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Brauchen wir dieses Gesetz?

Die neue Übersichtlichkeit bei den Aufenthaltstiteln ist zu begrüßen. Die Verschärfungen im rot-grünen Zuwanderungsgesetz jedoch sind integrationsfeindlich. Sie beschädigen das ohnehin nicht sehr starke Vertrauen der Migrantinnen und Migranten in die deutsche Mehrheitsgesellschaft. Lieber kein Zuwanderungsgesetz als dieses Gesetz, meint SAFTER CINAR

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Wie bei der Staatsangehörigkeit ist die rot-grüne Regierung dabei, das Gegenteil von dem zu realisieren, was sie ursprünglich bekundet hatte: Kein modernes, weltoffenes Zuwanderungs- und Integrationsgesetz steht im Bundesrat zur Abstimmung, sondern eine durch das Kompromissangebot an die Union weiter verschärfte und verwässerte Version des ohnehin restriktiven Schily-Entwurfs.

Zielsetzung des Gesetzes ist die „Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland“. Das wird naturgemäß dazu führen, dass Verwaltung und Gerichte in Ermessens- und Konfliktfällen restriktiv entscheiden werden. Das Gesetz enthält differenzierte Regelungen für den Zuzug von (hoch qualifizierten) Fachkräften. Das ist aber auch nach geltendem Recht bereits möglich (siehe Green-Card-Regelung).

Die neue Übersichtlichkeit bei den Aufenthaltstiteln, also eine befristete Aufenthaltserlaubnis bzw. eine unbefristete Niederlassungserlaubnis, ist zu begrüßen. Die positive Verringerung der für die Niederlassungserlaubnis erforderlichen Aufenthaltsdauer von acht auf fünf Jahre wird überlagert von der Verschärfung weiterer Bedingungen. Jetzt werden nicht mehr „einfache“, sondern „ausreichende“ Deutschkenntnisse verlangt. Es müssen „Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet“ nachgewiesen werden, was nicht einmal bei der Einbürgerung der Fall ist.

Entgegen der Empfehlung der Süssmuth-Kommission, das Zuzugs-alter für Kinder vom bisher 16. auf das 18. Lebensjahr anzuheben, wird es als Kompromissangebot an die Union auf 12 Jahre gesenkt. Bei einem deutschen Elternteil oder einem aus EU-Mitgliedsstaaten kann das Zuzugsalter schon von Rechts wegen nicht unter 18 gesenkt werden. Auch die hoch qualifizierten Neuzuwanderer sollen ihre Kinder bis zur Volljährigkeit mitbringen dürfen. Dieses Zweiklassenrecht für den Kindernachzug ist verfassungsrechtlich fragwürdig, weil es einen massiven Eingriff in das Entscheidungsrecht der Eltern bedeutet. Die Argumentation von Innenminister Schily und der Union – je jünger die Kinder zuziehen, desto besser ihre Integrationschancen – ist weder neu noch wahr. Dazu die Süssmuth-Kommission: „… dass bei türkischen Jugendlichen, die erst im späten Alter, aber im Anschluss an eine abgeschlossene Ausbildung nach Deutschland gekommen sind, auch gute Integrationschancen festgestellt wurden.“

Otto Schily sieht nicht einmal eine Einschränkung der Abschiebung für in Deutschland geborene und/oder aufgewachsene Jugendliche entsprechend dem Vorschlag der Süssmuth-Kommission vor.

Auch die Integration wird nunmehr nicht so groß geschrieben wie im ursprünglichen Entwurf. Die Kurse für bereits hier lebende Einwanderer wurden gestrichen, für Neuankömmlinge sollen sie nur noch „zur Erlangung ausreichender Sprachkenntnisse“ führen, bei der gesellschaftlichen Orientierung legt man sich nicht mehr auf eine Stundenzahl fest. Anstelle von Anreizen zur Teilnahme droht bei Nichtteilnahme eventuell sogar die Ausweisung. Dabei ist es verfassungsrechtlicher Unfug, zugezogene Ehepartner/-innen wegen Nichtteilnahme ausweisen zu wollen.

Diese massiven Verschärfungen sind integrationsfeindlich, sie beschädigen das ohnehin nicht sehr starke Vertrauen der Migrantinnen und Migranten in die Mehrheitsgesellschaft. Rot-Grün hat es trotzdem der Union nicht recht machen können, weil die Union kein Interesse an einer Einigung hat. Deshalb: Lieber kein Zuwanderungsgesetz als dieses Gesetz. Auch auf die Gefahr hin, scheinbar mit Stoiber auf der gleichen Seite zu stehen.

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