertig zu werden. Dass diese christlichen Extremisten seinen Todestag nun damit begehen wollen, seine Religion zu verhöhnen und den muslimischen Opferfamilen wehzutun, ist für uns Hohn.

  • ST
    Stefan Thiesen

    Hauptsache die Welt hat ein aufregendes Pseudothema, um sich nicht mit den wirklichen Problemen beschäftigen zu müssen. Ich bin diesen Quatsch langsam leid. Und in D würde der freundliche Pfarrer aus Florida wegen Volksverhetzung vor den Kadi kommen. Sarrazin ist auch nicht allzu weit davon entfernt.

  • K
    Kurion

    @Wilhelm Mostert

     

    Der Islam verleiht scheinbar auch hellseherische Fähigkeiten. Weil Muslime in Afghanistan, Pakistan, Jemen, Saudi-Arabien etc. die geplante Koranverbrennung in den USA schon vor Jahren vorhersahen, verbrannten sie, über Jahrhunderte hinweg, schon mal Tausende von Bibeln - gewissermaßen präventiv.

     

    Ein einziger radikaler Geistlicher in den USA rief zu einer Koranverbrennung auf. Das bedeutet, dass 99,999999996% aller Amerikaner das nicht getan haben. In diesem Zusammenhang von "den Amerikanern" zu sprechen, grenzt in seiner Pauschalität schon an Rassismus.

     

    "Wer Wind sät wird Sturm ernten" sagen Sie. In diesem Fall kam der Sturm vor dem Wind.

  • H
    Hjalmar

    Er verbrennt den Koran sagt aber Muslimen wären willkommen. Die christliche Toleranz überwältigt mich immer wieder.

    Ist doch alles scheinheilig. Ein unbekannter Pastor braucht ne PR-Kampagne, ein Bauunternehmer etwas gegenwind um als Märtyrer dazustehen und die Politiker reden immer gerne von Toleranz auch wenn sie genau das Gegenteil bewirken.

    Amerika du trauriges Land

  • P
    Peter

    Ehrlich ich bin dagegen, aber werde trotzdem sauer dass gleich wieder Millionen Bekloppte auf die Straße rennen und Flaggen verbrennen.

     

    Ja, Fahnenverkäufer in Pakistan müsste man sein dann hätte man ausgesorgt...

     

    Hmm, Amerikaner verehren ihre Flagge ja schon fast religiös, ist das Verbrennen dann eigentlich mit der Koranverbrennung gleichzusetzen?

  • I
    Inko

    Es ist doch im Prinzip egal, welche Art von Bücher man verbrennt. Die Leute regen sich doch immer über irgend etwas auf.

     

    Im Namen der Kirche wurde auch schon sehr viel verbrannt - vor allen Dingen Menschen.

    Es wurden auch schon sehr viele Kriege im Namen der Kirche geführt.

    Hat sich da jemals jemand aufgeregt? Auf jeden Fall nicht diejenigen, die davon Vorteile hatten - kommen wir wieder auf die Kirche.

     

    Der Mensch findet immer wieder einen "Aufhänger" und was ist besser bzw. einfacher als die "Religion".

  • T
    Thorben

    Mit dem Koran und dessen Verbrennung ist schon schlau gemacht, um ein dumm gehaltenes Volk einzunorden.

    Mit der Moschee direkt in der Nähe des Ground Zero ist natürlich schmerzlich. Wie würde denn der Standard-Amerikaner auf den Bau eines Miniatur-Pentagon statt auf eine Moschee reagieren? Das wäre mal eine tolle Sache und keiner wüsste warum...!

  • G
    Gordon

    Ja, eine philosphische Frage.

     

    Aber Bücher zu verbrennen ist viel anders als ein Religiös-Kulturelles Zentrum zu bauen.

     

    Irgendwie stimmt die Dialectic nicht.

  • WM
    Wilhelm Mostert

    Ach die so freie demokritische USA geh so fundamentalistisch vor.

    Das Bild vom hässlichen Amerikaner wird so angreifbar dargestellt.

     

    Mann braucht sich da nicht zu wundern, wenn die islamischen Staaten

    Bibel- Kreuzesverbrennungen tolerieren.

     

    Wer Wind sät wird Sturm ernten - aber bitte hinterher keine Krokodilstränen

    vergießen.

  • K
    Kai

    Als meines Wissens einziger prominenter Republikaner hat sich Sen. Orrin Hatch für den Bau der umstrittenen Moschee ausgesprochen - vielleicht ist er als Mormone feinfühliger als andere, wenn es um religiöse Toleranz geht.

  • G
    Gottesacker

    Ach die so freie demokritische USA geh so fundamentalistisch vor.

    Das Bild vom hässlichen Amerikaner wird so angreifbar dargestellt.

     

    Mann braucht sich da nicht zu wundern, wenn die islamischen Staaten

    Bibel- Kreuzesverbrennungen tolerieren.

     

    Wer Wind sät wird Sturm ernten - aber bitte hinterher keine Krokodilstränen

    vergießen.

  • L
    Lothar

    Bücher verbrennen wie die Nationalsozialisten oder Bücher verbieten wie die Kommunisten bringt nichts. Mein Kampf kannst du heute in Moskau kaufen, die Bibel in Peking, die Thora in Mekka und den Koran in New York City.

    Und das wird so bleiben - egal wer da glaubt, etwas verbrennen zu müssen.

    Der amerikanische Freiheitskämpfer John Brown sagte vor seinem Tode den überlieferten Satz: "Ihr könnt mich hinrichten, meine Gedanken und die Werte, für die ich sterbe jedoch nicht."

    So war es, ist es, bleibt es.

  • F
    freidenker

    Was für eine Aufregung jetzt schon.

     

    Bis zum 9.November ist doch noch viel Zeit.

  • H
    Happes

    Bücherverbrennungen haben in Deutschland ja so ihre eigene Tradition, und man sollte von einem rechtsradikalen religiösen Fundamentalisten aus den USA nicht unbedingt erwarten, dass er darüber irgendetwas weiß, was ihn dann vielleicht von seinem Treiben abhalten könnte. Ein anderes Buch als die Bibel kennen diese Leute ohnehin nicht, und - nun ja: auch die Bibel wird (wie der Koran) allgemein überschätzt.

     

    Aber wenn man schon Bücher verbrennen will: Wie wärs mit dem Machwerk von Herrn Sarrazin? Frei nach dem Spruch des großen Wolfgang Neuss: Ich bin für die Todesstrafe - für die Leute, die Sie fordern.

  • U
    Ungläubiger

    Kann man da die Bibel und anderen religiösen Mist nicht gleich mitverbrennen?

     

    Gott ist nicht nur tot, sondern hat nie existiert!

    Seit Menschengedenken passieren Grausamkeiten im Namen aller Religionen. Wann endlich ist Schluss damit?

  • X
    xedout

    Wer glaubt denn bitte noch ernsthaft, dass sich die Geschehnisse am 11. September in irgendeiner Form vom Reichstagsbrand, oder dem Angriff nord vietnamesischer Truppen auf das US Flottenschiff unterscheiden?

     

    Die waren alles Vorwände um Kriege zu führen.

    Wieso sollte es diesmal anders gewesen sein?

  • W
    Wundt

    Schön, dass die Angewohnheit von Fox News, ein Gemeindezentrum eine "Moschee" zu nennen, auch hier in Deutschland angekommen ist...

  • B
    besorgt

    Sie sollten sich schon um die Sicherheit ihrer Soldaten kümmern die Aktion des Pastors verbrennen. Andererseits ist das lächerlich angesichts des sinnlosen Krieges in Afghanistan.

  • E
    emil

    rechtlich mag das natürlich eine ordentliche sache sein, bücher zu verbrennen. es ist dennoch ein akt, sich vor dem vermeintlich bösen zu verschließen und keinen respekt zu zollen.

    als anhänger einer religiösen gemeinschaft untragbar, aber doch immer wieder typisch für viele monotheisten.

     

    wer jetzt damit kommen will, was die muslime alles für schlimme sachen machen, sollte sich das lieber sparen. würden wir uns permanent auge um auge angehen, wären wir wohl noch ein paar jahrhunderte rückständig.