Bremer Filmpreis für Aki Kaurismäki: Lieber Bier als Würde
Aki Kaurismäki ehrt das Bremer Filmfest: Der Meister der lapidaren Komik wird bei einer Gala den „Goldenen Mops“ entgegen nehmen.
Den Knopf zum Versenken findet er erst ganz am Ende des Films, und natürlich ist auch das witzig. Doch für den größten Lacher sorgte Kaurismäki selbst: Vor dem Film begrüßte er das Publikum mit den Worten, es sei schön, dass sie alle da wären, denn so seien die Bars der Stadt leer und er könne sich dort in aller Ruhe betrinken. Allein.
Aki Kaurismäki wird am Donnerstag auf dem siebten Filmfest Bremen der Bremer Filmpreis verliehen, und der Typ ist wie seine Filme: grob, rebellisch, pessimistisch, lakonisch – und oft sehr komisch. Vor allem seine frühen Werke sind voller absurder Tristesse. Sein Humor ist auch deshalb so einzigartig, weil er einen Kontrapunkt zur allgegenwärtigen Melancholie des Regisseurs bildet.
Kaurismäkis Filme sind nämlich zuerst einmal tief traurig. Seinen Held*innen muss es einfach dreckig gehen – warum sollte er sonst von ihnen erzählen? Doch so wie er sich selber nicht allzu wichtig nimmt – in seinen Sprüchen macht er sich vor allem über sich selber lustig – so blickt er auch auf seine Figuren mit zärtlichem Spott.
13 Minuten Scheigen und ein Bier
Die „Leningrad Cowboys“ sind mit ihren Einhornfrisuren und Spitzschuhen Witzfiguren, und in seinem Kurzfilm „Rocky VI“ ist der amerikanische Faustkampfchampion ein lächerlicher Hänfling, während sein russischer Gegner die Balalaika mit Boxhandschuhen spielt.
Selbst Kaurismäkis düsterstes Melodram, „Das Mädchen aus der Streichholzfabrik“, in dem die Heldin eine extreme Leidensgeschichte durchlebt, bis sie ihre Familie mit Rattengift umbringt, hat ein paar inspirierte Pointen. So sind etwa die ersten Worte des Films nach 13 Minuten Schweigen die Bestellung: „Ein kleines Bier.“ Getrunken und geraucht wird bei Kaurismäki so viel, wie sonst selten im Kino. Vielleicht dürfen seine Filme in ein paar Jahren nur noch mit Gesundheitswarnungen gezeigt werden.
Der Filmpreis, den Kaurismäki erhält, wurde 2019 nach mehreren Jahren Pause wiederbelebt. Ursprünglich war er 1999 gestiftet und „für langjährige Verdienste um den europäischen Film“ vergeben worden. Seit dem Neustart soll er nun „Verdienste im Bereich Humor und Satire“ auszeichnen.
Das Festival, das bis zum 24. April läuft, versucht, mit einem Programmschwerpunkt „Humor/Satire“ ein Alleinstellungsmerkmal zu etablieren. Die beiden bisherigen Preisträger*innen ließen indes keine großen Erwartungen aufkommen. Den ersten „Goldenen Mops“ – so heißt die Trophäe – bekam Caroline Link, deren Film „Der Junge muss an die frische Luft“ – von und mit Hape Kerkeling – erfolgreich in den deutschen Kinos gelaufen war.
Den nächsten Mops bekam dann – Hape Kerkling. Es war zu befürchten, dass nun nach und nach die Protagonist*innen des deutsche Spaßkinos bemopst würden.
Aki Kaurismäki ist hingegen ein perfekter Preisträger. Würdig, wenn das Wort nicht so gar nicht zu ihm passen würde. Mit dieser Entscheidung wird auch denen der Wind aus den Segeln genommen, die meinten, der ehemalige „Europäische Filmpreis“ wäre nun provinziell geworden. Denn Kaurismäki wäre auch nach den damaligen Auswahlkriterien eine sehr gute Wahl gewesen.
Hier lacht Susan Sontag
Die Verleihung findet am Donnerstag ab 19 Uhr im Rahmen einer Gala im Theater am Goetheplatz statt. Die Laudatio halten Erika und Ulrich Gregor, das ehemalige Leitungspaar des Forums der Berlinale, wo Filme von Kaurismäki gezeigt wurden.
Hier lachte etwa die New Yorker Essayistin Susan Sontag schallend über seine Shakespeare-Parodie „Hamlet Goes Business“ (der Autor saß hinter ihr und kann es bezeugen). Musikalisch wird der Abend von der finnischen Gruppe Marko Haavisto & Poutahaukat begleitet, die die Musik in Kaurismäkis Filmen „Der Mann ohne Vergangenheit“ und „Die andere Seite der Hoffnung“ spielten.
Die Preisverleihung findet in Anwesenheit von Aki Kaurismäki am 21. April 2022 um 19 Uhr im Theater Bremen statt. Weitere Informationen gibt hier.
Beide Filme laufen in der neunteiligen Retrospektive des Festivals, auf der auch der oben erwähnte Kurzfilm „Rocky VI“ gezeigt wird. Musik spielte immer eine wichtige Rolle in Kaurismäkis Filmen, und zwar mit einer beachtenswerten Bandbreite von einer Puccini-Oper in „Das Leben der Bohème“ bis zu sentimentalen Schlagern.
Er hat sogar selber eine Band erfunden. Für den Film „Leningrad Cowboys go America“ ließ er finnische Musiker die „schlechteste Rock´n Roll Band der Welt“ spielen. Der Film wurde dann so beliebt, dass die Band tatsächlich auf Tour ging und bis 2014 zahlreiche CDs einspielte.
Er ist Kaurismäkis gröbste, oder sagen wir albernste Komödie, aber sie funktioniert, wie man nun in Bremen noch einmal erleben kann. Auch kommerziell war sie sein größter Erfolg. Die Fortsetzung „Leningrad Cowboys meet Moses“ war dann allerdings so schlecht, dass der Verdacht aufkam, Kaurismäki habe hier seinen eigenen Erfolg sabotieren wollen.
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