Brandsatz bei Syndikat-Protest: Vorverurteilung durch die Polizei
Wurde bei den Protesten gegen die Räumung des Syndikats ein Molotowcocktail gebaut? Bewiesen ist nichts, doch Anschuldigungen kursieren.
Auf einem weiteren Bild ist zu sehen, wie ein Polizist die Flasche in den Händen hält. Die Polizei teilte dazu mit, dass gegen 9.30 Uhr eine Frau dabei beobachtet worden sei, die „augenscheinlich einen Molotov-Cocktail herstellte“. Sie sei geflüchtet, „bevor die Einsatzkräfte sie ansprechen konnten“, später jedoch wiedererkannt und ihre Personalien seien festgestellt worden. Beschlagnahmt wurde die Flasche, ein Kanister mit brennbarer Flüssigkeit und zwei Kleidungsstücke der Verdächtigen. Im Raum steht ein Verstoß gegen das Waffengesetz,
Für einige Polizisten ist die Angelegenheit – und auch die Feindbestimmung linke Szene – damit bereits geklärt. Der Vizechef der Berliner Gewerkschaft der Polizei, Stephan Kelm, sagt der B.Z.: „Wir haben es mit Personengruppen zu tun, die ohne jedes Zögern auch Molotow-Cocktails werfen würden. Auch am Freitag sind Personen beobachtet worden, die solche Brandsätze bauten.“
Empfohlener externer Inhalt
Anders als Kelm es suggeriert, gehört das Werfen von Molotowcocktails aber keineswegs zum Standard-Repertoire der Szene. Der letzte öffentlich bekannte Fall, in dem ein Brandsatz gegen ein besetztes Polizeiauto geworfen wurde, ereignete sich in der Nacht nach dem 1. Mai 2009. Seitdem wurden Brandsätze nur noch vereinzelt gegen leere Autos oder Gebäude geworfen; mehrfach traf es Regierungsgebäude, vermutlich Taten mit rechtsextremem Hintergrund.
Keine Aufklärung
Dass eine unvermummte Person in aller Öffentlichkeit einen Brandsatz baut und zum Einsatz bringen will, wäre ein zumindest höchst ungewöhnlicher Vorgang. Aufklärung darüber könnte die Polizei geben, indem sie sagt, ob sich in der Flasche tatsächlich eine entzündliche Flüssigkeit befand oder doch nur Bier. Die teilt auf Nachfrage aber mit, dies sei „Gegenstand laufender Ermittlungen“, die noch andauern würden, da eine „Dringlichkeit nicht gegeben“ sei. Dass mit dem Verdacht aus ihren Reihen längst Politik gemacht wird, spielt offensichtlich keine Rolle.
Politik macht auch die Direktion 5 der Berliner Polizei, zuständig für die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte und Neukölln. In ihrer aktuellen Mitgliederzeitschrift hat sie Zuschriften veröffentlicht, die einem polizeilichen Mäßigungs- und Neutralitätsgebot zuwider laufen. In einer ist die Rede von einer „Meute von Randalierern“, in einer anderen bedankt sich jemand, dass die Polizei „endlich die Linksradikalen (Syndikat usw.) aus meinem schönen Schillerkiez vertreiben“. Auf Nachfragen, nach welchen Kriterien die Zuschriften ausgewählt wurden und inwiefern sie für eine Polizei-Publikation adäquat sind, erhielt die taz keine Antwort.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Sensationsfund Säbelzahntiger-Baby
Tiefkühlkatze aufgetaut