Braune Soße im Wilhelm-Koch-Studio

■ Wird St.-Pauli-Stadion wegen Nazi-Vergangenheit von Ex-Präsident Wilhelm Koch umbenannt?

Da verschlug es selbst Christian Hinzpeter die Sprache. „Dazu kann ich nichts sagen“, meinte der sonst so eloquente Vize-Präsident des FC St. Pauli, als er Freitag abend von der taz zur geforderten Umbenennung des Wilhelm-Koch-Stadions befragt wurde.

Durch eine Indiskretion wurde bereits vorvorgestern bekannt, daß das FC-Mitglied Ronny Galczyn-ski am kommenden Freitag auf der Jahreshauptversammlung einen brisanten Antrag stellen wird. Der 39jährige fordert, die seit 1970 nach dem im Jahr zuvor verstorbenen Ex-Präsidenten Wilhelm Koch benannte Spielstätte in „Stadion am Millerntor“umzuwidmen. Als Grund nannte Galczynski gestern gegenüber der taz Kochs Mitgliedschaft in der NSDAP (siehe auch Interview unten).

Der freie Journalist René Martens hatte in seinem kürzlich erschienenen St.-Pauli-Buch „You'll never walk alone“(Verlag Die Werkstatt) erstmals über Kochs Zugehörigkeit zur Nazi-Partei berichtet (siehe taz vom 10. Oktober). Zudem habe Koch, Vereinschef von 1931 bis 1945 bzw. von 1947 bis 1969, sein Vermögen „zu einem gewichtigen Teil den Nazis zu verdanken“, behauptet Martens.

Unbestritten ist Kochs Mitgliedschaft in der NSDAP. Wie sich aus den der taz vorliegenden Unterlagen der britischen Militärregierung ergibt, war der „vermeintliche Gottvater“(Martens) von 1937 bis 1945 Mitglied der NSDAP. Des weiteren gehörte Koch dem NS-Reichsbund für Leibesübungen an. Das im Herbst 1945 begonnene Entnazifizierungs-Verfahren überstand Koch schadlos: Er wurde am 22. Januar 1947 als „nur Mitläufer“eingestuft. Das Betätigungsverbot als Präsident des FC St. Pauli wurde aufgehoben, der beliebte Koch alsbald von den braun-weißen Mitgliedern wiedergewählt.

Nicht ganz so eindeutig ist das Verhalten Kochs auf privatwirtschaftlichem Gebiet zu bewerten. Zwar steht in einem Eintrag des Handelsregisters Hamburg vom 12. Oktober 1933: „Die Vertre-tungsbefugnis der Geschäftsführer E. Arensberg und J. W. Sekel ist beendet. Wilhelm Koch und Hugo Scharff, Kaufleute zu Hamburg, sind zu Geschäftsführern bestellt worden.“

Die genauen Umstände jedoch, wie aus den Prokuristen Koch und Scharff die Inhaber der Felle- und Häutehandelsfirma wurden, sind nicht belegt. Hat Koch den Betrieb im Rahmen der „Arisierung“jüdischen Besitzes einfach nur „übernommen“? Oder wurden die ehemaligen jüdischen Besitzer, die nach Schweden flohen, doch von ihm angemessen entschädigt?

Auch diese Fragen will das Präsidium des FC St. Pauli klären, ehe es offiziell Stellung beziehen möchte. Eines stellte Vize Hinzpeter jedoch schon einmal klar: „Das ist eine diffizile Sache, die wir nicht ohne die Mitglieder entscheiden wollen.“ Clemens Gerlach