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Brand in Kopenhagener BörseWiedersehen mit der Turmspitze

Für viele Menschen in Dänemark war der Einsturz des Drachenturms ihr eigener Notre-Dame-Moment. Doch es gibt auch Lichtblicke in der Katastrophe.

Die ikonische Turmspitze der Alten Börse in Kopenhagen Foto: Ida Marie Odgaard/dpa

Am Tag danach hält Brian Mikkelsen sie in der Hand: die rußgeschwärzte Spitze des legendären Drachenturms. Ein Sicherheitsmann hatte sie in den Trümmern gefunden und war damit zu ihm gelaufen. „Ich habe ihm versprochen, dass sie wieder nach oben kommt“, erzählt Mikkelsen hörbar gerührt im dänischen Rundfunk DR. Der Direktor der Arbeitgeberorganisation Dansk Erhverv nutzt damit den Moment, um seine Aussage vom Vortag zu bekräftigen: Die historische Börse von Kopenhagen, seit 2007 Sitz der Organisation, solle um jeden Preis wieder aufgebaut werden.

Um 7.36 Uhr war am Dienstagmorgen die Feuerwehr alarmiert worden, nach vier Minuten war sie vor Ort. Sie konnten nicht verhindern, dass die Menschen in Dänemark den Einsturz des Drachenturms mitansehen mussten. „Unser eigener Notre-Dame-Moment“, schrieb Dänemarks Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen auf X, er war nicht der Einzige mit diesem Vergleich. Auf den Tag genau fünf Jahre zuvor war der Spitzturm der Kathedrale von Paris bei einem Großbrand in sich zusammengefallen.

Fast 400 Jahre gehörte der Drachenturm zu Kopenhagens Stadtbild, ragte also quasi Ewigkeiten über dem Gebäude der alten Börse auf. Vier verflochtene Drachenschwänze (!), am spitz zulaufenden Ende gekrönt von gleich drei Kronen, je eine für Dänemark, Norwegen und Schweden. Der Blick auf dieses eigenwillige Wahrzeichen, bewusst oder so nebenbei, ist eine Selbstverständlichkeit für die Menschen in der dänischen Hauptstadt, ein Teil der Gewissheit, zu Hause zu sein. Und eine Touristenattraktion, mit der die Stadt wirbt. Bis Dienstag war „Børsen“, fertiggestellt 1625, eines der ältesten erhaltenen Gebäude Kopenhagens. Seit zwei Jahren wurde es restauriert, um zum Jubiläum wie neu zu glänzen.

Die Internetseite zur Börse des Touristenbüros Visit Copenhagen informiert nur knapp: „Diese Seite wird derzeit nicht aktualisiert. Sie wird erst verändert, wenn das ganze Ausmaß des Feuers bekannt ist.“ Darunter herrscht glückliche Vergangenheit: Das Gebäude sei „ein zentraler Anblick der Skyline“. Man erfährt: König Christian IV. habe die wachsende Bedeutung von Handel und Gewerbe erkannt und dafür dieses „großartige Gebäude“ im Stil der Niederländischen Renaissance errichten lassen.

Lichtblicke in der Katastrophe

Und der Turm? Um ihn ranke sich eine besondere Legende: Er soll das Gebäude vor feindlichen Angriffen und Bränden beschützen. Und tatsächlich sei die alte Börse im Laufe der Jahrhunderte mehrfach auf „mysteriöse Weise“ von Feuern in der direkten Nachbarschaft verschont geblieben. Bis zum 16. April also. Es könne Monate dauern, bis die Ursache des Feuers geklärt sei, sagte am Mittwoch ein Polizeisprecher. Klar ist aber, dass die eine Hälfte der alten Börse vollkommen ausbrannte, darunter der historische Börsensaal.

„Ein schrecklicher Anblick“, hatte Mikkelsen am Dienstag gesagt. Die Mischung aus alten Holzkonstruktionen und einem Kupferdach, unter dem sich die Wärme heftig staue, hatten das Löschen verkompliziert. „So ein Brand ist unser größter Albtraum“, sagte der Einsatzleiter der Feuerwehr, Frank Trier Mikkelsen, TV2 News.

Drei Lichtblicke in der Katastrophe: 1. Es kamen keine Menschen zu Schaden. 2. Hunderte bedeutende Kunstwerke wurden rechtzeitig herausgeholt – auch von Privatpersonen, die auf dem Weg zur Arbeit spontan in den Heldenmodus wechselten. 3. Die Turmspitzen-Spitze ist wieder da. Vernarbt, aber erkennbar. Den Menschen in Kopenhagen dürfte das am Tag nach dem großen Schrecken ein kleiner Trost sein.

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