Brand auf Covid-Station in Bagdad: Der Sauerstoff brachte den Tod

Bei einem verheerenden Krankenhausbrand auf einer Covid-Station sind dutzende Pa­ti­en­t*in­nen gestorben. Auslöser waren Sauerstoffflaschen.

Angehörige der Opfer warten vor dem Al-Khatib-Krankenhaus. Nach dem Brand auf der Corona-Station eines Krankenhauses in der irakischen Hauptstadt Bagdad

Angehörige der Brandopfer warten vor dem Al-Khatib-Krankenhaus Foto: dpa

KAIRO taz | Sie kämpften um ihr Überleben, die Patienten auf der Covid-19-Intensiv-Station im Ibn Khatib-Krankenhaus in Nordwesten Bagdads. Es war die Krankheit, die ihnen die Luft nahm. Viele hingen an Beatmungsmaschinen oder bekamen zusätzlich zu ihrer schwachen Atmung Sauerstoff. Doch ausgerechnet der Sauerstoff sollte ihnen zum Verhängnis werden.

In der Nacht zum Sonntag explodierten einige der Sauerstoffflaschen, die in einem Raum neben der Intensivstation gelagert waren. Das anschließende Feuer verbreitete sich in Windeseile im gesamten Krankenhaus, in dem sich neben Ärzten, Personal und Besuchern 120 Patienten befanden. 85 Menschen kamen nach Angaben des irakischen Innenministeriums bei der Explosion und dem Feuer ums Leben.

Das Krankenhaus hatte kein Feuerlöschsystem. „Die meisten starben, als sie von den Beatmungsgeräten genommen wurden, um sie vor den Flammen zu retten, andere waren am Rauch erstickt“, heißt es in einer Erklärung der Feuerwehr. Zur Zeit der Explosion wurden 28 Patienten künstlich beatmet.

In den Sozialen Medien wird auf Handy-Videos das Chaos deutlich: Rauchgefüllte Korridore, hustende Menschen mit Taschenlampen, Feuerwehrleute, Personal und Angehörige, die verzweifelt versuchten, Patienten zu evakuieren, sind dort zu sehen. Ein Augenzeuge, der seinen Bruder besucht hatte, als das Feuer ausbrach, beschreibt gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, wie die Menschen nach einer Explosion aus dem Fenster gesprungen sind und wie sich das Feuer rasend schnell ausbreitete.

„Verbrechen gegen die Patienten“

„Der Rauch hat meinen Bruder erreicht, der krank ist. Ich habe ihn auf die Straße geschleppt“, erklärte der Klinik-Besucher. Dann kehrte er zurück ins oberste Stockwerk: „Ich fand eine junge Frau, die am Ersticken war. Ich nahm sie auf die Schulter und lief nach unten. Überall liefen Menschen umher. Ärzte sind auf Autos gestürzt. Es war Chaos. Ich bin mehrmals raufgelaufen, um noch andere Menschen herunterzubringen.“

Es dauerte bis in die frühen Morgenstunden, bis das Feuer unter Kontrolle gebracht war. Daraufhin forschten Untersuchungsteams im Krankenhaus nach der genauen Brandursache. Noch Stunden nach dem Feuer kamen Verwandte der Patienten, um nach ihren Angehörigen zu suchen.

Iraks Premierminister Mustafa al-Kadhimi sprach den betroffenen Familien sein Beileid aus und forderte in einem Tweet eine sofortige Untersuchung der Ursachen dieses „tragischen Unfalls“. Er verfügte, den Manager des Krankenhauses, den Sicherheitschef der Einrichtung und alle, die für die Wartung der medizinischen Geräte verantwortlich sind, zu einer Befragung einzubestellen, um die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen. Der Direktor des Krankenhauses sowie der Chef der lokalen Gesundheitsbehörde, in deren Gebiet das Spital liegt, wurden inzwischen entlassen.

Verwandte besorgen Sauerstoffflaschen

Die unabhängige Kommission für Menschenrechte im Irak erklärte, dass der Vorfall ein „Verbrechen gegen die Patienten“ sei. Die Menschen hätten ihr Leben in die Hand des irakischen Gesundheitsministeriums gegeben, und anstatt, dass ihre Krankheit behandelt wurde, sind sie verbrannt“, heißt es dort. Der Ärger verschaffte sich auch auf den Sozialen Medien Ausdruck. Dort wurde mit dem Finger auf Korruption und grobe Fahrlässigkeit im Gesundheitssektor gezeigt, sowie der Rücktritt des Gesundheits- und Premierministers gefordert.

Das betroffene Ibn Khatib Krankenhaus im Südosten der irakischen Hauptstadt ist eines der führenden Institutionen für schwere Covid-19-Fälle, die dorthin auch aus anderen Regionen des Landes gebracht werden. Die Krankenhäuser im Irak haben normalerweise kein zentralisiertes Sauerstoffsystem. Die Patienten haben die Sauerstoffflaschen neben ihren Betten stehen und oft sind es deren Verwandte, die die Sauerstoffflaschen besorgen und auswechseln müssen.

Iraks Gesundheitssystem hat unter Jahrzehnten von Sanktionen und Krieg schwer gelitten. Wie alle staatlichen Institutionen macht ihm auch die grassierende Korruption und Misswirtschaft zu schaffen. Seit der Covid-Pandemie arbeitet es endgültig am Anschlag. Seit Februar sind die Coronafälle im Irak stark angestiegen.

Viele Covid-Fälle werden nicht gemeldet

Diese Woche wurde die Marke von einer Million Infizierten überschritten. Darunter wurden auch 15.000 Todesfälle im Zusammenhang mit Covid gemeldet. Offiziell gibt es derzeit täglich 8.000 Neuinfektionen. Doch die wahren Zahlen liegen wahrscheinlich um einiges höher. Niemand im Irak traut den offiziellen Zahlen. Viele der schwer an Covid-19 Erkrankten ziehen es vor, so lange wie möglich für zu Hause ein Sauerstoffgerät zu organisieren, als sich in eines der überfüllten Krankenhäuser zu begeben. Die meisten Covid-Fälle werden daher auch nicht gemeldet.

Auch das Impfen geht sehr schleppend voran. Mitte letzter Woche hatten gerade einmal etwas mehr als 270.000 Menschen eine Dosis Impfstoff erhalten, bei einer Bevölkerung von 40 Millionen. Insgesamt hat das Land nur 650.000 Dosen verschiedener Impfstoffe über das Covax-System bekommen, das eigentlich weltweit einen gerechten Zugang zu den COVID-19-Impfstoffen gewährleisten soll.

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