Bosnischer Humor: Wir sind die Dummen
Was verbindet das am 14. Dezember 1995 geschaffene, zersplitterte Gebilde Bosnien und Herzegowina? Humor. Eine Landeskunde in 20 Witzen.
Während des Kriegs in Bosnien-Herzegowina 1992–1995 mussten über 2 Millionen der 4,6 Millionen Einwohner fliehen oder wurden vertrieben. Circa hunderttausend kamen ums Leben, 60 Prozent der Gebäude wurde beschädigt oder zerstört. Heute ist Bosnien eines der ärmsten Länder Europas. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 60 Prozent, der Staat ist in einen serbischen, einen kroatischen und einen muslimischen Teil geteilt. Nichts bewegt sich – aber die Bosnier machen Witze. Warum?
Vor dem Krieg hatte jede Nationalität in Jugoslawien ihren festen Platz im regionalen Witz. Slowenen galten als höflich, aber naiv, Kroaten als Möchtegern-Europäer, Montenegriner als stolz, aber faul – und Bosnier als einfach und begriffsstutzig, aber auch als bauernschlau.
Das Ungewöhnliche am bosnischen Witz war schon damals, dass die Objekte in den allermeisten Fällen der (muslimische) Bosnier und – seltener – die Bosnierin selbst sind. Auch heute heißen die Charaktere Mujo (Muhamed oder Mustafa), Suljo (Suljeman/Süleyman/Salomon), Haso (Hasan) und Fata (Fatma/Fatima). Auch katholisch-kroatische, serbisch-orthodoxe und jüdische Bosnier benutzen sie in ihren Witzen.
Warum können die Bosnier im Gegensatz zu anderen Exjugoslawen (und anderen Menschen!) über sich selbst lachen? Die „bosnischen“ Witze sollen ursprünglich gar nicht von Bosniern stammen, sondern von diesen übernommen worden sein – nach dem Motto: „Ehe ihr dummes Zeug über uns erzählt, machen wir das selber.“
Es könnte auch daran liegen, dass Bosnien zwar heute ein armes, ethnisch zersplittertes, im Vergleich zu seinen Nachbarn zurückgebliebenes Land ist – aber über weite Teile der 600 Jahre osmanischer Herrschaft zivilisatorisch weiter war als Kroatien, Montenegro und Serbien. Tatsächlich lebten die heutigen bosnischen Staatsvölker – katholische Kroaten, orthodoxe Serben und „Bosniaken“, wie sich die Muslime nun nennen – unter den Osmanen nicht nur über Jahrhunderte friedlich zusammen. Auch der Wohlstand in Bosnien wuchs in der ersten Hälfte der türkischen Herrschaft. Vielleicht hat ihre Erfahrung mit historischen Hochs und Tiefs die Bosnier witzig gemacht.
Sicher ist: Der Krieg 1992–1995, seine Folgen und die unmöglichen Zustände, die seit dem Frieden von Dayton in Bosnien herrschen, haben Spuren im bosnischen Witz hinterlassen. Den berühmten Humor der Bosnier haben sie nicht kaputtgekriegt. Im Gegenteil: Mit den Flüchtlingen und Auswanderern hat sich der bosnische Witz mittlerweile weltweit verbreitet.
Die Witze:
Mujo bewirbt sich bei einem Betrieb in Deutschland. Der Meister sagt: „Ihr Bosnier seid doch die Faulen …" „Nein“, antwortet Mujo, „das sind die Montenegriner. Wir sind die Dummen.“
Mujo ist an die Adria gefahren und sitzt in der Badehose im warmen Wasser. Suljo kommt vorbei und fragt: „Na, Mujo, sitzt du da und denkst nach?“ „Ne“, antwortet Mujo, „ich sitze nur.“
Mujo kauft Zigaretten - und erhält eine Packung mit dem Warnhinweis: „Rauchen verursacht Impotenz.“ Daraufhin sagt er zum Verkäufer: „Bitte, geben sie mir die, von denen man stirbt.“
„Ich denke, also bin ich,“ sagte der Bosnier. Und verschwand spurlos.
Was ist in Bosnien ein Intellektueller? Jemand, der lesen kann, ohne die Lippen zu bewegen.
Was steht in Bosnien unter dem Straßenschild für Kreisverkehr? „Maximal 10 Minuten!“
Während der Belagerung Sarajevos schaukelt Mujo auf einer Hollywoodschaukel mitten auf der berüchtigten „Sniper Alley“. „Was machst du denn da“, fragt Suljo. „Ich terrorisiere die Scharfschützen.“
Mujo und Suljo rennen mitten durch das Feuer der Scharfschützen, Mujo hat eine Zigarette hinter dem Ohr. Das Ohr wird getroffen - und Mujo bleibt stehen und schaut sich suchend um. „Renn weg, du Idiot“, schreit Suljo, „du hast doch zwei Ohren!“ „Ja“, antwortet Mujo, „aber nur eine Zigarette.“
Mujo hat einen Arm verloren. Tieftraurig geht er die Straße entlang und denkt an Selbstmord. Da entdeckt er Suljo, der beide Arme verloren hat - und lauthals lacht. „Was lachst du denn, wo du doch beide Arme verloren hast?“ „Was würdest du denn machen, wenn du keine Arme hättest - und dir der Hintern juckt?“
Im dritten Kriegsjahr klingelt Mujo an Hasos Tür. Er ist völlig abgemagert und sagt: „Ich habe seit Wochen nichts mehr gegessen.“ „Da musst du dich eben zwingen!“, antwortet Haso.
Serbengeneral Ratko Mladic hat neue automatische Gewehre erhalten. Er befielt einem Soldaten, eins davon zu nehmen und auf einen anderen serbischen Soldaten zu schießen. „Aber ich töte doch keinen Serben“, sagt der Soldat. Mladic ruft den nächsten Soldaten, wiederholt seinen Befehl - aber auch der weigert sich. Mladic wird böse, ruft den nächsten Soldaten. Der nimmt das Gewehr und erschießt beide serbischen Soldaten. „Sehr gut“, meint daraufhin Mladic, „in welcher Einheit dienst du?“ Der Soldat antwortet stolz: „In der 7. muslimischen Brigade der Armee von Bosnien-Herzegowina!“
Mujo ist in Sarajevo mitten im Krieg sehr reich geworden, indem er den UN-Blauhelmen Calamari verkauft hat. Fragt Suljo: „Wo hattest du eigentlich die Tintenfischringe her?“ Sagt Mujo: „Die Blauhelme wissen eben nichts über Beschneidungen.“
Fragt Mujo Suljo: „Mensch, ewig nicht gesehen, was hast du denn während des Kriegs gemacht?“ „Ich war in der bosnischen Armee“, antwortet Suljo. Mujo fragt: „Warum denn das?“ „Da waren mein Vater, meine Brüder und meine Onkel“, antwortet Suljo, „und wo warst du?“ „Ich war bei den Tschetniks“, sagt Mujo. Suljo ist erstaunt: „Aber du bist doch Muslim …“ „Ja“, antwortet Mujo, „aber bei den Tschetniks waren mein Auto, meine Videorekorder und mein Kühlschrank.“
Ein Bosnier, ein Serbe und ein Kroate werden in Saudi-Arabien betrunken von der Polizei aufgegriffen. „Für Trunkenheit gibt es hier 50 Peitschenhiebe“, sagt der Polizist, „aber weil ihr Ausländer seid, habt ihr zusätzlich einen Wunsch frei.“ Daraufhin wünscht sich der Kroate, dass ihm ein Kissen umgebunden wird. Der Serbe wünscht sich zwei Kissen. Als der Bosnier an die Reihe kommt, sagt er: „Bindet mir den Kroaten und den Serben um.“
Wenn in Bosnien ein normaler Mensch auf eine Mine tritt, verliert er mindestens ein Bein. Wenn das einem potenziellen bosnischen Politiker passiert, zerreißt sie ihn, bis nur noch das Arschloch übrig bleibt - und das wird dann Minister.
Frage: Wie viele türkische Wörter gibt es im Serbischen? Antwort: „Yok!“ (türkisch für "Keins")
Warum ziehen die Montenegriner seit 1995 massenhaft nach Bosnien? Sie haben gehört, dass es dort keine Arbeit gibt.
Mujo kommt Suljo in New York besuchen, wo dieser seit dem Krieg lebt. „Wie geht es dir denn so hier?“, fragt Mujo. „Super“, antwortet Suljo, „siehst du das schöne Haus mit der großen Terrasse da hinten? Das ist meins! Und die wunderschöne Frau am Fenster? Das ist meine!“ „Okay, und wer ist der Typ, der die Frau gerade küsst?“, fragt Mujo. Sagt Suljo: "Na wer schon? Das bin natürlich ich!"
Fata beschwert sich bei Mujo über die ethnische Säuberung Bosniens: „Die katholischen Kroaten und die orthodoxen Serben zerstören all unsere Moscheen - und wir schützen ihre Kirchen auch noch.“ Antwortet Mujo: „Warte nur, wir werden denen ihre Moscheen auch noch kaputtkriegen.“
Ein TV-Team fragt Mujo nach seinem typischen Tagesablauf. „Na, ich stehe auf und trinke einen Schnaps …“, will Mujo antworten, aber der Reporter unterbricht ihn und sagt: „Mujo, das ist ein Programm für Kinder. Kannst du nicht was sagen, was gut für die ist, etwa dass du morgens ein Buch liest?“ „Okay“, antwortet Mujo, „morgens stehe ich auf und lese ein Buch. Dann lese ich noch eins. Und dann noch eins. Und dann noch eins. Und dann gehe ich mit Suljo in die Bibliothek und lese weiter. Und wenn die schließt, gehen wir zu Haso, der hat einen Verlag.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Krieg in der Ukraine
Russland droht mit „schärfsten Reaktionen“
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Diskussion um US-Raketen
Entscheidung mit kleiner Reichweite