Bremer Unternehmen und Klimaschutz: Sie wollen ja, können aber nicht
Auf Einladung der Klimaschutzagentur energiekonsens diskutierten Bremer Unternehmer*innen , was nach dem Verfehlen der Klimaziele 2020 auf sie zukommen könnte.
![Die Silhouette der Stahlwerke Bremen. Die Silhouette der Stahlwerke Bremen.](https://taz.de/picture/2942840/14/stahlwerke.jpeg)
Die Frage des Abends: Was kommt nun auf die Unternehmen zu? Rogall sieht die Verantwortung beim Staat. Er müsse eine „Leitplanke“ schaffen, die Unternehmen und Individuen dazu anregt, nachhaltige Produkte zu produzieren und zu konsumieren. Auf Unternehmen warte also Regulierung, beispielsweise durch Steuern oder Bonuszahlungen. Das Hoffen auf Selbstregulierung bringe nichts. „Vielleicht treffen wir uns im Ökohimmel wieder und klopfen uns auf die Schulter – aber als gesellschaftliche Strategie ist das eine Nullnummer.“
Und wie finden die Unternehmer*innen das? Auf dem Podium, welches auf den Vortrag von Rogall folgt, ist man sich einig: Regulierung sei immer schwierig, aber wenn, dann doch bitte deutschland- und europaweit. Franca Reitzenstein, Regionalvorsitzende des Vereins „Die Familienunternehmer“, und Björn Becker, Gesellschafter der „Becker-Holding“ und Erbauer des ersten Passiv-Bürohauses in Bremen, befürchten andernfalls einen Wettbewerbsnachteil.
Knud Vormschlag, der im Energiemanagement der Deutschen See tätig ist, sieht in seinem Betrieb erhebliches Einsparpotenzial. Es brauche unbürokratische Anreizmechanismen wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Das sei aber nach der Novellierung grandios gescheitert, was auch ein Unternehmer aus dem Publikum erleben musste. Er hatte für seine Firma eine Holzschnitzel-Heizanlage gebaut und wegen des niedrigen Gaspreises wieder geschlossen.
Holger Rogall, Professor für Nachhaltigkeitsökonomie
Umweltstaatsrat Ronny Meyer hatte in seinem Grußwort zuvor sein Ressort kritisiert. „Wir fühlen uns mitschuldig, weil die Klimaziele so eklatant verfehlt wurden.“ Das hatte der grüne Umweltsenator Joachim Lohse bereits im Dezember im Gespräch mit der taz zugegeben und den fehlenden Kohleausstieg des Bundes sowie das Bevölkerungswachstum als Gründe dafür genannt. Trotz des konsequenten Ausklammerns der Stahlwerke aus seiner Umweltbilanz liegt Bremen mit knapp 20 Prozent CO2-Einsparungen gegenüber 1990 unter dem Bundesschnitt, der 32 Prozent beträgt.
Der Staatsrat wirft ein, dass radikale Nachhaltigkeitspolitik, die Rogall fordert, eine Wiederwahl gefährden würde. Für diesen ist das keine Ausrede. Wenn die Klimaerwärmung nicht aufgehalten wird, liege das nicht an fehlenden technischen Mitteln, so der Ökonom. „Es wäre ein Politikversagen.“
Meyer ermutigt seinerseits die Unternehmer*innen zu mehr Klimaschutz. „Unternehmen haben heute mehr Macht als Staaten. Nie war die Erwartung an sie so hoch, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden.“ Das ändere für Rogall aber nichts daran, dass es absolute Einsparungen brauche, die bisher fehlen.
Welche Rolle spielt individuelles Verhalten?
Es scheint so, als müsse letztlich das Individuum, welches gerade in Deutschland als umweltbewusst gilt, für Veränderung sorgen. Der Glaube daran sei aber eine „Lebenslüge“, mahnt der Professor. Studien würden belegen, dass mehr Umweltbewusstsein zu einer schlechteren Umweltbilanz führt: „Das geht oft mit einer höheren Bildung einher, mit einem besseren Job, mehr Geld und Konsum.“
Problematisch sei auch, dass ökologische Kosten nicht auf die Produktpreise umgelegt werden, sagt Rogall. Außerdem sei es schlicht nicht rational, sich als Einzelperson nachhaltig zu verhalten. „Wenn ich den Flieger nicht buche, ist der Platz am Ende ja trotzdem besetzt.“
Das Grundproblem des Themas zeigt sich auch an diesem Abend: Alle wollen, keiner scheint zu können. Die Unternehmen meinen, einen staatlichen Rahmen zu brauchen, der ihre Verluste auffängt. Die Politiker*innen, die diesen schaffen könnten, wollen ihre Wähler*innen nicht vergraulen. Und der Professor, der die augenscheinlich sinnvollsten Maßnahmen fordert, hat sich selbst vor langer Zeit aus der aktiven Politik verabschiedet. „Wenn das alles leicht wäre, wäre ich schon längst Nobelpreisträger und Präsident der Welt.“
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