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Bremens AfD sucht SchuldigenStrafe muss sein

Bremens AfD laboriert immer noch an dem Streit, der zu konkurrierenden Wahllisten und dem Ausschluss von der Bremer Bürgerschaftswahl geführt hat.

Tief zerstritten: Landesvize Sergej Minich und „Notvorstand“ Heinrich Löhmann Ende März 2023 Foto: dpa | Sina Schuldt

D er Streit hält bei der Bremer AfD weiter an, obwohl die vergangene Landtagswahl schon einige Monate her ist. Daran durfte sie im Mai nämlich nicht teilnehmen: Weil es zwei innerparteilich konkurrierende Wahllisten gab, hatte die Wahlleitung die Kandidatur der selbsternannten Alternative untersagt – erstmals seit der Parteigründung misslang deshalb ein Antritt zu einer Wahl.

Kommt Zeit, kommt Ruhe? Nicht bei der AfD. In dem Landesverband – derzeit ohne offiziellen Landesvorsitzenden – wird seitdem nicht nur nach den Verantwortlichen für dieses Desaster gesucht – sie sollen auch Konsequenzen spüren.

„Die Nichtzulassung der AfD zur Bürgerschaftswahl in Bremen stellt einen schweren Schaden für die Partei dar“, beklagen der stellvertretende Landesvorsitzende Sergej Minich und die Schriftführerin Antje Zeller. Mit Unterstützung von AfDlern auch aus anderen Landesverbänden meinen sie die Schuldigen dafür gefunden zu haben. Die Nichtzulassung zur Wahl sei „maßgeblich erst durch das missbräuchliche Handeln der Schiedsgerichtsbarkeit möglich“ geworden.

In einem der taz vorliegenden Antrag zum am vergangenen Wochenende stattgefundenen Bundesparteitag fordern die Delegierten um Minich, dass „Schiedsrichter Martin Braukmann sein Amt“ freiwillig abtreten soll.

Die Schuld, dass die AfD nicht zur Bremer Wahl antreten durfte, sieht der Notvorstand beim Vorsitzenden des Bundesschiedsgericht

Auf drei Seiten legen sie im Antrag dar, warum der dem sächsischen Landesverband angehörende Braukmann für die Nichtzulassung zur Landtagswahl verantwortlich sei. Denn Braukmann soll als Vorsitzender des zuständigen Bundesschiedsgericht der Partei den sogenannten Notvorstand des Vorsitzenden Heiner Löhman und des Schatzmeisters Frank Magnitz unterstützt haben. Doch der „Rumpfvorstand“ um Minich sei eigentlich der legitime Landesvorstand gewesen.

Zuvor hatte sich die Bremer AfD so zerstritten, dass zwei Lager entstanden waren, die zu zwei Vorständen führten. Die Folge: Zwei Vorstände legten zwei Listen für eine Wahl vor. Die Wahlleitung hatte früh klar gemacht, dass nur ein Liste vorgelegt werden dürfe. Der Bitte um interne Klärung kamen die Kontrahenten nicht nach.

Profitiert hatte vom Zwist dann die Partei „Bürger in Wut“: Ohne Konkurrenz vom weit rechten Bereich erreichte sie zehn Prozent. Seit dieser einmaligen Wahl-Konstellation hoffen die Wut­bür­ge­r*in­nen, die sich derweil in „Bündnis Deutschland“ umbenannt haben, bei weiteren Wahlen Erfolgen erzielen zu können.

Der Antrag zum AfD-Parteitag spiegelt aber auch die Ambitionen von Minich und Zellner wider, beide wollen nicht die Verantwortung für das Wahldebakel übernehmen, stattdessen künftig den Landesverband unangefochten anführen.

Der Antrag blieb anscheinend aber ohne Wirkung: Auf der AfD-Webseite wird Braukmann weiterhin als Vorsitzender angegeben. Der Streit dürfte damit aber noch nicht zu Ende sein – auch wenn Minich eine Anfrage der taz dazu nicht beantwortete.

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Andreas Speit
Autor
Rechtsextremismusexperte, Jahrgang 1966. In der taz-Nord schreibt er seit 2005 die Kolumne „Der Rechte Rand“. Regelmäßig hält er Vorträge bei NGOs und staatlichen Trägern. Für die Veröffentlichungen wurde er 2007 Lokaljournalist des Jahres und erhielt den Preis des Medium Magazin, 2008 Mitpreisträger des "Grimme Online Award 2008" für das Zeit-Online-Portal "Störungsmelder" und 2012 Journalisten-Sonderpreis "TON ANGEBEN. Rechtsextremismus im Spiegel der Medien" des Deutschen Journalistenverbandes und des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. Letzte Bücher: herausgegeben: Das Netzwerk der Identitären - Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten (2018), Die Entkultivierung des Bürgertum (2019), mit Andrea Röpke: Völkische Landnahme -Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos (2019) mit Jena-Philipp Baeck herausgegeben: Rechte EgoShooter - Von der virtuellen Hetzte zum Livestream-Attentat (2020), Verqueres Denken - Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus (2021).
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2 Kommentare

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  • Wurde die AfD deshalb nicht zugelassen, „Weil es zwei innerparteilich konkurrierende Wahllisten gab“? Dann könnte ja jede Partei dadurch aus dem Wahlprozess gekickt werden, dass mehr oder weniger irgendjemand eine zweite Wahlliste einreicht.



    Ich erinnere mich hingegen so, dass keine Wahlliste vorlag, die den gesetzlichen Bestimmungen an innerparteiliche Demokratie entsprach, weil die Einladungen zu den Wahlparteitagen nicht korrekt waren: Bei der einen Liste hat ein nicht befugter Vorstand agiert, bei der anderen fehlte die schriftliche Einladung an alle Mitglieder.

    • @o_aus_h:

      Die Wahlbereichsleiterin hatte in der Tat die rechtlich sehr angreifbare Auffassung vertreten, dass bereits das Vorliegen der zwei Listen zur Nichtzulassung beider führen müsse. Der Landeswahlleiter (und mit ihm der Landeswahlausschuss) hat dann aber die Listen zum Glück mit der anderen, rechtlich viel plausibleren Begründung zurückgewiesen. Der Staatsgerichtshof hat sogar bereits im Eilverfahren erkennen lassen, dass er sich dieser Begründung anschließt.