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Bremer Mercedes-Mitarbeiter vor GerichtWilde Streiks bleiben verboten

Das Bremer Arbeitsgericht hat Klagen gegen Abmahnungen von Mercedes-Mitarbeitern abgewiesen. Die fordern weiter ihr Recht auf Streik.

Routinierter Protest: Solidaritätskundgebung für die Abgemahnten im Sommer 2015 vor dem Arbeitsgericht Bremen. Foto: Carmen Jaspersen/dpa

BREMEN taz | Eine Niederlage vorm Arbeitsgericht haben am gestrigen Dienstag 30 Mercedes-Mitarbeiter erlitten. Geklagt hatten sie, weil sie von ihrem Arbeitgeber, dem Bremer Daimler-Werk, Abmahnungen wegen eines „wilden Streiks“ erhalten hatten – aber vor allem, um durchzusetzen, dass Streiks auch ohne Legitimierung durch eine Gewerkschaft erlaubt sein sollten. Dafür wollen sie zur Not bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen.

Hintergrund ist die Arbeitsniederlegung von über 1.000 Daimler-Beschäftigten am 11. Dezember 2014: Sie streikten aus Protest gegen die Auslagerung von Arbeitsplätzen in der Logistiksparte. In den Wochen zuvor war es deswegen bereits zu mehreren Protestaktionen gekommen. Mobilisiert hatten dazu Teile des Betriebsrates und des Vertrauensleutekörpers der zuständigen Gewerkschaft IG Metall (IGM). Bloß: Zu keiner der Aktionen hatte die IGM selbst aufgerufen – und ohne Gewerkschaftsaufruf und laufende Tarifverhandlungen sind Streiks verboten.

Deswegen sprach die Werksleitung 761 Angestellten Abmahnungen für ihren „wilden Streik“ aus. 30 von ihnen klagten dagegen und beantragten die Entfernung des Makels aus ihren Personalakten. Sowie: eine Erklärung des Konzerns, künftig keine Abmahnungen oder Kündigungen auszusprechen wegen Arbeitsunterbrechungen aufgrund der Fremdvergabe von Jobs im Daimler-Logistikbereich.

Vor allem dieser Unterlassungsantrag sei wichtig, erläuterte Benedikt Hopmann, einer der vier Kläger-AnwältInnen: „Es geht uns ja vor allem um die Aufhebung des Verbots verbandsfreier Streiks – die Unterlassungsklage fordert dieses Recht ein und erlaubt uns, das Verfahren so weit wie möglich weiterzuführen.“

Das Recht auf Streik

Wer in Deutschland streiken will, handelt nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nicht pflichtwidrig, wenn er sich an einem Streik beteiligt, der von einer Gewerkschaft organisiert wird.

Streiks sind allerdings während der Laufzeit eines abgeschlossenen Tarifvertrags unzulässig. Während seiner Laufzeit herrscht „Friedenspflicht“.

Wilde Streiks, also nicht von einer Gewerkschaft durchgeführte Streiks, sind verboten.

In Frankreich und Italien ist der Streik organisationsunabhängig als individuelles Recht von der Verfassung garantiert und anerkannter Ausdruck der politischen Willensäußerung.

Die Kläger streben nicht weniger an als eine einschneidende Reform des deutschen Streikrechts und berufen sich dabei auf die Europäische Sozialcharta (ESC). Denn die sehe ein Streikrecht für jedermann – auch ohne Gewerkschaftsbeschluss – vor. „Auch in Frankreich sind politische Streiks erlaubt“, sagt Kläger-Anwältin Gabriele Heinecke. Die Richterin, sagte sie nach der Urteilsverkündung, habe „leider die Zeichen Europas nicht erkannt“.

In der Tat fiel das Urteil nicht nur schnell, sondern schien von Anfang an festzustehen: Denn bereits zur Eröffnung der Verhandlung verwies die Vorsitzende Richterin auf das deutsche Streikrecht einerseits sowie auf die ESC, nach der es vor dem Streik Verhandlungen zwischen ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberIn hätte geben müssen, was sie aber nicht habe erkennen können. Und genau damit begründete sie dann auch die Abweisung der Klage.

Mit den Vertretern der Vertrauenskörperschaft habe es Verhandlungspartner gegeben, argumentierte die KlägerInnen-Seite, aber Daimler habe stets, auch schriftlich, betont, dass es sich bei der Fremdvergabe um eine „einseitige Unternehmensentscheidung“ handle, Verhandlungen also unerwünscht seien.

Die IGM habe das mitgetragen und die KollegInnen im Stich gelassen. „Das individuelle und kollektive Recht auf freie Meinungsäußerung kann doch nicht davon abhängig gemacht werden, ob es ein formelles Verhandlungsangebot oder eine Gewerkschaft im Hintergrund gibt“, sagte Heinecke. Das Problem müsse mit der Gewerkschaft gelöst werden, „nicht auf Kosten der ArbeitgeberInnen“, erwiderten die Daimler-VertreterInnen. Es könne nicht sein, dass ein rechtsfreier Raum für die Angestellten geschaffen werde.

Unter Buhrufen verkündete die Vorsitzende Richterin das Urteil, „aber noch enttäuschter bin ich darüber, dass weder jemand von der Gewerkschaft noch einer der Betriebsratsvorsitzenden heute hier war, um uns zu unterstützen“, sagte einer der KlägerInnen. Nichtsdestotrotz wollen sie weitermachen: Ihre AnwältInnen haben bereits Berufung angekündigt.

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