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Brandenburger AfD unter BeobachtungAbsolut überfällig

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Der Verfassungsschutz stuft den Brandenburger Landesverband der AfD als rechtsextremen Verdachtsfall ein. Das setzt die Partei unter Druck.

Auch auf Elektroautos haben Brandenburger AfDler keinen Bock Foto: Paul Zinken/dpa

D er Brandenburger Verfassungsschutz hat den Landesverband der AfD als Verdachtsfall einer rechtsextremen Bestrebung eingestuft und zieht damit mit Thüringen gleich. Endlich, möchte man sagen, das war lange überfällig. Brandenburg ist eines der Kernländer des rechtsextremen „Flügels“ der AfD. Und dessen mächtigster Strippenzieher, Andreas ­Kalbitz, ist unangefochtener Anführer der Partei in Brandenburg.

Daran ändert auch nichts, dass der AfD-Bundesvorstand jüngst mit knapper Mehrheit Kalbitz’ Parteimitgliedschaft annulliert hat. Nicht mit der Begründung, dass Kalbitz ein erwiesener Rechtsextremist ist, sondern aus formalen Gründen, versteht sich. Partei und Fraktion in Brandenburg, von Kalbitz jahrelang auf „Flügel“-Kurs eingeschworen, haben sich umgehend hinter ihren Anführer gestellt. Von Distanzierung keine Spur.

Und doch deutet einiges darauf hin, dass die Beschlüsse des AfD-Bundesvorstands, Kalbitz aus der Partei zu werfen und den „Flügel“ zu verdonnern, sich formal aufzulösen, mildernden Einfluss auf die Entscheidung in Brandenburg gehabt haben könnten – es also nicht gleich zur Einstufung als erwiesene rechtsextreme Bestrebung kam. Das wäre durchaus möglich gewesen.

Denen um Parteichef Jörg Meuthen, die versuchen, die Partei zumindest ein bisschen nach rechts abzugrenzen, wird das wenig nutzen. Die AnhängerInnen des „Flügels“ und ihre UnterstützerInnen im Bundesvorstand, darunter Meuthens Co-Chef Tino Chrupalla und die Vorsitzende der Bundestagsfraktion Alice Weidel, werden den Vorgang anders deuten. Dass es egal sei, was die AfD tue – der Verfassungsschutz sei ohnehin von der Bundesregierung instrumentalisiert. Und sie werden dies im parteiinternen Machtkampf nutzen.

Machtkampf mit dem „Flügel“

Dass der sich in den vergangenen Wochen so zugespitzt hat, liegt allerdings durchaus am Verfassungsschutz – auch wenn dieser in Sachen AfD stets zögerlich und spät agiert. Die Einstufung des „Flügels“ und des Thüringer Landesverbands haben in der Partei eine enorme Dynamik entfacht. Denn die Angst ist groß, dass auch die Gesamtpartei vom Verfassungsschutz eingestuft werden könnte. Für BeamtInnen, die einen Eid auf die Verfassung geschworen haben, könnte das dann ein Problem werden und entsprechend abschrecken.

So nah an der Spaltung wie heute war die AfD seit 2015 nicht mehr. Ob es am Ende aber wirklich dazu kommt oder nicht nur Einzelne die Partei verlassen werden, ist offen. Das aber hängt letztlich nicht vom Verfassungsschutz ab, sondern vor allem von den WählerInnen. Immerhin: In den letzten Umfragen liegt die Partei bundesweit nur noch bei 8 Prozent.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
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3 Kommentare

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  • Für die AfD-Mitläufer gilt:



    die hetzenden Reden zu verstehen und ihre Gefühle zu reflektieren; ihre Wahrnehmung zu überprüfen: werden sie wirklich von äußeren Feinden bedroht? - und möglichst Menschen aus anderen Welten kennenzulernen.



    Wenn daraufhin die ideologisch Geblockten unter sich bleiben, hat die Zivilgesellschaft gegen den Rechtspopulismus gewonnen.



    Gegen die Normalisierung der nationalistischen und autoritären Aggression.

  • Absolut überfällig: deutschlandweit!

  • Unter 0,8 Prozent wäre noch besser.