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Bremer Enquete-Kommission Klimaschutz18 Monate Strategiegespräche

Die von der Bremer Bürgerschaft eingesetzte Enquete-Kommission Klimaschutz ist erstmals zusammengekommen. Ihr Sinn erschließt sich nicht allen.

Forderungen bleiben gültig: Klimaschutzdemo in Bremen im Juni 2019 Foto: dpa

Bremen taz | Eigentlich sollte sie schon vor zwei Monaten starten. Am Freitag nun traf sich erstmals die Enquete-Kommission „Klimaschutzstrategie für das Land Bremen“: Neun Abgeordnete und neun Expert:innen sollen in den nächsten 18 Monaten ein Klimaschutzziel 2030 entwickeln.

Das hatten alle Bürgerschaftsfraktionen Ende Januar beschlossen – und damit „parlamentarisches Neuland“ betreten, das sagte jetzt Frank Imhoff (CDU), Präsident der Bürgerschaft, in seiner Eröffnungsrede. Das Thema und die Fachkompetenz rechtfertige die Kommission „absolut“, sagt er zudem an Kritiker:innen gerichtet.

Die standen draußen vor Messehalle 7, in der die konstituierende Sitzung coronabedingt abgehalten wurde: Den eintreffenden Kommissionsmitgliedern machten Aktivist:innen deutlich, dass sie ihnen genau auf die Finger schauen wollen. „Uns ist wichtig, dass das Ganze nicht nur eine Show wird“, sagte Roland Stern von Extinction Rebellion Bremen. Man wolle eine Klimapolitik, die begreift, dass „der Planet keine Zeit mehr hat“.

Auch Yann Guillouet von Greenpeace Bremen ist skeptisch: Eigentlich sei klar, was passieren müsse, sagte er. „Wenn die Kommission jetzt dazu führt, dass es passiert, hat es sich aber gelohnt.“ Verkehrswende, Gebäudesanierung und den Umbau der Industrie nennt Guillot als drängendste Themen neben dem Kohleausstieg.

Man wird alle Hebel bis zum Anschlag ziehen müssen

Patrick Graichen, Agora Energiewende

Auch um zivilgesellschaftliche Akteur:innen einzubeziehen, hat die Kommision ständige Gäste zugelassen. Darunter sind Vertreter:innen der Bremer Kammern, des DGB, der Umweltverbände BUND und Nabu, der Verwaltung sowie von Fridays for Future (FFF). Sie alle sollen künftig ein Rederecht haben. Friederike Oberheim, Sprecherin von FFF Bremen, saß schon am Freitag im Publikum. „Es ist fraglich, ob es 18 Monate braucht, um Lösungen neu zu entdecken“, sagt sie bezüglich der Notwendigkeit einer solchen Kommission.

Der erste Anstoß, sie einzusetzen, lieferte spät im vergangenen Jahr ein gemeinsamer Antrag von CDU und FDP. Als Grund nennt Martin ­Michalik, klimapolitischer Sprecher der CDU-Fraktion und frisch gewählter Kommissionsvorsitzender, das Verfehlen der Bremer Klimaziele: Statt wie – auch auf Bundesebene geplant und ebenso verfehlt – ein Minus um 40 Prozent wird der Stadtstaat seine Emissionen bis zu diesem Jahr nur um 16 bis 20 Prozent gesenkt haben im Vergleich zum Ausstoß 1990.

„Alle möglichen Gesetze und Maßnahmen haben nichts gebracht, um dem Ziel näherzukommen“, sagt Michalik. Deswegen habe man eine Kommission mit unabhängigen Expert:innen schaffen wollen. Eines der relevanten Gesetze ist das Bremer Klimaschutz- und Energiegesetz (BremKEG). Ihm zufolge hätte der Senat bereits Ende 2018 ein Klimaschutzziel für das Jahr 2030 formuliert haben müssen.

Zu diesem Zweck sei ein Gutachten beim Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (IFEU) in Auftrag gegeben worden, erklärte Ronny Meyer den Kommissionsmitgliedern. Meyer ist Staatsrat bei der grünen Umweltsenatorin Maike Schaefer. Das Kernstück dieses Gutachtens, am Freitag vorgestellt durch Benjamin Gugel und Frank Dünnebeil vom IFEU, sind drei Klimaschutzszenarien; sie stellen das Bremer CO2-Einsparpotential dar.

Fertig gestellt wurde diese Expertise entgegen der gesetzlichen Vorgabe erst Anfang 2019 – Meyer zufolge war das zu kurz vor der Bürgerschaftswahl. Zu kurz vorher, um mit dem alten Senat noch politisch tätig zu werden. Mit der Regierungsbildung und einigen Inhalten des Koalitionsvertrages, etwa der autofreien Innenstadt, habe sich der politische Auftrag verändert, ebenso durch das Klimapaket der Bundesregierung. Also habe ein neues Gutachten hergemusst: Seit diesem Frühjahr sitzen die Expert:innen vom Heidelberger Institut an der Aktualisierung, das Ergebnis soll im Herbst vorliegen.

Obwohl etwaige Ergebnisse der Kommission rechtlich keine bindende Wirkung entfalten, hat sie letztlich das gleiche Ziel wie der Senat. „Dass die Legislative die Enquete-Kommission will, begrüßen wir – es ist aber nicht passend zu unserem Auftrag nach dem BremKEG“, stellte Bürgerschaftspräsident Meyer zur Eröffnung fest. Er sei vom Prozess „etwas irritiert“ gewesen. „Um dem Ergebnis der Enquete nicht vorzugreifen, haben wir den neuen Auftrag bewusst offen gehalten.“

Arbeit von Senat und Kommission zusammenbringen

Das neue Gutachten wurde daher ohne konkreten Maßnahmenkatalog beim IFEU bestellt; zahlreiche Kommissionsmitglieder kritisierten das prompt. Es scheint, als würden sich Parlament und Regierung mit der Enquete gegenseitig ausbremsen. Steht dahinter Misstrauen des Parlaments, was das Handeln des Senats angeht?

Von der „Kontrolle der Regierung“ spricht Kommissionskopf ­Michalik. Er glaube, dass der Klimaschutz mit der Enquete schneller vorankomme – und hofft zudem, am Ende bei sozial- und wirtschaftsverträglichen Maßnahmen zu landen: „Wir können nicht die armen Menschen mit Maßnahmen bestrafen, die ihre Existenz gefährden, nur um das Klima zu schützen“, so der Christdemokrat.

Einigkeit herrschte schnell darüber, dass die Klimachutz-Arbeit der Kommission und jene des Senats zusammenzubringen seien. Das Ergebnis einer ersten inhaltlichen Debatte, die nach dem IFEU-Vortrag aufkam, fasste Patrick Graichen vom „Denk- und Politiklabor“ Agora Energiewende so zusammen: „Man wird alle Hebel bis zum Anschlag ziehen müssen.“

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