Bremer Filmpreis: Zierlichkeit trifft Stärke

Mit ihrer eigentümlichen Ausstrahlung ist die französische Schauspielerin Sylvie Testud im Stande, Filme entscheidend zu prägen.

Auf der Schattenseite des Partylebens: Sylvie Testud in der Rolle der Kultautorin Françoise Sagan in dem Film "Bonjour Sagan". Bild: dpa

BREMEN taz | Sylvie Testud ist keine von den Schauspielerinnen, die als Schönheiten gefeiert werden, aber sie kann Filme prägen. Die Jury des Bremer Filmpreises, zu der auch die taz-Filmredakteurin Cristina Nord gehört, hat Testuds Ausstrahlung gut auf den Punkt gebracht: „Sie hat etwas Sprödes und Lakonisches, das ihrer zierlichen Physis auf den ersten Blick zu widersprechen scheint. Auf den zweiten Blick sieht man, dass die Zierlichkeit einhergeht mit Eigensinn und Stärke, was eine berückende und seltene Mischung ergibt, einen ausgesprochen interessanten Frauentypus.“ Am 16. Januar bekommt die 42-Jährige den mit 8.000 Euro dotierten Bremer Filmpreis bei einem Senatsempfang im Bremer Rathaus.

Der Bremer Filmpreis wird für „außergewöhnliche Leistungen im europäischen Film“ verliehen und das passt im Fall von Sylvie Testud gut: Sie ist eher eine europäische als eine rein französische Schauspielerin. Am Anfang ihrer Karriere spielte sie vorwiegend in deutschen Filmen, von denen „Maries Lied“ von Niko von Glasow oder „In Heaven“ von Michael Bindlechner längst vergessen sind. Aber mit der Rolle der Lara in „Jenseits der Stille“ von Caroline Link, für den sie den Deutschen Filmpreis als die beste Hauptdarstellerin erhielt, hatte sie 1996 ihren Durchbruch.

Obwohl sie damals schon 25 Jahre alt war, spielte sie in „Jenseits der Stille“ sehr überzeugend ein junges Mädchen, das als einzige Hörende in einer Familie ihre Eltern unterstützt. Zugleich entdeckt sie ihre Leidenschaft für Musik und lernt, ihren eigenen Weg zu gehen. Caroline Link gab ihr auch in ihrem nächsten Film „Pünktchen und Anton“ eine Rolle, und so kann man sagen, dass Sylvie Testud in den ersten Jahren ihrer Karriere in Deutschland bekannter war als in ihrem Heimatland Frankreich.

Eine ihrer ersten Hauptrollen spielte sie dann 1998 in „Karnaval“ von Thomas Vincent, der erzählt, wie der traditionelle Karneval in der nordfranzösischen Hafenstadt Dünkirchen von den Arbeitern und Arbeitslosen gefeiert wird. Sylvie Testud spielt darin eine Hausfrau, die nachts ihren sturzbetrunkenen Mann die Haustreppe hinauftragen muss und zur Heldin des Films wird, weil sie als eine leidenschaftliche und zähe Frau die einzige bleibt, die sich nicht im Trubel verliert.

2004 gewann Testud einen César als beste Hauptdarstellerin in dem Film „Stupeur et tremblements“ von Alain Corneau, der in Deutschland weder in den Kinos noch im Fernsehen gezeigt wurde. International erfolgreich war sie dagegen in der Rolle der Schriftstellerin Françoise Sagan in der Künstlerbiografie „Bonjour Sagan“, in der es ihr gelang zu zeigen, wie trist das wilde Partyleben der berühmten Autorin im Grunde war.

Danach arbeitete sie wieder mit einer deutschsprachigen Regisseurin zusammen. Die Österreicherin Jessica Hausner drehte „Lourdes“ mit einem fast dokumentarischen Blick auf eine Gruppe von Pilgern, die in dem Wallfahrtsort die üblichen Rituale ausführen. Zugleich sieht der Film Lourdes mit den Augen einer jungen Gelähmten, und weil diese von Sylvie Testud so authentisch und intensiv verkörpert wird, ist der Film ein bewegendes Drama geworden. Testud bekam dafür den Europäischen Filmpreis.

In Frankreich ist Testud auch als Autorin und Regisseurin bekannt. Im Jahr 2003 erschien ihr autobiografischer Text „Il n’y a pas beaucoup d’étoiles ce soir“, in dem sie über ihre Erfahrungen als Schauspielerin reflektierte. Darauf folgten drei Romane. Vor zwei Jahren inszenierte sie die Komödie „La vie d’une autre“, zu der sie auch das Drehbuch schrieb. Juliette Binoche spielt darin eine junge Frau, die zum ersten Mal mit ihrem neuen Geliebten ins Bett geht und 15 Jahre später wieder aufwacht.

Der Bremer Filmpreis wurde 1999 zum ersten Mal verliehen. Das Besondere an ihm ist, dass bei der Auswahl der Preisträger der Film als eine kollektive Kunst gewürdigt wird. So bekamen ihn nicht nur, wie sonst üblich, Regisseure und Schauspielerinnen, sondern über die Jahre auch ein Produzent, eine Cutterin, ein Filmkomponist und eine Kamerafrau.

Zu den Preisträgern zählten Bruno Ganz, Tilda Swinton und Kati Outinen sowie die Filmemacher Agnès Varda, Marcel Ophüls, Ken Loach, Lars von Trier, Ulrich Seidl und Béla Tarr.

Ursprünglich sollte der Preis den festlichen Auftakt für das Internationale Bremer Symposium zum Film bilden, das das Bremer Kommunalkino City 46 zusammen mit der Universität Bremen einmal im Jahr veranstaltet. Doch in diesem Jahr wurden Preisverleihung und Symposium zum ersten Mal zeitlich getrennt.

Der Grund dafür ist die immer geringer werdende Zahl von StudentInnen, die die Tagung besuchten. Man hofft bei einem Termin mitten im Semester auf vollere Sitzreihen und hat das Symposium mit dem Thema „Film und Geschichte“ in den Mai verlegt. Dafür sind bei der heutigen Vorstellung von “Jenseits der Stille“ im Bremer City 46 sowohl die Regisseurin Caroline Link als auch die Sylvie Testud anwesend.

Filme mit Sylvie Testud im Bremer City 46: „Jenseits der Stille“, 16. 1., 21 Uhr und 21. 1., 18 Uhr; „Lourdes“, 17. 1. und 18. 1., 18 Uhr, 19. 1. und 20. 1. , 20.30 Uhr; „Bonjour Sagan“, 23. 1. und 25. 1. bis 29. 1., 20 Uhr; „Karnaval“, 30. 1. bis 1. 2., 18 Uhr, 2. 2. bis 5. 2., 20.30 Uhr
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