Bremer Grüne wollen Secondhand-Kaufhaus: Trödeln mit Format
Braucht Bremen ein Secondhand-Kaufhaus? Ja, finden die Grünen, und zwar möglichst zentral, möglichst groß und mit einem vielfältigen Angebot.
In Berlin hat vor einem Monat am Hermannplatz ein weiteres Secondhand-Kaufhaus auf einer ganzen Karstadt-Etage eröffnet, und auch in anderen norddeutschen Großstädten gibt es solche Läden bereits. Und Bremen? Zeichnet sich aus durch viele kleine Gebrauchtwaren-Shops, meist im Viertel und in der Neustadt, manche ramschig, manche hochpreisig, alle irgendwie nischenartig.
Die Grünenfraktion will das ändern und hat mit Akteur*innen aus der Szene in der vergangenen Wochen erstmals öffentlich über ihre Pläne gesprochen. Ein Grundgedanke sei dabei die Aufwertung der Innenstadt – der andere natürlich der Ressourcen- und Klimaschutz, sagt der klimapolitische Sprecher der Fraktion, Philipp Bruck. „Wir müssen den Fokus mehr auf die Dinge richten, die es schon gibt, die auf dem Dachboden liegen oder im Kleiderschrank schlummern.“
Groß soll das Kaufhaus sein und verschiedene Nutzungen vereinen. „Nicht nur Kleidung, auch Haushaltswaren sollte es geben, eine nachhaltige Gastronomie und ein Reparatur-Café“, sagt Bruck. Kandidaten für Räume seien das alte Zarah-Gebäude oder das Schuhaus Meineke.
Uta Bohls, Klimawerkstadt
Aber zunächst braucht es ein Konzept: Zur Auswahl stünden ein großes Kaufhaus oder ein kleinteiligeres, bei dem einzelne Flächen von verschiedenen Akteur*innen bespielt werden. Bruck favorisiert Letzteres. Von diesen potentiellen Mitspieler*innen waren beim Auftakttreffen schon einige dabei: von der Drittel-Bar und dem Secondhandladen „Defibrillator“, der KlimaWerkStadt, der „Bauteilbörse“, von „First Class Klamotte“, vom „Leihklub“ und dem Vintage-Möbelladen „Wedderbruuk“.
Uta Bohls macht in der Klimawerkstadt „genau das, was geplant ist – Workshops, Bildungsarbeit, Repair Café“, sagt sie, außer eben Handel mit Gebrauchtwaren. Die Pläne der Grünen findet sie gut. „Meine Sorge ist aber, dass der Konsumgedanke groß bleibt.“ Es brauche einen sozialen Aspekt. „Es dürfen nicht nur schicke Sachen angeboten werden, sondern normale Gebrauchsgegenstände.“
Und ein Reparaturcafé, so Bohls, darf kein reiner Dienstleister sein. Bildung ist ihr bei dem Konzept wichtig. „Eigentlich“, sagt sie, „müsste über der Jeans direkt stehen: ‚Brauchst du mich eigentlich?‘“ Das sei zwar nicht wirtschaftlich, aber die richtige Richtung.
Dass so ein Gebäude wie der Donnerstag schließende Kaufhof mit dem Projekt gefüllt wird, kann sich Martin Michalik, Vorsitzender der CDU-Fraktion, nicht vorstellen. Einen Laden, so groß wie ein Supermarkt, schon eher. Bei einer Umsetzung wäre ihm wichtig, dass der Ort keine Konkurrenz zum Flohmarkt wird – und, dass er Innenstadtbesucher*innen „einen Mehrwert“ bietet. Dafür brauche es „eine gewisse Ästhetik“, und Qualität statt Ramsch.
Wie die Idee finanziert werden soll, ist unklar. Michalik kann sich vorstellen, dass so ein Projekt am Anfang gefördert wird, „aber dauerhaft wäre das Wettbewerbsverzerrung.“ Bruck dagegen findet, dass eine langfristige Förderung gut wäre. Denn es gebe ein Dilemma: „Man will natürlich, dass sich so etwas selber trägt.“ Aber dann stünde der Konsum doch im Vordergrund. „Dabei heißt Zero Waste ja auch, dass ich etwas mal nicht kaufe“, sagt Bruck. Daraus lasse sich kein Geld generieren, es wäre jedoch im Sinne des Klimaschutzes die bessere Alternative.
Innenstadt wird damit auch für alternative Läden attraktiv
Das Konzept scheint wie geschaffen für Andreas Friedrich und die Drittel-Bar in der Neustadt. Friedrich und sein Mitstreiter haben dort im Mai einen Secondhandladen eröffnet. Sie nannten ihn Defibrillator, „als Wiederbelebung für unsere Bar“. Denn die ist winzig und seit der Pandemie nicht nutzbar.
Friedrich wünscht sich einen Ort, an dem nicht nur Raum für Secondhand ist, sondern auch für Reparaturen oder schöne Aufenthalte. „Eigentlich ist für uns als alternativer Laden die Innenstadt total irrelevant“, sagt Friedrich, aber mit dem Konzept gebe es die Möglichkeit, Menschen, die in die City gingen, für nachhaltigen Konsum zu begeistern.
Der nächste Schritt ist ein Treffen mit allen Akteur*innen, die in Bremen etwas mit Secondhand am Hut haben und sich beteiligen wollen. Es soll sich auf eines der Konzepte verständigt werden, sagt Bruck. Dann könne auch die Suche nach eine geeigneten Immobilie losgehen. Das Noch-Kaufhof-Gebäude stehe allerdings nicht zur Verfügung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“