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Brand in Textilfabrik in BangladeschFortschritt und Elend

In der abgebrannten Fabrik wurde auch für C&A produziert. Menschen starben. Bessere Sicherheitsvorkehrungen? Aber nein. Es geht um die Rendite.

So sollte er aussehen, der Herbst und Winter bei C&A. Nicht eingeplant: Brände in Bangladesch. Bild: dapd

Am Samstag starben mehr als 100 NäherInnen beim Brand einer Textilfabrik in Bangladesch, die unter anderem für das deutsche Unternehmen C & A produziert. Hindern uns solche Nachrichten nun daran, bei C & A, H & M oder Adidas einzukaufen? Eher nicht.

Denn selbst für Weltverbesserer gäbe es gute Argumente zugunsten des Einkaufs im normalen Geschäft. Das mag erstaunlich oder zynisch klingen. Doch durch die Globalisierung sank seit Beginn der 1980er Jahre weltweit die absolute Zahl der Armen, ebenso wie ihr Anteil an der Weltbevölkerung.

In vielen Entwicklungsländern wurden neue Fabriken gebaut. Dort verdienen Millionen Menschen erstmals einen Arbeitslohn. Industrialisierung bedeutet beides – Fortschritt, aber auch neues Elend.

70 Stunden die Woche

An die beklagenswerte Seite der Globalisierung allerdings denken Verbraucher hierzulande zu selten. Sie sieht so aus: Die Arbeiterinnen und Arbeiter in den Textil-, Schuh- und Handyfabriken erhalten oft Löhne, die für sie und ihre Familien nicht zum Leben reichen.

Sie arbeiten deshalb bis zu 70 Stunden pro Woche. Hunderte teilen sich eine Toilette, Dutzende den überfüllten Schlafsaal im Wohnheim. In den Fabriken fehlen Notausgänge, Feuerlöscher und Belüftungsanlagen. Nicht selten werden besonders die Arbeiterinnen von ihren Vorgesetzten erniedrigt.

Warum ist so etwas möglich? Schließlich gibt es die weltweiten Mindeststandards der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD), der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und der Vereinten Nationen, die allzu miese Arbeitsbedingungen verhindern sollen.

Und auch Unternehmen wie C & A, Otto, Peek & Cloppenburg, H & M und KiK haben sich eigene Sozialstandards verordnet. Vom Einzelfall abgesehen, besteht jedoch häufig ein Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Manche Staaten und Firmen setzen nicht wirklich um, was da auf dem Papier steht.

Sozial- und Ökostandards

Beispiel Kontrollen: In der Textil- und Elektronikbranche ist es mittlerweile üblich, dass die Handelskonzerne in Europa und den USA regelmäßig überprüfen lassen, ob ihre Zulieferfirmen in den Entwicklungs- und Schwellenländern die Sozial- und Ökostandards einhalten. Mitunter aber kündigen die Kontrolleure ihre Besuche vorher an. Oder sie drücken ein Auge zu, wenn die Notausgänge verstellt sind und ein neues Fabrikgebäude zu wenige Fluchtwege aufweist.

Oft erstrecken sich die Visiten auch nur auf die größten Zulieferer. Die Hunderte von kleinen Buden, die die großen Konzerne mit Halbfertigprodukten versorgen, werden dagegen nicht kontrolliert.

Zudem neigen Handelskonzerne zur Doppelmoral. Ihre Ziele widersprechen einander. Einerseits möchten die Firmen fair sein, andererseits aber auch viel Geld verdienen – also reservieren sie sich zum Beispiel zweistellige Gewinne für sich selbst. Von ihren Auftragnehmern verlangen sie, schnell und extrem günstig zu liefern.

Wegen des Kostendrucks fällt es den Fabrikbesitzern in den Entwicklungsländern schwer, die Sozialstandards einzuhalten. Und natürlich wollen auch die Zulieferer noch eine eigene Rendite erwirtschaften.

10 bis 20 Cent

Dieser kombinierte Druck geht zulasten der ArbeiterInnen. Gisela Burckhardt von der Kampagne für Saubere Kleidung schätzt, dass die Beschäftigten in den Textilfabriken von Bangladesch 0,5 bis 1 Prozent dessen als anteiligen Arbeitslohn erhalten, was ein T-Shirt für Verbraucher in deutschen Geschäften kostet. Von 20 Euro wären das 10 bis 20 Cent.

Die Konzerne argumentieren, sie könnten den ZulieferarbeiterInnen nicht mehr zahlen, weil die Endkunden höhere Preise nicht tolerierten. Angesichts der ohnehin geringen Euro- oder manchmal auch nur Cent-Beträge ist diese Behauptung lächerlich – einerseits.

Andererseits: Jagen nicht die meisten von uns nach Produkten zu kleinen Preisen und ignorieren die Alternativen von Fairtrade? Am besten wäre es natürlich, man müsste gar nicht nach Alternativen schauen. Ein Anfang wäre es da, wenn ein paar Konzernbosse etwas weniger auf ihre Rendite schielen würden.

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18 Kommentare

 / 
  • TL
    Tim Leuther

    @Blumenfee

     

    Wichtig ist aber das weiter IN Bangladesh hergestellt wird, nur zu besseren Bedingungen.

     

    Die Luxushersteller haben hier natürlich mehr Ressourchen und es ist auch einfacher mit der Kontrolle wegen den geringeren Stückzahlen.

  • B
    Blumenfee

    Die Ereignisse in Bangladesh sind schlimm. Komischerweise werden aber nur solche Firmen angeprangert, wo der geringverdienende, arbeitslose dir Möglichkeiten hat, überhaupt einkaufen zu gehen. Lassen teurere Markenhersteller (Boss, Lacoste etc. nicht auch in Bangladesh herstellen?

     

    Wenn einkaufen nach ökolokischen Standards, dann doch bitte auch die Preise dementsprechend. Öko kann nicht nur das Privileg elitärischer Kreise und Schickeria sein, nur damit diese Schicht wieder meint, einen Grund finden zu können, auf den Hartz IV Empfänger herumzuhacken, dass er Mitschuld an der Misere zb. in Bangladesh habe.

     

    Wer möchte denn nicht gerne per guter Qualität einkaufen, kann es aber aus ökonomischen Gründen nicht.

  • TL
    Tim Leuther

    @Öko Fritz

    NEIN! Sklaven werden ihrer Freiheit beraubt, und ausgebeutet.

     

    Hier kann man den "Westen" nur vorwerfen die Armut in Bangladesh auszunutzen, sie nicht durch den Handel genug abzumildern, man kann ihnen nicht vorwerfen Sie zu erzeugen. Die Armut in Bangladesh hat die Ursache in Bangladesh.

     

    Die Forderung an einen Sklavenhalter ist: Lass die Sklaven frei. Übersetzt hieße dies hier: Produziert dort nicht a.k.a. Boykottiert Bangladesh. Das wäre aber noch inhumaner als die Arbeitsbedingungen. siehe unten.

  • TL
    Tim Leuther

    Sehr gutes und differenziertes Radiointerview zu den Thema:

     

    http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/interview/1935278/

  • TL
    Tim Leuther

    Das Argument mit den 10 bis 20 cent kann ich aber nicht so richtig verstehen. Fair Trade ist eher doppelt oder drei mal so teuer wie 10 bis 20 cent. Und ob jetzt ein Kleidungsstück statt 10 Euro 10,20 Euro oder 25 Euro kostet macht einen Unterschied.

     

    Fakt ist doch das man die ganze Lieferkette unter Kontrolle haben muss, bis zu den einzelnen Lohnabrechnungen um die 10 bis 20 Cent zu durchzusetzen. Und die Branche funktioniert meines wissens mit lauter Subunternehmern und oft kleineren Fabriken. Das ist nicht wie bei Foxconn. Es reicht ja nicht 20 Cent mehr für ein T-Shirt zu zahlen und das Versprechen auf faire Belohnung abzuholen. Es solls geben, aber tatsächlich könnte man als Einkäufer angelogen werden.

  • A
    aleister

    in diesem zusammenhang sind natürlich auch die schönungen im gerade vorgestellten armutsbericht des arbeitsministeriums zu sehen.

     

    es erscheint so, als würden sich beide aspekte gegenseitig bedingen und sind vom politisch-industriellem komplex genau so gewollt. globalisierte preisdrückerei und sklavenhaltertum also als ein mittel der existenzsicherung des immer größer werdenden prekariats in der ersten welt, zur ruhigstellung der masse bei gleichzeitiger radikaler gewinnprivatisierung.

     

    leider wird dieser zusammenhang so gut wie gar nicht thematisiert. stattdessen hört man in all der gestrigen empörung der bildungsbürgerlichen, zu diesem thema nur so qualifizierte wortmeldungen, wie zbsp im d-radio irgendwelche norddeutschen philosophieprofessoren (mit dementsprechenden gehalt), die dann der allgemeinheit mit gelangweilter stimme raten doch auf den kauf einer 12-euro-jeans zu verzichten, da dieser preis ethisch nicht vertretbar ist und doch lieber 2 oder 5 oder 10 euro mehr (also super ethisch!) auszugeben, weil das dann "ein besseres gefühl gibt". also ehrlich...eine grundlegendere analyse wäre wünschenswert und nicht immer nur dieses lauwarme "der verbraucher muß sich informieren!". der verbraucher wird gezielt getäuscht (siehe u.a. auch stiftung warentest)

  • AA
    @ andreas

    was für ein dummdreister Kommentar, an Dämlichkeit nicht zu überbieten...

  • T
    Taschengeld

    Ist dieser Artikel das Referat eines Siebenjährigen, dem man etwas Sand in die Augen gestreut hat?

     

    Wie kann man ernsthaft so etwas schreiben?

     

    Wieviel Taschengeld kriegt der Schreiber denn?

     

    Kleiner Gedankenstoß für die Grundschule:

     

    Wie wär es, denn unsere Kleidung z. B. wieder in D produzieren zu lassen und sich mal mit den kapitalistischen Grundübeln zu beschäftigen?

    Und nicht irgendetwas Vorgeplaudertes wiederzugeben?

    Oder ist das zu anspruchsvoll?

     

    Schon mal was von Ökobilanz gelesen oder von Klima Katastrophe gehört? Sich schon mal "ernsthaft" mit den Ländern der "dritten Welt" beschäftigt?

     

    Nichts für ungut.

  • B
    Bonk

    Follow the money.

    Irgendwo müssen die hohen margen ja hängen bleiben.

  • N
    naseweiser

    Schuld ? Schuld sind immer andere . Letztlich wir alle . Oder "das System" . Und damit niemand . Ist doch genial , oder ?

    Die Menschheit wartet auf die Erlösung ...- die Wasserstoffbombe .

  • A
    Anonym

    Es ist sicher nicht ganz falsch die Schuld beim Kunden, also bei uns allen zu suchen, aber wir haben ja noch mehr als die Macht, beim Kaufen z.B. auf Fair Trade zu setzen.

     

    Wenn eine Umfrage in der Bevölkerung stattfinden würde, ob Arbeiter in Bangladesch ausgebeutet werden sollen oder nicht um 20 Cent zu sparen, da würden ja wohl unter 1% "Ja, das möchte ich." ankreuzen. Die Frage ist also wieso sich dieser Wille nicht vernünftig in der Realität abbildet.

     

    Wenn wir aber einen Willen haben, wieso nicht den gewöhnlichen Gang gehen, und ein entsprechendes Gesetz formulieren?

     

    Wer Kleidung, die unter vorher definierten unwürdigen Bedingungen gefertigt wurde wissentlich verkauft, sollte mit hohen Geldstrafen rechnen müssen und mit einem Verkaufsverbot belegt werden. Und die Definition von unwürdig muss eben alles unterhalb von Fair Trade einschließen.

     

    Dann würde dieses unsägliche Spiel endlich beendet, bei dem genau die Unternehmen höhere Gewinne erwirtschaften, die es schaffen, die Bürger besser zu täuschen. Es fehlt nur noch eine Kontrollinstanz, welche die Arbeitsbedingungen im Ausland unabhängig kontrolliert.

  • TL
    @Tim Leuther

    Völlig richtig. Aber erklären Sie das mal kleinstgeistigen Hobbyökonomen, die ökonomischen Unverstand mit Linkssein verwechseln.

  • A
    andreas

    Einzig allein der Staat Bangladesh und deren Brandschutzkontrolleure sind an dem Unglück Schuld.

    Ursache war:

    "Elektrokabel hingen häufig frei im Raum, Feuerlöscher fehlten, Notausgänge seien verschlossen und Fluchtwege versperrt."

    Es ist auch völlig egal C&A oder andere Billigketten anprangern zu wollen.

    Die überteuerten Marken sind allesammt in Bangladesh vertreten.

     

    Wenn in Deutschland(Exportweltmeister) eine Fabrik abbrennt suchen wir den Schuldigen auch nicht bei den ausländische Auftraggebern und den ausländischen Käufern der Produkte !!!

    Die Schuld beim Ausländer zu suchen nennen wir hier im allgemeinen RECHTS !!! Und das ist es auch !

  • KF
    Öko Fritz

    Globalisierung = "Sklaverei"

     

    Wir Europäer sind moderne Sklavenhalter und machen eben die Augen zu, wenn es kritisch wird!

  • M
    mimi-kri

    Die Verbraucher jagen nicht NUR nach Billigprodukten - die es sich (mehr oder weniger) leisten können, kaufen teure Prestige-Klamotten und Händies.

    Da sind die Arbeitsbedingungen aber auch nicht besser - nur die Gewinnspannen sind größer!

     

    Second-Hand kaufen!

  • C
    Checker

    In Fällen wie diesen heisst es Meistens in den Nachrichten "Die Verantwortlichen sollen zur Rechenschaft gezogen werden" Das wird aber nicht gelingen. Vielleicht wird der Vorarbeiter oder sogar der Betriebsleiter in Bangladesch "Zur Rechenschaft gezogen". Möglicherweise muss sogar das Unternehmen einen Ausgleich zahlen.... aber sind das alle Verantwortlichen? Nein. Die Verantwortlichen sind letzendlich doch auch wir. Du und ich. Der Verbraucher der einen "günstigen" Fleece Pulli kauft. Als niederer Beweggrund wird Raffgier und Profitstreben genannt. Genau die Beweggründe die wir haben, wenn wir mal wieder ein Schnäppchen machen. Oder?

  • V
    Vorstädter

    Mit wird es "heiß" in meiner Kleidung!

     

    Doch wie kann den Menschen geholfen werden?

     

    Boykottieren wir die Handelsmarken, dann werden die Arbeiter in der 3. Welt nur noch mehr ausgebeutet oder erhalten noch weniger Geld - wie auch immer das gehen soll!

     

    Unsere Regierungen in Deutschland und Europa sind nicht interessiert daran, dass die Textilkonzerne sich sozial für ihre Zuarbeiter engagieren müssen.

     

    Dabei würde 1 Euro pro Kleidungsstück, ein lumpiger Euro, direkt eingesetzt zum Bau von Wohnungen, eingesetzt zum Vorhalten ärztlicher Versorgungseinrichtungen und von EINFACHSTER Infrastruktur bereits reichen. Die Ansprüche vor Ort sind nicht so übertrieben wie hier. Die Menschen in Bangladesch leben nach unseren Maßstäben teilweise wie vor 1800 - mit einem Sprung ins Jahr 1900 wären die Menschen dort schon glücklich!

     

    Nein, die Revolution, die Bangladesch braucht, muss HIER stattfinden. Wir müssen uns ändern, wir müssen die Konzerne in die Knie zwingen! Wir müssen uns aufraffen und protestieren. Jetzt im Weihnachtsgeschäft können wir sie treffen! Wenn wir wollen!

     

    Für welche Nichtigkeiten gehen wir in Europa auf die Straße? Über was regen wir uns bei unseren Arbeitgebern auf? Gleichzeitig sind wir selbst die größten Sklaventreiber! AUCH ICH!

     

    Ich werde jetzt was tun! Und ich erwarte von ALLEN Parteien Anstrengungen dafür, den Import von Waren an deren menschenwürdige Herstellung zu knüpfen!

  • TL
    Tim Leuther

    Keine Alternative ist es jedenfalls nichts aus Bangladesh zu kaufen. Dieses Land hat die Bevölkerungsdichte vom Ruhegebiet. Können die ihre Nahrungsmittelimporte nicht mit Devisen aus dem Textilsektor finanzieren, dann bricht dort eine Hungerskatastrophe aus.