Bremens CSD lädt die FDP aus: Ein Fest für Toleranz muss seine Feinde nicht begrüßen
Bremens FDP fühlt sich diskriminiert, weil sie nicht mit einem eigenen Truck am CSD teilnehmen darf. Der Grund ist aber ihre eigene Verbotspolitik.
A lle, wirklich alle dürfen mitlaufen bei der großen Bremer Christopher-Street-Day-Demo am 23. August. Alle, sogar die FDP: Das deutsche Versammlungsrecht lässt den Anmelder*innen – hier dem CSD-Verein – da wenig Spielraum. Sie müssen Teilnehmer*innen mit abweichenden, ja sogar gegensätzlichen Meinungen tolerieren. An einer Kundgebung gegen Mietwucher dürfte auch der komplette Vonovia-Vorstand teilnehmen. Er tut es bloß in der Regel nicht.
Die Bremer FDP will aber partout zum CSD. Also soll sie auch. Anders als die örtliche CDU darf sie sich aber nicht mit einem eigenen Truck einreihen. Das zuzulassen oder eben nicht, gehört zu den Pflichten der Organisator*innen. Die Absage hatte das Team nach langer interner Beratung beschlossen, auch nach Gesprächen mit den Betroffenen, die fruchtlos blieben.
Die FDP will Aufmerksamkeit
Was zu erwarten war. Denn die FDP ist vor allem an einem interessiert: mal wieder medial stattzufinden. Da kam ihr der Ausschluss gerade recht, dank seiner konnte sich der Vorsitzende der örtlichen Fraktion instamäßig in bester AfD-Manier als Opfer inszenieren. Folge: Sein Name tauchte endlich mal im Nachrichtenkanal der Deutschen Presse-Agentur auf und wurde von dort auf die Sites von Spiegel, Süddeutscher und Tagesspiegel gespült.
Die Bild delirierte gar wahrheitswidrig von einem „strikten CSD-Verbot“ für die Angehörigen der FD-Partei und ließ den erwähnten Vorsitzenden ausführlich über fehlende Toleranz jammern. Dabei wird er sonst selbst in Bremen immer vergessen, obwohl die FDP lokal doch so viel irrelevanter nicht ist als das Wasser, das aus einer Regentonne in Spaichingen, Baden-Württemberg, geklaut wurde, das war aber auch 15 Cent wert.
Anlass für die Truck-Absage war, dass die FDP in der Bürgerschaft ein Jahr zuvor – aber damals wollte sie halt noch nicht zum CSD – ein Gender-Verbot beantragt hatte: Sie forderte den rot-grün-roten Senat auf, „die Nutzung von Sonderzeichen als Wortbestandteil in der offiziellen Kommunikation sowie in der Schule zu unterbinden“, statt sie, wie bisher, liberal zuzulassen.
Hatte sie im Antrag selbst noch gesäuselt, ihr liege die „respektvolle Kommunikation mit allen Menschen, gleich welcher geschlechtlichen Identität“, am Herzen, verfiel die FDP in der Pressemitteilung ins Populistische: „Kein Gender-Unsinn mehr in Schulen und im öffentlichen Dienst“, blökte es da, und, lexikalisch stümperhaft: „die deutsche Sprache wird so verunglimpft“, ach!, wenn die Sprachkritiker*innen wenigstens die Bedeutung der Wörter kennten, die sie missbrauchen! Jedenfalls sei das Gendern grüne Ideologie. Und im Zweifel müsse halt „die Verwendung des weiblichen und des männlichen Begriffs“ reichen. Nichts dazwischen.
Rechtsextreme Methodik
Und nichts außerhalb: Diese sonst vor allem von rechten und rechtsextremen Parteien herbeigesehnte verpflichtende amtssprachliche Unsichtbarmachung nonbinärer Personen haben diverse Obergerichte als unvereinbar mit dem Gleichbehandlungsgesetz erkannt. Folgt man der Darstellung der Antidiskriminierungsbeauftragten des Bundes, muss das, was die FDP in Bremen angezettelt hat, als Kampf gegen queere Menschen gelten, gegen ihr Grundrecht auf Nichtdiskrimierung und gegen ihren personalen Achtungsanspruch.
Also gegen alles, wofür der CSD in Bremen steht – und demonstrieren will: „Unsere Rechte werden in Frage gestellt und unsere Sichtbarkeit wird angegriffen“, erinnert die Homepage an die verschärften Bedingungen, unter denen sich das Team bemüht, eine Feier der Vielfalt zu gestalten. Niemand muss Herbert Marcuse gelesen haben, um zu kapieren: Die Angreifer extra einzuladen, das wäre falsche Toleranz.
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