Bremen reformiert Kantinenkost: Bio-Fleisch bald Pflicht
In Bremer Schulen, Kitas und Kantinen sollen Fleisch, Milch und Käse künftig aus der Bio-Produktion stammen. Das will der Senat noch im Januar beschließen.
„Es ist davon auszugehen, dass eine Umstellung auf Bioprodukte nur durch eine Reduzierung des Fleischanteils der angebotenen Speisen möglich ist“, heißt es dazu in einem 10-seitigen Aktionsplan, auf den die Senatsvorlage verweist. Darin ist die Umstellung der Gemeinschaftsverpflegung der Stadt auf „gesunde Ernährung“ bis 2025 schrittweise beschrieben.
Gelten sollen etwa die Standards der EG-Verordnung 834/2007 für ökologische-biologische Produktion. Begleitet wird die Umstellung durch eine Arbeitsgruppe der Ressorts. In Schulen soll stärker auf die Einhaltung von Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung geachtet, in Betriebskantinen und Kindertagesstätten sollen diese überhaupt erst eingeführt werden.
Ebenso in Krankenhäusern: Das Fleisch und der Käse dort sind von der Bio-Umstellung allerdings weitestgehend ausgenommen. Denn in den kommunalen Kliniken der Gesundheit-Nord hält man eine überwiegende Abkehr vom Billigfleisch für zu teuer.
Eine Einschätzung, der sich die Gesundheitssenatorin angeschlossen hat. Bis 2024 soll sich der Anteil von Bio-Lebensmitteln im Krankenhaus daher schrittweise nur auf 20 Prozent erhöhen – angepeilt waren ursprünglich mal 75 Prozent.
Bürgerschaft befasst sich mit Bürgerantrag
Insgesamt sind von der Umstellung laut „Agrarpolitischem Bündnis Bremen“ täglich 50.000 Tischgäste betroffen, darunter 14.000 Kinder und – wenn nun auch nur in abgespecktem Umfang – 2.500 PatientInnen.
Das Bündnis, ein Zusammenschluss aus lokalen Initiativen und Nichtregierungsorganisationen, hatte das Anliegen in Bremen überhaupt erst auf den Tisch gebracht. Zwar hatten sich auch SPD und Grüne in ihrem Koalitionsvertrag auf eine „ökologisch-soziale Transformationspolitik“ geeinigt. Aber erst die Unterschriften von 5.383 Menschen zwangen die Bürgerschaft 2015 mit einem Bürgerantrag, sich mit dem Thema zu befassen. Die Parlamentarier beschlossen im September 2016 eben das: Eine Umstellung der öffentlichen Gemeinschaftsversorgung auf biologisch-ökologisch erzeugte tierische Produkte
AktivistInnen warten auf die Umsetzung
Seitdem warteten die AktivistInnen auf Umsetzung, zuletzt protestierten sie am Dienstag vor dem Rathaus. Es war Umweltsenator Joachim Lohse (Grüne), der ihnen bei der Gelegenheit den bevorstehenden Vollzug verkündete.
Jan Saffe, ernährungspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, begrüßt das ausdrücklich. „Wenn es umgesetzt wird, ist Bremen richtig weit“, sagte er. Die Stadt leiste damit ihren Beitrag zur Agrarwende. „In Bremen selbst gibt es zwar keine Massentierhaltung, aber wir sind über die Beschaffung im Spiel“, so Saffe.
Der Grünen-Politiker verweist auf die Dimension der Umstellung. „Das ist ein Riesen-Ding.“ Vielerorts müssten Schulungen gemacht werden, teilweise wäre in den Kantinen überhaupt nicht bekannt, wo die Lebensmittel herkommen.
Bio-Produkte sehr unterschiedlich verbreitet
Tatsächlich ist die Verwendung von Bio-Produkten in der öffentlichen Gemeinschaftsverpflegung Bremens sehr unterschiedlich verbreitet. Das ist das Ergebnis einer Analyse, die der Umweltsenator im Zuge des Bio-Vorhabens bei der Firma „esscooltur“ in Auftrag gegeben hatte. Befragt wurden dafür 50 Kindertagesstätten, 51 Schulen, sowie die Geno-Krankenhäuser und vier öffentlichen Betriebskantinen.
Von Schule zu Schule schwankt demnach der Anteil von Bio-Essen bislang sehr, durchschnittlich liegt er bei 30 Prozent. In den öffentlichen Kitas liegt der Bio-Anteil bisher bei 10 Prozent, dafür aber oft Fleisch.
In Krankenhaus-Kantinen hingegen spielen Bio-Zutaten überhaupt nur in einem „untergeordneten Umfang“ eine Rolle, und zwar: „aus Beschaffungs- und Kostengründen“. Ein gar „umfassender Handlungsbedarf“ wurde für die Betriebskantinen festgestellt: Qualitätsstandards für das Essen seien hier bislang „nicht vereinbart“: „Die Angebote und Produktionsabläufe sind hochgradig auf Fertig-Produkte abgestellt.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers