Bremerhaven gegen Großprojekt: 14.000 Unterschriften
■ Streit um die Fragestellung beim Bürgerentscheid zum Ocean Park: suggestive Formulierung?
„Ich bin gegen den Ocean Park. Ich will mitentscheiden“ heißt es in dem Aufruf für einen Bürgerentscheid über den geplanten Freizeitpark. 14.000 Bremerhavener haben nach Angaben von Manfred Ernst, dem Sprecher der Initiative „Bremerhaven ja – Ocean Park – nein danke“, die Forderung unterschrieben, die Bürger über das Projekt entscheiden zu lassen. Heute sollen die Listen mit den Unterschriften dem Stadtverordnetenvorsteher Hans-Joachim Petersen übergeben werden. Die Parteien der Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung sind sich darüber einig, daß die Bürger im nächsten Jahr im Rahmen eines Bürgerentscheids über das Projekt entscheiden sollen. Streit gibt es allerdings um die Fragestellung. „Wollen Sie, daß zur Schaffung neuer Arbeitsplätze und zur Stärkung der oberzentralen Bedeutung der Stadt Bremerhaven im Gebiet Neuer Hafen/Alter Hafen der Ocean Park...“ entsteht, hat die SPD als Frage für den Bürgerentscheid vorgeschlagen. Der Antrag sei „an primitiver Meinungsmanipulation“ nicht zu überbieten, schimpft der Rechtsanwalt Manfred Ernst. Selbst der CDU gefiel die Fragetechnik nicht. „Dann kann man ja gleich fragen, Sind Sie für den Ocean Park, oder wollen Sie sich umbringen“, höhnt CDU-Chef Paul Bödecker. Nach der Auffassung von Rechtsanwalt Ernst verstößt der SPD-Vorschlag außerdem gegen die Bremerhavener Stadtverfassung. Nach Paragraph 15 darf die Frage eines Bürgerentscheids die freie und sachliche Willensbildung der Bürgerinnen und Bürger insbesondere durch polemische oder suggestive Formulierungen nicht gefährden.
Die Kritik ficht die SPD offenbar nicht an. In einem Brief hat der Unterbezirk seinen Vorschlag jetzt noch einmal bekräftigt. Auf die Kritik an ihrer Fragestellung geht SPD-Unterbezirksvorsitzende Hilde Adolf nicht ein. Statt dessen betont sie, daß die SPD die „Initiative für eine positive Beschlußfassung“ übernommen habe.
Mit dem Argument, der Ocean Park würde „1.510 Vollzeitjobs“ schaffen und „2,3 Millionen Besucher“ nach Bremerhaven locken, rührt jetzt auch Bürgermeister Burkhard Niederquell (CDU) nochmal die Werbetrommel für den Bau des Freizeitparks. „Herr Niederquell scheint weder den Rahmenvertrag noch die Unterlagen der Wirtschaftsförderausschüsse genau gelesen zu haben“, wirft Ernst ihm vor. Ocean Park-Planer Köllmann habe eine solche Erklärung nie abgegeben. Ernst: „Köllmann hat nur eine „Good-Will-Erklärung“ abgegeben. Es ist ihm keine Frist gesetzt worden, in der er die Arbeitsplätze schaffen soll. Außerdem bleibt es ihm überlassen, ob er die Arbeitsplätze in Bremerhaven schafft. Wer will denn das kontrollieren?“
Michael Frost, Fraktionsgeschäftsführer der Grünen, vermutet hinter der Presseerklärung des Bürgermeisters Kalkül. „Das ist reine Schaumschlägerei. Es bleibt völlig offen, woher diese Zahlen stammen. Der Magistrat merkt, daß ihm die Felle wegschwimmen. Ein Bürgerentscheid paßt dem Magi-strat nicht, weil das Ergebnis offen ist.“
Wenn die Unterschriften für den Bürgerentscheid eine Prognose zulassen, ist das Ergebnis allerdings alles andere als offen. 14.000 Bremerhavener haben sich bislang für den Bürgerentscheid und damit gegen den Ocean Park („Ich bin gegen den Ocean Park. Ich will mitentscheiden“) ausgesprochen. In der Seestadt leben allerdings rund 92.000 wahlberechtigte Bremerhavener, die im nächsten Jahr im Rahmen des Bürgerentscheids über das Projekt entscheiden sollen. Welche Frage sie genau beantworten, entscheidet die Stadtverordnetenversammlung am kommenden Donnerstag.
kes
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